Wiederkehrende Albträume sind etwas Schreckliches. Wenn sie einen Nacht für Nacht plagen, mag man schon gar nicht mehr ins Bett und schlafen. Diese Erfahrung macht auch Anton. Von ANDREA WANNER
Es ist immer der gleiche, furchtbare Traum: riesige Lastwagen verfolgen Anton und wollen ihn überrollen. Er rennt und rennt – und ehe sie ihn einholen, wacht er zum Glück auf. Schweißgebadet, zitternd, weinend. Die Eltern kommen dann und beruhigen ihn. Aber das ist nur ein schwacher Trost. Alles ist so schlimm, dass er gar nicht bei Oma übernachten will. Muss er aber, weil die Eltern Pläne für den Abend haben. Und weil sie tatsächlich vergessen, wie versprochen der Großmutter von Antons Albträumen zu erzählen, macht er das selber. Zum Glück. Denn anders als seine Eltern weiß seine Oma tatsächlich Rat.
Ben Furmann erzählt eine Geschichte, die nah am Kinderalltag ist. Viele Kinder träumen und es gibt Kinder, die sich mit wiederkehrenden Angstträumen plagen. Darüber zu reden, ist wichtig. Manchmal gibt es ein konkretes Erlebnis, das seinen Weg in die Träume findet, manchmal aber sind sie auch Ausdruck innerer Prozesse. Oma jedenfalls äußert einen Satz, der Anton erstaunt: »Es gibt gar keine Albträume.«
Er weiß es besser, schließlich kennt er das allnächtliche Grauen. Aber seine Großmutter erklärt: »Es ist eine Tatsache, dass alle Träume ein gutes Ende haben. Manchmal passiert es nur, dass man mitten im Traum aufwacht, genau in dem Moment, in dem etwas Aufregendes passiert. Dann verpasst man das gut Ende und weiß nichts davon.« Und so soll sich Anton einfach mal ausdenken, wie denn der Traum weitergehen könnte.
Ob die Idee hilft, dass die Lastwagen ihn nur einholen wollen, weil sie ihm etwas geben wollen? Anton hat eine Idee, was das sein könnte. Und freut sich schon fast auf seinen Albtraum – der aber in dieser Nacht gar nicht mehr kommt.
Furman ist ein finnischer Psychiater, Psychotherapeut und Mitgründer des Helsinki Kurztherapiezentrums. Das Konzept, das Problem mit Fantasie in den Griff zu bekommen, ist auf jeden Fall einen Versuch wert – auch wenn es natürlich keine Garantie dafür gibt, dass es bei jedem Kind funktioniert. Tipps für Eltern, Erziehende und Vorlesende gibt es am Ende des Buches.
Neben diesem therapeutischen Ansatz ist das Bilderbuch dank der eindrücklichen Illustrationen von Mathias Weber aber für alle Kinder geeignet. Anton, seine Eltern und die Oma sind sympathische Figuren mit runden Kugelköpfen und kleinen Knopfaugen, die den Tag in kunterbunten, fröhlichen Räumen mit dem Jungen verbringen. Für die Ängste und Albträume gibt es ein tiefes Schwarz, das sich tintenklecksartig über das Kinderzimmer und Antons Bett legt, als dunkler Schatten an der Wand oder neben dem Kuscheltier auftaucht – um schließlich zu verschwinden. Wie hoffentlich alle Albträume!
Titelangaben
Ben Furman: Antons Albtraum
(Ollin painajainen, 2000). Aus dem Englischen von Weronika M. Jakubowska
Mit Illustrationen von Mathias Weber
Heidelberg: Carl-Auer Verlag 2021
28 Seiten, 19,95 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
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