Mein Körper gehört mir

Jugendbuch | Jenni Hendriks, Ted Caplan: Unpregnant

Jenni Hendriks und Ted Caplan haben mit ›Unpregnant‹ ein Jugendbuch über das Thema Abtreibung geschrieben, das ALEXA SPRAWE sowohl inhaltlich als auch erzählerisch-sprachlich angesprochen hat. Ein Buchtipp.

UnpregnantVeronica ist Musterschülerin, Teil der beliebtesten Mädchenclique und mit dem coolsten Typen der Schule zusammen. Veronicas Leben ist perfekt. Sie weiß genau, was sie will, verfolgt ihre Ziele mit großem Ehrgeiz und genießt das Vertrauen ihrer Eltern. Denn auf Veronica ist immer Verlass. Veronica macht keine Fehler und sie würde sich niemals danebenbenehmen. Umso entsetzter ist sie, als ihr der Schwangerschaftstest mitteilt: schwanger! Und ausgerechnet ihre ehemals beste Freundin Bailey findet es heraus, als sie Veronica auf der Schultoilette begegnet.
 
Eine Schwangerschaft passt ganz und gar nicht in Veronicas Lebenssituation. Also beschließt sie heimlich abzutreiben. Doch die nächste Möglichkeit für eine legale Abtreibung ist 1600 Kilometer weit von ihrem Wohnort entfernt. Wie kann sie so schnell wie möglich in diese Klinik gelangen? Und das, ohne dass ihre Eltern davon erfahren? Überraschenderweise erhält sie Unterstützung von einer Person, mit der sie den Kontakt vor langer Zeit abgebrochen hat: Bailey Butler. Ein aufregender und sehr emotionaler Roadtrip beginnt.
 
›Unpregnant‹ ist nicht nur einer dieser Roadtrips, auf denen viele witzige Dinge passieren. Allein der Umstand, dass Veronica und Bailey so unterschiedliche Charaktere sind, sorgt immer mal wieder für aufreibende Situationen. Natürlich finden sie – wie so oft in solchen Geschichten – am Ende auch ihre Freundschaft wieder. Wie könnte eine solche Reise sie auch nicht zusammenschweißen? Doch bei aller Komik werden die ernsten Themen nicht in den Hintergrund gerückt. Immer wieder werden Abtreibung und toxische Beziehungen thematisiert. Denn Veronicas Freund Kevin hat sie nicht nur absichtlich geschwängert, indem er Löcher in das Kondom gebohrt hat, sondern verfolgt sie auch bis zur Klinik, um die Abtreibung zu verhindern. Im Laufe des Roadtrips taucht er mehrmals auf, um sie davon zu überzeugen, dass sie das schon gemeinsam schaffen würden und sie eine Familie seien.
 
Die Absurdität des Ganzen zeigt sich darin, dass dieser Roadtrip überhaupt notwendig ist. Dass Veronica quer durchs Land fahren muss, weil sie als Minderjährige keine Rechte über ihren Körper hat. Dass ihre Eltern von all dem nichts erfahren dürfen, weil Veronica in einer Welt aufwächst, in der sie sich keine Fehler erlauben darf. Dass sie ihre Mädchenclique belügt, um den Schein ihrer Perfektion zu wahren. Überhaupt: dass Veronica keinen anderen Weg sieht, als alle um sich herum zu belügen, um etwas scheinbar Verbotenes zu tun.
 
Dieses Buch zeigt auf eine lebendige, tiefgreifende Weise, wie wichtig es ist, Abtreibung zu enttabuisieren und junge Erwachsene nicht nur aufzuklären, sondern ihnen auch aufzuzeigen, dass sie nicht allein gelassen werden. Die Tatsache, dass Schwangerschaftsabbrüche strafbar sind (in Deutschland nach § 218 Strafgesetzbuch), stößt auf berechtigte Kritik – denn derartige Gesetze greifen in die Persönlichkeitsrechte aller Menschen mit Uterus ein. Bücher wie ›Unpregnant‹ verdeutlichen diesen Missstand und appellieren zur Selbstbestimmung über den eigenen Körper.
 
