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Das Schlimmste ist nicht die Einsamkeit

Lyrik | Aron-Thorben Zagray: Das Schlimmste ist nicht die Einsamkeit

Was ist eigentlich das Schlimmste? Darauf hat wohl jeder eine eigene Antwort – wenn sie auch nicht für die Ewigkeit bestimmt ist. MARC HOINKIS spricht mit Aron-Thorben Zagray über seinen neuen Gedichtband, der schwerer wiegt, als es das dünne Heftchen vermuten lässt.

›Das Schlimmste ist nicht die Einsamkeit‹ – so der Titel des Gedichtbandes und auch eines seiner zentralen Themen. Zagray begibt sich in die Abgründe der Menschheit, die er letztendlich in sich selbst findet. »Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein«, so eine Aussage Nietzsches, einer der bevorzugten Philosophen des Autors. Ich finde das sehr akkurat.

Zagrays direkte Sprache trifft. Und zwar genau an der richtigen Stelle. Fernab von jeder Banalität zeigt er nur das Wesentliche, was das Lesen so schmerzhaft macht. Und verdammt, tut das gut! Denn Einsamkeit, Stille und Vergessen gehören zu unserem Leben wie der Tod. Zagray erinnert uns daran, dass dies nicht schlecht sein muss. Und ich wage zu behaupten: Wer sich in diesem Buch wiedererkennt, ist ehrlich zu sich selbst. Zumindest wirkt diese Sammlung von knapp sechzig Gedichten auf mich wie ein Spiegel. Aber was sagt der aufstrebende Schriftsteller selbst zu seinem Erstlingswerk?

Hallo Aron, danke für deine Zeit. Bevor wir über deine Gedichte sprechen: Ich kenne dich als musikalischen Menschen, was hörst du aktuell?
Hauptsächlich Jazz. Das beschränkt sich dann in dem Fall auf Chet Baker, und zwar haben es mir besonders die Alben angetan, in denen er sich ans Mikrofon traut und auch mal etwas ‘reinträllert. Das gefällt mir eigentlich ganz gut.

Hat Musik einen Einfluss auf deine Arbeit?
Ich glaube, wenn, dann unterbewusst – aber nicht bewusst. Mal arbeite ich mit Musik, mal arbeite ich ohne. Aber dann lege ich mich auch nicht auf irgendetwas fest. Das kann mal dies sein, mal das. Also würde ich eher sagen, dass Musik vielleicht in der Nachwirkung einen Einfluss hat, aber nicht unmittelbar.

Was meinst du mit Nachwirkung?
Vielleicht höre ich irgendetwas, was mich berührt, zufällig, während ich dusche, im Bus oder der Bahn sitze, oder wenn ich spaziere. Und dann löst das einen Gedankengang aus, der es drei Tage später aufs Papier schafft.

Was hast du während der Zeit gehört, als du an diesem Gedichtband gearbeitet hast?
Da ist mittlerweile viel Zeit verstrichen. Die ersten Arbeiten habe ich schon vor zwei Jahren gemacht und dann lange nichts. Ich habe erst auf Englisch geschrieben, dann alles in Deutsch umgeschrieben und dann alles gestrichen und noch einmal neu angefangen. Von daher: alles Mögliche. Aber nichts, was jetzt im Radio läuft, eher alte Alben. Chili Peppers, Coltrane, Baker, Davis, solche Sachen. Aber das ist das, was ich auch normalerweise hören würde.

Warum schreibst du eigentlich?
Ich glaube einfach nur, weil ich nichts Vernünftiges anderes kann. Ich glaube, dass das, was ich mitteilen will, vor allem die Verarbeitung von Dingen ist, die ich im normalen Leben nicht verarbeiten würde, wenn ich nicht schreiben würde. Also schreibe ich sie auf. Und das ist eigentlich schon die Essenz des Ganzen: Ich setze mich abends hin, mache mir ‘nen Tee oder Kaffee und dann schreibe ich einfach – ich schreibe mir einfach etwas von der Seele.

