Nein, sagte Ramses IX., Tourismus habe es zu seiner Zeit nicht gegeben, oder sei etwa das Leben geschaffen, damit der Mensch sich vergnügen könne.
Er verstummte und blickte hinaus auf das Wasser.
Was das sei, Tourismus, fragte Harmat.
Ein Projekt der ›Moderne‹, sagte London und ergänzte, daß der Goldrausch frühe Merkmale von Tourismus zeige. Die Menschen nähmen weite Reisen auf sich, um andere Regionen aufzusuchen.
Also seien wir frühe Touristen, fragte Bildoon.
Im Gegenteil, sagte London und lachte, der Walfang ist unsere Arbeit, unser Beruf, sagte er, seine touristischen Reisen trete der Mensch jedoch zum Vergnügen an, er wolle von der anstrengenden Arbeit ausspannen.
Nein, wiederholte Ramses IX., Tourismus habe es zu seiner Zeit nicht gegeben, niemand sei gereist, um ferne Weltgegenden kennenzulernen, und das Leben sei nicht geschaffen worden, damit der Mensch sich amüsiere.
Sanft breitete sich Dämmerung über die Lagune.
Termoth lächelte.
Pirelli räusperte sich.
Eldin setzte sich behutsam dazu und legte einen Scheit Holz ins Feuer.
Der Ausguck nahm einige Schritt Anlauf und schlug einen Salto.
Ramses IX. erschrak. Ob das nicht eine heilige Handlung sei, fragte er, die die Rituale der Beisetzung begleite.
Doch offensichtlich verstand niemand, wovon er redete, und der Ausguck schlug unbekümmert einen zweiten Salto, als wäre das die einfachste Sache auf der Welt, der Pharao war entsetzt und verstummte.
Eldin staunte über die zierliche Figur des Pharao, er hatte davon vernommen, daß jemand neu aufgetaucht war, rätselhafter Herkunft und jedenfalls kaum walfangaffin, ein Pharao, was auch immer das sein mochte, aus Ägypten, wurde erzählt, es war eben Goldrausch, da strömten die Leute aus allen Gegenden des Planeten, Ägypten, hieß es, liege in Afrika, von dort würden Sklaven über den Ozean transportiert, doch der Pharao wirkte nicht wie ein Sklave, im Gegenteil, er war keineswegs eingeschüchtert, ein wenig zurückhaltend vielleicht, aber standhaft, vornehm sogar, er schien nicht auf der Flucht, seine aufrechte Haltung gebot Respekt.
Was ihn betreffe, sagte er, er hatte sich gefaßt und lächelte London an, er sei ein Herrscher des Übergangs, anders als Ramses der Große, der während seiner über dreißigjährigen Regentschaft das geordnete Reich erst geschaffen habe, geleitet von wohlmeinendem Schutz der Götter, und unter ihrer Obhut war ihm die Pflege des Lebens an die Hand gegeben im Licht des Tages wie im Dunkel der Nacht, die Verhältnisse, versteht ihr, sie fügten sich in ihre kosmische Ordnung.
London nickte.
Pirelli räusperte sich.
Der Ausguck streckte die Beine aus.
Eldin faßte nach der schmerzenden Schulter.
Termoth legte einen Scheit Holz ins Feuer.
Ein Pharao des Übergangs, fragte Bildoon.
Niemand wisse, wo die Atmosphäre des Aufruhrs entsprungen sei, sagte Ramses, doch sie sei nun einmal vorhanden gewesen, eine Bedrohung, deren Gift sich bis in die höchsten Ämter fraß, ihr sichtbares Zeichen sei immer schon das Plündern der Gräber gewesen, und er habe einen exemplarischen Prozeß angestrengt, das Übel auszumerzen und das Gleichgewicht erneut herzustellen, denn allzu leicht richte der Mensch einen Schaden an, dessen Konsequenzen nicht absehbar seien.
Wovon rede er, fragte Crockeye, Rostock zugewandt.
Schillernde Figuren, oder, flüsterte Rostock, die den Weg zur Ojo de Liebre fänden.
Er werde aus dem ägyptischen Altertum stammen, sagte Pirelli.
Ach was, spottete Rostock, er gehöre zu einem Ensemble, das ein Schauspiel einstudiere, die ›Moderne‹ rufe sich zum Herrn und Meister aus über Zeit und Raum.
Und was ihn ausgerechnet auf Scammons ›Boston‹ verschlagen habe, fragte LaBelle.
Verschwörungstheorien, flüsterte London.
Ruhe, zischte Thimbleman.
Termoth lächelte. Er gab Ramses recht, daß es die Aufgabe des Menschen sei, die Kräfte des Lebens zu pflegen, sie in der Balance zu halten und jeden aggressiven Eingriff abzuwehren.
Ramses starrte ins Feuer.