Jenni Hendriks und Ted Caplan leisten mit ›Unpregnant‹ wichtige Bildungsarbeit. Das Jugendbuch liest sich nicht nur unterhaltsam, sondern stellt auch genau die richtigen Fragen, über die es zu diskutieren lohnt – vielleicht auch als Folge einer Schullektüre.
 
Im Oktober 2021 erscheint übrigens die Verfilmung des Buches als VoD und für den Herbst wurde der zweite Roman des Autorenduos auf Deutsch angekündigt: ›Save Dave‹.
 

| ALEXA SPRAWE

Titelangaben
Jenni Hendriks, Ted Caplan: Unpregnant
(Unpregnant 2019)
Übersetzt aus dem amerikanischen Englischen von Kattrin Stier
Frankfurt am Main: Fischer FJB 2021
304 Seiten, 14,99 Euro
Jugendbuch ab 14 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Eskalation

Nächster Artikel

Mit Eichendorff im Cabrio

Weitere Artikel der Kategorie »Jugendbuch«

Die Jungfrau Maria und ich

Jugendbuch | Christine Heppermann: Frag mich, wie es für mich war Unerwartet schwanger als Teenager, nicht leicht. Addie trifft ihre Entscheidung, auch nicht leicht. Auf die Folgen war sie nicht gefasst. Darauf, dass ausgerechnet Maria zur Reflexionsfigur wird, aber am allerwenigsten. Von MAGALI HEIẞLER

Heimweh

Jugendbuch | Susan Kreller: Elektrische Fische Alles fühlt sich falsch an, als Emma mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern Dublin verlässt und in dorthin zieht, woher ihre Mutter kommt. Mecklenburg-Vorpommern. Arschwärts. Denn schlimmer kann es nicht kommen, findet Emma. Von ANDREA WANNER

Es ist immer Viertel nach neun

Bilderbücher | Die Ziege auf dem Mond / Der Pinguin sucht das Glück Die Ziege lebt ganz allein auf dem Mond und kann machen, was sie will. Und solange sie sich vom tiefen Krater fernhält, ist auch alles in Ordnung. Aber dann fällt etwas ganz Großes vom Himmel, und die Ziege muss etwas tun, was sie nie wollte. Beuse und Greve erzählen ein philosophisches Abenteuer. GEORG PATZER gefällt es, trotz einiger Vorbehalte.

Nur ein Hauch und doch so wahr

Jugendbuch | Elisabeth Steinkellner; Michaela Weiss: Die Nacht, der Falter und ich Von der Gefühlswelt sehr junger Menschen wird viel gesprochen. Seltsam sei sie, verwirrend und verwirrt, etwas, dem die Betroffenen hilflos ausgeliefert sind. Ebenso wenig zu fassen wie ein Lufthauch. Nicht materialisierbar. Ob das stimmt? Elisabeth Steinkellner hat sich zusammen mit Michaela Weiss mutig aufgemacht, Gefühle sichtbar zu machen, in Wort und Bild. Und den Gegenbeweis geliefert. Von MAGALI HEISSLER

Wiedersehen mit Südafrika

Jugendbuch | Lizzy Hollatko: Der Sandengel Südafrika ist kein Land mehr, das häufig in den Schlagzeilen auftaucht. Vieles hat sich geändert dort seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Es gab aber eine Zeit, als allein das Wort ›Südafrika‹ Empörung und hitzige Diskussionen auslöste und die liegt gar nicht so lange zurück. Lizzy Hollatko erzählt in dem Jugendroman ›Der Sandengel‹ von einer weißen Kindheit in einem rassistisch geteilten Land. Von MAGALI HEISSLER