Wie schreibst du? Nimmst du dir einen Zettel und einen Stift?
Ich schreibe meistens direkt am PC in Manuskript-Form, weil ich mich mit dem nervigen Formatieren später nicht herumschlagen möchte. Und deswegen mag ich es dann einfach, die Worte in Form zu gießen, zumal ich bei Gedichten auch sehr wenig neu schreiben muss, das war jetzt wirklich eine Ausnahme. Ich glaube, ich musste ein bisschen meine Form finden, da das ja auch mein Erstlingswerk war, und ich davor auch wenig Ahnung von Gedichten hatte und eigentlich nur von Baudelaire beeinflusst war, von Bukowski, und vielleicht noch von einigen Gedichten, die man zu den klassischen zählen könnte, wenn man mal die Autoren Goethe und dergleichen heranziehen würde. Vielleicht noch Robert Frost. Und dann habe ich einfach losgeschrieben. Weil man auch immer wieder gemerkt hat, dass sich bestimmte Autoren auch etwas von der Seele schreiben, vielleicht nicht Goethe, obwohl ich das nicht unterstellen möchte, aber grade Bukowski hat mich da doch sehr angefixt und hat mir gezeigt: Setz dich hin und schreib einfach. Guck‘, was herauskommt.

Das hat sich gut angefühlt, also habe ich es gemacht. Aber wie das halt immer so ist, muss man irgendwann die Stützräder ablegen. Und so war das dann auch: die ersten Versuche waren halbgar und nicht gut genug, dann musste ich noch mal streichen. Momentan arbeite ich aber wieder an Gedichten und da ist es ganz unkompliziert, wie mit ‘nem Pflaster, dass man abzieht. Ich brauche vielleicht ein, zwei Minuten pro Gedicht. Wenn es ein längeres ist, vielleicht auch mal etwas mehr, aber ich würde jetzt nicht behaupten, dass ich länger als fünf Minuten an einem Gedicht sitze.

Steht der Titel des Buches stellvertretend für dessen Inhalt?
Ich denke nicht nur für den Inhalt, sondern für alles, was bisher in dieses Werk eingemündet hat. Meine kompletten Erfahrungen, die ich bisher zu diesem Punkt gemacht habe, also die, an die ich mich grob erinnern kann. Oder die, an die ich mich gut erinnern kann. Die mich vielleicht extrem geprägt haben, oder auch gar nicht. Die mich vielleicht auch nur ein bisschen geprägt haben. Aber ich glaube alles, was ich bis zu dem Zeitpunkt erfahren habe und auch während des Schreibens, weil der Schreibprozess ja sehr lang war, alles, was auch dazwischen passiert ist, ist dort mit eingeflossen. Und ich finde, das Schlimmste ist wirklich nicht die Einsamkeit, das Schlimmste ist etwas anderes. Aber bei uns ist es ja schon häufig so, dass die Einsamkeit etwas ist, was einem irgendwie unterstellt wird, wenn man einen »Knacks« hat.

Was ist denn für dich das Schlimmste?
Ich weiß gar nicht, ob ich das sagen kann. Weil mir einfach die Möglichkeit fehlt, mit Worten auszudrücken, was das Schlimmste ist.

In dem Gedicht, aus dem diese Zeile stammt, »das Beste daran«, nennst du aber etwas Explizites.
Was sage ich denn da?

»Das Schlimmste ist der Schluss, dass dich niemand kennt und Einsamkeit ist das beste«. Letzteres behauptest du, weil du dich in der Einsamkeit wirklich erkennst.
Ja, das ist ein Gedankengang, den ich wahrscheinlich hatte. Ich finde, dass ich nicht ganz genau weiß, wie ich die Frage beantwortet habe, zeigt auch meine Arbeitsweise. Es ist oft ein Schwall, der herauskommt, wie ich schon gesagt habe, weil ich nicht allzu lange an einem Gedicht sitze. Und es ist der Moment, in dem mir diese Erkenntnis kommt. Aber ich glaube, dass es auch bestimmte Überheblichkeit ist, mit der man dasitzt, mit der man schreibt, sozusagen auf einem hohen Ross in dem Augenblick, mit dem geflügelten Wort, das vielleicht am Ende leer bleibt, das vielleicht am Ende korrigiert werden muss. Aber ich glaube, dass auch das stellvertretend für die Gedichte ist, dass das stellvertretend für Kunst ist, dass das stellvertretend für die Menschen ist. Jetzt würde ich sagen, nachdem ich es noch einmal gehört habe, dass es wahrscheinlich stimmt.

