Atlanten haben immer etwas Aufregendes, man kann mit ihnen auf Reisen gehen, ohne das bequeme Lesesofa zu verlassen, man kann träumen oder sich begeistern lassen. Und bei diesen maritimen Abenteuergeschichten, festgehalten mit Seekarten voller Koordinaten, da kann schon mal schnell der Kaffee vor lauter Spannung nebenher kalt werden – findet BARBARA WEGMANN.
Eine maritime Sammlung der besonderen Art: Geschichten von Schiffsbrüchen, von missglückten Expeditionen und »Begebenheiten und ungeklärten Schicksalen auf hoher See.« Sie alle, »ob wahr oder frei erfunden« haben eines gemeinsam: sie spielen auf den Meeren dieses Globus‘ und erzählen von so manchen Geheimnissen tief unter der Meeresoberfläche. »Teils sind diese Legenden so fantastisch, dass selbst manch ein Seemann, der sie noch mit gedämpfter Stimme zum Besten gibt, Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit hegt.«
Einst brachen Schiffe auf, um neue Welten zu entdecken, Kolonien zu gründen, den Reichtum des Heimatlandes zu mehren. Schiffskarten und Seetechnik an Bord ließen vor Jahrhunderten noch zu wünschen übrig, sodass »Kursbestimmungen zum Teil auf Schätzungen beruhten und das Kartenmaterial unpräzise war«. Angepeilte Ziele werden so manchmal um nur wenige Längengrade verfehlt. Für Mannschaft, Schiff und Ladung eine furchtbare Tragödie. Für die Schatzsucher und Historiker von heute eine absolute Herausforderung.
1968: Jacques- Yves Cousteau kehrt von einer Forschungsreise am Kap der Guten Hoffnung zurück. Mit der »Calypso« steuert er die Karibik an, macht aber noch einen ungeplanten Zwischenstopp an der Banco de la Plata, vor der Küste der Dominikanischen Republik. Grund für den kleinen Umweg: Mitte des 17. Jahrhunderts soll hier die spanische Galeone Nuestra Señora de la Concepción an einem Riff zerschellt sein. Dasselbe Schicksal traf damals auch die sieben Begleitschiffe. »Doch das Schiff bleibt unauffindbar und schon bald erzählt man sich in der Karibik die Legende von ihren unermesslichen Reichtümern.«
Der britische Marineoffizier William Phips geht 40 Jahre später im Auftrag der Krone auch auf Erkundungsfahrt und macht eine enorme Beute: 34 Tonnen Silber bringt er unter anderem mit nach Hause. Zehn Jahre später ist es der Schatzsucher Burt D. Webber, der »offiziell den Fund der Galeone bekannt gibt.« Er wurde fündig nur rund hundert Meter von der Stelle entfernt, an der Cousteau sein Glück versucht hatte. Und dort »funkelten nun die ersten Goldmünzen«.
Das Buch erzählt von verschollenen Expeditionen, von Entdeckungen und nebulösen Geschehnissen, von Schätzen und Reichtümern, von Verlust und tragischen Erlebnissen auf den Meeren. Gut 30 Geschichten hat Cyril Hofstein zusammengetragen. Hofstein ist Historiker und absoluter Fan von allem, was mit Meer und Seefahrt zu tun hat. Kein Wunder, dass sich das lebhaft in den Geschichten von »Seefahrern und namhaften Schiffen auf den Meeren des Abend- oder Morgenlandes, von der Ostsee bis zum arktischen Meer, vom Pazifik bis zum Indischen Ozean« widerspiegelt. Kurze Geschichten sind es, unterhaltsam – und voller Spannung geschrieben. Geschichten, die wieder lebendig werden, verblasst wirkt nur etwas das Schriftbild im Buch.
Ansonsten ist es ein wunderbares Buchgeschenk – auch an sich selbst –, mit Lesebändchen, für den Einstieg, wo immer man möchte. Es gebe drei Arten von Menschen, so wird Aristoteles zitiert, die Lebenden, die Toten und diejenigen, die zur See fahren. Na dann, willkommen an Bord.
Titelangaben
Cyril Hofstein: Atlas der maritimen Geschichten und Legenden
Illustrationen Karin Doering-Froger
Köln: DUMONT Verlag 2021
ISBN: 9783832169015
136 Seiten, 25,00 Euro
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