Eigentlich ist es eine traurige Geschichte, so fühlt sie sich an. Zunächst jedenfalls. Eine Geschichte vom Alleinsein, vom Traurigsein, von Einsamkeit. Aber vielleicht wird ja doch noch alles gut. Eine Geschichte, die im Wald spielt, dort, wo es ganz dunkel ist. Gelesen von BARBARA WEGMANN
»Tief im Wald, dort wo die Sonne den Boden nicht mehr berührte, lebte der blaue Vogel.« Das Fliegen hat er schon verlernt, hockt immer nur allein im Schatten, »auf dem untersten Ast des großen Baumes.« Die anderen Vögel kümmern sich nicht mehr um ihn, haben ihn schon vergessen. Dann, eines Tages, flattert ein Vogel, den niemand kennt in den Wald und überall, wo er auftaucht, wird es hell und »grüne Blätter beginnen zu wachsen«. Eine »leise und zarte« Melodie summt dieser seltsame gelbe Vogel.
Die Farben des Buches, kräftig, bunt und mit dickem Pinsel gemalt, sie nehmen mit auf den Weg dieser Geschichte: die dunklen Farben für den Waldboden, dort, wo kaum Licht hingelangt, wo man kaum einen Ast vom anderen unterscheiden kann. Dunkle Bilder, die gar nicht mehr erkennen lassen, wo oben und unten ist. Die Ebenen verschieben sich, purzeln durcheinander, die Welt ist aus den Fugen geraten. Und dann plötzlich wird es immer heller, farbenprächtiger, bunter, freundlicher, fröhlicher.
Britta Teckentrup, die gebürtige Hamburgerin, die in Wuppertal aufwuchs, einen Umweg für ihr Studium über London machte, sie lebt heute in Berlin, hat viele Preise erhalten und schon weit über 100 Kinderbücher illustriert und geschrieben. Dieses hier, die »Geschichte über Traurigkeit und Hoffnung«, ist eine wunderbar klare, so einfache Fabel: Wer einsam ist, der leidet und kann sich oft nicht mehr aus der unfreiwilligen Isolation befreien. Es ist zwar ein Kinderbuch, gewiss, und manchmal ist es ein Mitschüler, jemand aus der Kita, dem Kindergarten, der abseits steht, mit dem niemand spielen oder lernen mag. Aber die Thematik gilt vielleicht auch für die Oma, den Opa, den alleinstehenden Nachbarn, die Nachbarin, die niemanden mehr hat. Kinder haben dafür ganz sicher ein gutes Gespür.
Und so, wie der gelbe Vogel plötzlich Leben, Farbe, Freude und Schwung in seinen tristen Tag bringt, so können auch zwischen Menschen kleine Gesten der Aufmerksamkeit, ein Gespräch, eine Zuwendung, etwas Interesse und Hilfe für den Anderen, Einsamkeit und Alleinsein lindern. Allein aus der Spirale der Einsamkeit herauszukommen, das ist schwierig. So ein gelber Vogel zu sein, das können wir alle, wenn wir es nur wollen.
»Am ersten Tag bemerkte der blaue Vogel den gelben Vogel gar nicht. Am zweiten Tag hörte er eine ferne Melodie. Am dritten Tag blickte er ganz kurz nach oben.« Und dann beginnt die Welt sich zu verändern, und dem blauen Vogel »wurde ganz warm ums Herz.« Da werden plötzlich Farben heller, strahlen Zuversicht und Glück aus, Strukturen im Bild werden klarer, deutlicher.
Alles mit Natur und Emotionen falle ihr leicht, sagt sie erfolgreiche Autorin Britta Teckentrup in einem Interview und gesteht zudem: »Als Kind habe ich direkt gegenüber einem Wald gelebt. Ich war ganz oft draußen. Manchmal denke ich, dass gewisse Bilder seit der Kindheit in einem drinnen sind … habe ich das Gefühl, dass es noch von der Kindheit her zehrt.«
Titelangaben
Britta Teckentrup: Der blaue Vogel
Eine Geschichte über Traurigkeit und Hoffnung
München: arsEdition 2020
32 Seiten, 15 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
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