In vielen Gedichten sind die Stille und die Einsamkeit wiederkehrende Elemente. Bist du denn gerne allein?
Ich glaube, das ist zwiegespalten. Einerseits ja, denn dadurch, dass ich mich in den vergangenen Jahren immer weiter isoliert habe, habe ich einfach eine bestimmte Selbstwertschätzung mir gegenüber aufgebaut, weil ich mich vorher gar nicht kannte. Ich glaube, dass sich viele Leute nicht kennen, weil sie Angst davor haben sich kennenzulernen. Und deshalb glaube ich, dass die Einsamkeit ein ganz wichtiges Element ist. Vielleicht auch nicht für jeden, vielleicht ist es nur für mich so. Für mich war sie sehr wichtig, für mich wird sie auch wichtig bleiben. Und ich kann sagen, dass ich die meiste Zeit gerne allein bin. Aber wenn ich in guter Zweisamkeit bin, dann genieße ich das genauso.

Du sprichst oft die Lesenden mit einem »Du« an, aber schreibst auch aus der Ich-Perspektive. Ist das jedes Mal genau so gemeint?
Diese Entscheidung sollte ich den Lesenden überlassen.

Ich finde, dass aus den Gedichten eine Menge Ehrlichkeit entspringt, zum Beispiel bei dem Gedicht »Mein Grund«, in dem du ja sehr direkt über dich und deine Vergangenheit sprichst. Meine Frage an dieser Stelle: Sprichst du dich wirklich selbst an?
Sozusagen auf einer Reflexionsebene?

Ja, oder als eine Art Erinnerung? Möchtest du dich selbst an etwas erinnern, indem du es aufschreibst?
Das habe ich mich noch gar nicht gefragt, auch da ist es sehr impulsiv. Das ist ein Gedanke, der kommt, eine Erkenntnis vielleicht, die einfach aus der Gesamtheit dessen, was in dem Augenblick aus verschiedenen Flüssen in einen großen Strom geflossen ist, darin kumuliert. Es kommt einfach zu dieser Summe, es kommt zu diesem Gedicht, aufgrund der Gedanken, die sich in dem Moment gebildet haben, die sich ja eigentlich erst aus der Gesamtheit dessen gebildet haben, was vorher passiert ist. Und man kann davon ausgehen, dass ich es mir irgendwann noch mal durchlese, aber das war mit Sicherheit nicht intendiert. Aber man kann schon sagen, dass es mir in dem Moment mit Sicherheit so vorkam, als würde ich es für mich schreiben. Genauso wie ich es manchmal empfunden habe, dass ich es für jemand anderen schreibe, der ähnlich empfindet, aber vielleicht die Worte nicht findet.

Vieles kommt mir sehr persönlich vor. Ich denke da an das Gedicht »Prost«, das letzte in dem Band, welches sehr aus dem Leben gegriffen wirkt und nicht wie ein Erguss eines bestimmten Zeitpunkts. Wieviel von dir selbst zeigst du, bist du bereit zu zeigen?
In dem Moment alles. In dem Moment des Schreibens muss Kunst ehrlich sein und ehrlich motiviert sein. Und die muss aus etwas Intrinsischem kommen, vielleicht durch etwas Extrinsisches motiviert, aber schlussendlich muss die Kunst aus dir herauskommen und aus dir herausfließen, in dem Moment kommen und sie muss ehrlich sein. Ansonsten ist es nicht Kunst, sondern künstlich. Und ich habe keinen Anspruch künstlich zu sein.

