Wer ein Buch in Händen hält, für den sind Buchstaben und Lesen meistens eine Selbstverständlichkeit. Hassan Zahreddine führt uns mit seiner Geschichte in den Libanon der 1940er Jahre und zeigt, welche Macht der Schrift innewohnt. Von ANDREA WANNER
Zineddine ist eines von vielen Kindern einer Familie. Zur Schule kann er nicht gehen, denn das Geld ist knapp und der Junge muss mit dazuverdienen. Eines Tages bringt ihn sein Vater zu einer Druckerei. Dort soll seiner neuer Job sein und Zineddine ist einerseits von dem Lärm und dem Geruch eingeschüchtert, andererseits aber auch merkwürdig fasziniert. Der Meister fragt ihn nach seinem Namen und bringt daraufhin drei kleine Stücke aus Metall, die er mit einem Faden verbindet, mit schwarzer Farbe überzieht und mit dann mit einem lauten Gerät darüber fährt. Die drei Zeichen hinterlassen ein Muster: ZIN, die drei ersten Buchstaben seines Namens, sind da gedruckt. Gern möchte er lesen lernen und der Meister verspricht ihm, dass er es im Laufe der Zeit lernen würde.
Das tut er. Berückt lernt er neue Buchstaben kennen, entziffert die Namen über den Geschäften auf seinem Weg zur Arbeit und lernt, die Buchstaben im Setzkasten zu Wörtern zusammenzusetzen. Zu Wörtern, die nicht nur ihm eine neue Welt eröffnen, sondern in denen eine ungeheure Sprengkraft steckt, wie der Junge schon bald erfährt.
Hassan Zahreddine schreibt in seinem Nachwort, dass ihn die Geschichte seines eigenen Vaters zu diesem Buch inspiriert habe, der als Kind das Handwerk des Schriftsetzers erlernte und es später zum Beruf machte. Das arabische Alphabet, das aus 28 Buchstaben besteht, und in dem die Ornamentik aufgrund des Bilderverbots im Islam eine wichtige Bedeutung hat, zeigt ganz eigene künstlerische Möglichkeiten, die sich bereits in den drei Buchstaben von Zins abgekürztem Namen andeuten.
Die Hommage an seinen Vater krönt Zahreddine, der Druckkünstler wurde, damit, dass er die Geschichte in Mezzotinto-Technik erzählt: Detailreiche Bilder in einem geheimnisvollen Dunkel mit ungeheuren Licht-Schatten-Nuancen begleiteten die Geschichte. Das aufwändige Druckverfahren schien dem Künstler angemessen für eine Geschichte, die so viel mehr erzählt als nur das Leben seines Vaters, sondern die zeigt, dass Wörter und Schrift die Macht haben, gesellschaftliche Systeme zu verändern.
Titelangaben
Hassan Zahreddine: Zin
Eine Geschichte aus dem Libanon
Aus dem Arabischen übersetzt von Leila Chammaa
Basel: BAOBAB 2022
32 Seiten, 20 Euro
Bilderbuch ab 8 Jahren
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