»Ich habe das Recht, mein Leben bis zum Schluss leben zu dürfen. In meinem Alter verlange ich nur eines: dass sie mich in Frieden sterben lassen! Den Rummel habe ich zu lange mitgemacht! Jetzt meide ich ihn. Deshalb bin ich so gern in Pietrasanta in der Toskana«, hatte die Schauspielerin Gina Lollobrigida erklärt, die im September wegen eines Oberschenkelhalsbruchs bereits im Krankenhaus behandelt werden musste. Von PETER MOHR
Vor 15 Jahren hatte sie noch einmal für ein kräftiges Rascheln im Blätterwald sorgte. Die angekündigte Hochzeit mit dem 34 Jahre jüngeren spanischen Unternehmer Javier Rigau platzte dann aber doch. Zur Ruhe gekommen ist »La Lollo« seitdem dennoch nicht. Seit Jahren versuchte ihr Sohn Milko Skofic junior, sie entmündigen zu lassen und war dabei stets gescheitert.
Für eine ganze Männergeneration Europas war Gina Lollobrigida mehr als eine erfolgreiche Schauspielerin. Mit ihren feurig-funkelnden dunklen Augen, den tiefschwarzen langen Haaren und der üppigen Oberweite verkörperte sie das Schönheitsideal der 1950er Jahre. »Gina Nazionale«, wie die Italiener die Schauspielerin respektvoll nannten, war die Schönheit wohl schon in die Wiege gelegt worden.
Mit drei Jahren wurde die Tochter eines Möbeltischlers aus Subiaco (50 km östlich von Rom) zum »schönsten Kleinkind Italiens« gewählt, 17 Jahre später belegte sie bei der Wahl zur »Miss Italia« den dritten Platz. Kein Wunder, dass »La Lollo« 1950 in einem wenig anspruchsvollen ›Miss Italia‹ betitelten Streifen die weibliche Hauptrolle spielte.
Der große Durchbruch gelang Gina Lollobrigida, die Malerei und Bildhauerei studiert hatte, nicht in Italien, sondern in Frankreich – als Wahrsagerin in Christian Jacques Persiflage ›Fanfan, der Husar‹ (1951) und in René Clairs ›Die Schönen der Nacht‹ (1952). Ihr erstes Hollywood-Intemezzo, zu dem sie Howard Hughes aufgefordert hatte, brach die Schauspielerin abrupt ab, als der US-Regisseur Ginas Scheidung vom Mediziner Milko Skofic forderte.
In den Folgejahren erreichte Gina Lollobrigida auch in ihrer Heimat Kultstatus – durch ›Brot, Liebe und Fantasie‹ (1953) und die Fortsetzungen ›Brot, Liebe und Eifersucht‹(1954) und ›Liebe, Brot und 1000 Küsse‹ (1955). Es waren nicht anspruchsvolle Rollen oder feine Charakterzeichnungen, die ihren Ruhm ausmachten, sondern die Aura der betörend schönen Frau.
Gina Lollobrigida war noch nicht 30 Jahre alt, als sie 1956 an der Seite von Anthony Quinn als Esmeralda im ›Glöckner von Notre Dame‹ den Gipfel ihrer Popularität erreichte. Humphrey Bogart, Sean Connery, Alec Guinness, Horst Buchholz, Jean-Luis Trintignant, Bob Hope und Lee van Cleef waren später ihre Filmpartner in internationalen Produktionen. In mehr als 60 Filmen hat »Gina Nazionale« mitgewirkt, ehe sie in den 1970er Jahren eine zweite Karriere als Fotografin (sie porträtierte u. a. Fidel Castro, Paul Newman und Salvador Dali) Bildhauerin und Filmregisseurin startete.
»Im Film war ich nicht mein eigener Herr. Mit meinen Bildern und Skulpturen kann ich sagen, was ich will«, begründete die Diva ihren Abschied vom Film. So war es für den Filmstar eine große Genugtuung, als Sie den wichtigsten französischen Kunstpreis, den »Commandeur de l’Ordre des Arts et des Lettres«, erhielt und ihre Ausstellungen in Paris und Moskau große Publikumsscharen anzogen.
Als Schauspielerin wollte sie sich selbst nie in das Rollenklischee der schönen Frau hineinpressen lassen. Bezeichnend, dass sie im Rückblick die Verfilmung von Alberto Moravias Roman ›Die Römerin‹ für ihre größte künstlerische Leistung hält. Gina Lollobrigida spielte darin eine Prostituierte – ein Spiegelbild zu den übrigen Rollen und auch zu ihrem lange Zeit mondänen und eigenwilligen Lebenswandel.
Die langjährige UNESCO-Botschafterin war aber auch wegen ihrer Impulsivität gefürchtet. So verließ sie 1986 erbost als Jury-Mitglied die »Berlinale«, um sich so vom prämierten Reinhard Hauff-Film ›Stammheim‹ zu distanzieren. Manchmal verkörperte »La Lollo« die Schöne und das Biest in einer Person. Nun ist die letzte große Diva des europäischen Films im Alter von 95 Jahren gestorben.
| PETER MOHR
| Abbildung: Ivo_Lollobrigida_2.jpg: Ivo Bulanda derivative work: César, Gina Lollobrigida (1960s), CC BY-SA 3.0