Grammatik? Die Begeisterung wird sich bei den meisten vermutlich in Grenzen halten. Man denkt an langweilige Schulstunden, ausschweifende Erklärungen und abschreckende Bücher voller Tabellen und Merksätze. ANDREA WANNER war gespannt auf etwas Neues.
Natürlich kennen die meisten von uns Grammatiken aus dem Fremdsprachenunterricht, die Grammatik der Muttersprache nehmen die wenigstens besonders ernst, weil man die ja eh beherrscht – ohne sie wirklich gelernt zu haben. Dabei lernt man auch im Deutschunterricht, was ein Subjekt und was ein Prädikat ist, wie sich mit Konjunktionen Sätze verbinden lassen und dass es einen grundlegenden Unterschied zwischen Indikativ und Konjunktiv gibt – den viele nicht beherrschen. Eine andere Sache ist es natürlich, wenn man Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache lernt und vor lauter Regeln am Ende vor Bäumen den Wald nicht mehr sieht.
Also »Eine Grammatik in Bildern«. Das macht neugierig. Zu Recht. Das Team bestehend aus Susanna und Johannes Rieder, von denen Konzeption und Text stammen, Arinda Crăciun, die für die Illustrationen zuständig ist, und Carsten Aermes, dem wir Grafik und Buchgestaltung verdanken, hat quasi eine Essenz der deutschen Sprachlehren in ein überaus gelungenes Bilderbuch gepackt.
Das Prinzip ist simpel. Es besteht zum einen aus Reduktion, zum anderen aus Visualisierung. So kommen die einzelnen Themen mit ganz wenig Text aus, sorgen für Freude an den Bildern und bringen die Sachverhalte auf den Punkt. Gearbeitet wird mit Farbe, Klappmechanismen, Überraschungseffekten, einer übersichtlichen Gliederung.
Das sieht dann zum Thema »Der Artikel« – nun wirklich eines der unbeliebtesten Themen im Deutschen – so aus: Auf einer nachtblauen Doppelseite mit funkelnden Sternchen, durch die ein VW-Bus fährt, steht links das Thema mit einer kurzen Erklärung, dass ein Artikel ein Begleiter vor einem Substantiv ist. »Eine Nacht«. Klar, da handelt es sich um einen unbestimmten Artikel, den man benutzt, wenn man über die Hauptwörter noch gar nichts weiß: ein Hund, ein Zelt, ein Mädchen, ein Junge, eine Gans – alles auf der Doppelseite als weiße Strichzeichnungen gut zu erkennen. Und dann lässt sich die rechte Buchseite in der Mitte aufklappen und vor uns erscheint »Die Nacht«, die von der jetzt mehr auf dem Bild erzählt wird. Nicht mit Worten, sondern mit einer Lagerfeuerszene, auf der alle die Personen, Tier und Dinge der ersten Seite zu entdecken sind. Aber jetzt nicht mehr als neue, uneingeführte Personen und Sachen, sondern als »das Zelt«, »der Hund«, »das Mädchen«, »der Junge«. Und dieses Prinzip des Ein- und Hinführens wird angepasst: auf Adjektive und das Futur, auf Demonstrativpronomen und den Genitiv.
Das Ganze bewegt sich nicht im luftleeren Raum, sondern basiert – wissenschaftlich korrekt in der Bibliographie wiedergegeben – auf Wörterbüchern und Grammatiken.
Nein, das wunderschöne Buch ersetzt keine Grammatik, macht Pauken nicht überflüssig. Aber es zeigt, wie man Dinge auf den Punkt bringen kann, keine ellenlangen Erklärungen braucht, sondern einfach mit Spaß und Neugierde schauen kann. Und in vielen Fällen fällt dann der Groschen, der alles Weitere viel einfacher macht. (Den Praxistest habe ich bereits gemacht).
Titelangaben
Susanna und Johannes Rieder: Hunde im Futur
Eine Grammatik in Bildern
Mit Illustrationen von Arinda Crăciun, gestaltet von Carsten Aermes
München: Susanna Rieder Verlag 2021
128 Seiten. 25 Euro
Kinder(sach)buch ab 8 Jahren und für Erwachsene
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