»Mein Schatten ist pink« von Scott Stuart ist laut Klappentext eine »Geschichte, die sich für Diversität, Gleichberechtigung und gegen festgefahrene Rollenbilder stark macht«. Ein schönes Anliegen – findet ALEXA SPRAWE. Und dennoch konnte das Buch sie nicht auf allen Ebenen überzeugen.
Im Bilderbuch ›Mein Schatten ist pink‹ erzählt ein Junge aus der Ich-Perspektive von seinem Schatten. Dieser sei pink und damit anders als die Schatten seines Vaters und Opas: »Der Schatten von Papa ist groß und blau, auch der von Opa, das weiß ich genau.« Der Schatten des Jungen mag Ponys, Prinzessinnen, Kleider, Tanzen und Glitzer – Dinge, die hier den Interessen von Mädchen zugeordnet werden. Es würde vorübergehen, meint der Vater und ist ängstlich, weil sein Sohn am ersten Schultag in einem Kleid zur Schule geht. Doch als dieser vor der Klasse steht und die starrenden Blicke der anderen Kinder spürt, verlässt ihn der Mut. Nie wieder will der Junge ein Kleid tragen. Da wendet sich die Geschichte: Sein Vater ermutigt ihn, zu sich zu stehen – nicht nur mit Worten, sondern auch, indem er handelt und ebenfalls ein Kleid anzieht.
Der Einsatz des Vaters ist bemerkenswert und auch der Ausgang der Geschichte bringt Zuversicht: Am Ende wird der Junge so akzeptiert, wie er ist, und er findet schnell Freunde. Es wird vermittelt, dass es gut sei, anders zu sein, und dass andere Akzeptanz entwickeln können, wenn man sich selbst so annimmt, wie man ist. Eine schöne Botschaft!
Der Umgang mit dem Anderssein und die dargestellten Beziehungsebenen – sowohl die Beziehung zwischen Vater und Sohn als auch die Beziehung des Jungen zu seinem Schatten und damit zu sich selbst – wurden hier gekonnt herausgearbeitet. Auch die Gefühle des Jungen werden hervorragend transportiert: über den in Paarreimen verfassten Text und die Illustrationen in stark gesättigten, bunten Farben. Das Farbkonzept ist jedoch kritisch zu betrachten, denn hier zeigt sich die Rosa-Hellblau-Falle: Der Schatten eines Mädchens sei grundsätzlich pink, der eines Jungen blau.
Auch die Tätigkeiten und Interessen entsprechen den Rollenklischees. Tanzen und Kleider werden Mädchen zugeordnet, Autos und Naturwissenschaften den Jungs. Der Versuch, diese Klischees aufzubrechen, scheitert an der Umsetzung der Beispiele. So wird beispielsweise ein tanzendes Mädchen dargestellt, dessen Schatten »lieber Physik und Chemie« mag, und ein Gewichte stemmender Mann mit einem Schatten, der Tänzer ist. Hier wird deutlich, dass Interessen unterdrückt werden, weil sie nicht dem Rollenbild entsprechen.
›Mein Schatten ist pink‹ zeigt einige gute Ansätze, Diversität darzustellen, schafft es jedoch kaum über das binäre Denken hinaus. Hier fehlt es an einer Auflösung der Kategorisierung in Pink-Mädchen und Blau-Junge, sowohl inhaltlich als auch ästhetisch. Nichtsdestotrotz gibt es eine eingeschränkte Leseempfehlung, weil sich dieses Buch – insbesondere im pädagogischen Alltag – gerade aufgrund der angebrachten Kritik dafür anbietet, Geschlechtszuschreibungen und Rollenbilder zu thematisieren. Vielfalt hat mehr als zwei Farben.
Titelangaben
Scott Stuart: Mein Schatten ist pink
(My Shadow is Pink) Übersetzt von Kristina Schaefer
Münster: Coppenrath Verlag 2021
40 Seiten, 15 Euro
Bilderbuch ab 5 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander