Kleiner Weltuntergang

Lyrik | Peter Engel: Gedichte

Spiegelungen, Ablagerungen

Mit der Hand schließe ich mich kurz
beim Schreiben, lasse den Wortstrom
fließen durch mich hindurch,
damit er mich genau ausdrückt,
meine verschiedenen Stimmungen
zwischen heiter und bedeckt,
wie sie der Himmel mir vormacht.

 

Eine Spiegelung also,
ein Bild mit Worten gemalt
in den Farben meiner Sprache,
gemischte Spektralereignisse,
unrein wie sie der Tag bringt
mit seinen dunklen Schmutzschichten,
den Ablagerungen der Jahre.

Kleiner Weltuntergang

 

Aus den Leitungen braune Brühe,
Stromausfall im Sanitärbereich
und ein blinder Fleck im Spiegel,
die Heizung arbeitet nur matt,
die Butter scheint ranzig zu sein.

 

Das umgewehte Rad vorm Haus,
wild flattert die schwarze Hülle,
auf dem Balkon der gepeitschte Strauch,
kein Loch im verhängten Himmel,
nur sein einheitlich grauses Grau.

 

Kein Anruf von niemand, kein Signal
zur eingetretenen Lage,
sondern nur ein fataler Geruch
im Treppenhaus, beinahe brandig,
doch der Feuermelder springt nicht an.

 

Vielleicht alles ohne Bedeutung
oder die Nachricht ist nicht
durchgedrungen, hängt irgendwo fest,
es gibt also noch Aufschub,
eh‘ alles wirklich zusammenbricht.

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