Auch das Gedicht »Diamant« klingt für mich sehr emotional. Sind denn Emotionen für dich eine treibende Kraft?
Ich denke schon. Es ist dasselbe, wie mit dem Gedicht Melancholie, ich denke, da beschreibe ich ganz, was die treibende Kraft oder die treibende Emotion hinter dem ganzen Band war. Es ist der Schmerz des Lebens, der einen immer wieder einholt, den man aber im normalen Leben vielleicht auch gar nicht genug wertschätzt, weil wir in einer Welt leben, in der alles, oder vieles, das meiste … künstlich ist, gekünstelt ist, nicht so ist, wie es wirklich ist. Negative Gefühle werden wegecancelt, weil es unbequem ist, darüber nachzudenken, unbequem ist, darüber zu sprechen, unbequem ist, diese zu empfinden. Und viele Leute greifen zu Hilfsmitteln, um sich künstlich zu erhöhen, künstlich Glück zu empfinden. Das ist ein Trend, der mir nicht nur Sorgen bereitet, sondern den ich fast krankhaft finde. Vielleicht ist es auch menschlich, vor der Angst, der Trauer oder dem Schmerz zu flüchten. Ich glaube, es wäre jedem gut gelegen daran, sich seinem Schmerz zu stellen, um zu erfahren, was dahintersteckt. Bei mir waren es die Gedichte. Und deswegen bin ich froh, dass ich das in dem Buch kanalisieren konnte.

Ein wiederkehrendes Element ist der Mensch, vor allem in der modernen Welt. Das drückt sich einerseits durch die Szenenwahl an sich und auch durch die Wortwahl aus. Ist das für dich ein besonders wichtiges Thema?
Ja, vor allem ist es ein kritischer Blick, wie man ja vielleicht sehen kann, oder wie man vielleicht an einigen Stellen herauslesen kann, weil der Mensch mir am Herzen liegt, weil ich selbst einer bin, weil ich sehe, wie verloren Menschen häufig sind, wenn man mit offenen Augen durch die Stadt läuft. Wahrscheinlich hat sich dadurch sehr viel im Buch einfach widergespiegelt. Aber ich glaube, dass der Mensch auch bei der Kunst im Mittelpunkt steht. Die Gefühle, die man empfindet, bei dem Beobachten eines Kunstwerks zum Beispiel, bei dem Erfahren eines Liedes, bei dem Lesen von Romanen, von Erzählungen, Geschichten, zeigen mir, dass der Mensch deshalb auch ganz konkret im Mittelpunkt auftaucht.

Fallen dir gewisse Themen eigentlich besonders schwer und wenn ja, behandelst du diese dann überhaupt?
Die Frage musst du präziser stellen.

Gibt es Themengebiete oder ganz spezielle Themen, bei denen es dir schwerfällt, darüber zu sprechen oder darüber zu schreiben? Vermeidest du diese oder schreibst du sogar im speziellen darüber, eben weil es dir schwerfällt?
Darüber habe ich mir gar keine Gedanken gemacht. Ich glaube, man könnte mir jetzt unterstellen, dass ich nur das schreibe, was mir einfach fällt. Ich glaube, das ist auch eine richtige Unterstellung.
Ich denke, das muss sich zeigen. Ein Gedichtbuch zu schreiben, sagt vielleicht zu wenig aus. Jetzt konnte ich Themen aufgreifen, die mich sehr gefasst haben. Sehr gefesselt haben. Die mich berührt haben. Die für mich einfach von der Hand gingen.

Verfolgst du denn ein bestimmtes Ziel, wenn du schreibst und es dann im Nachgang veröffentlichst?
Mein größtes Ziel ist es einfach, erst einmal selbst zu schreiben, um sich etwas von der Seele zu schreiben. Also kann man sagen, relativ egoistisch.

Davon erzählst du auch im Gedicht »Schreiben«.
Grade, weil ich es auch selbst beim Lesen bestimmter Autoren erfahren habe, die mir sehr viel bedeuten, dass man durch das Schaffen von anderen Leuten selbst motiviert werden kann, künstlerisch tätig zu sein. Und ich versuche einfach, einen bescheidenen literarischen Beitrag zu leisten. Siegfried Lenz hat mal gesagt, dass die ganze Literatur ein Angebot ist, aus dem sich der Lesende etwas aussuchen kann, ich würde dem zustimmen. Somit ist es eigentlich ein Angebot für denjenigen, der sich dafür interessiert. Der sich vielleicht durch den Titel, das Cover oder das kleine Gedicht auf der Rückseite angesprochen fühlt, sich doch einmal mit der etwas abgründigen Existenz seiner selbst und der seines Umfelds auseinanderzusetzen. Und dann vielleicht merkt, wenn ich das so frech sagen kann: das kann ich besser oder das will ich auch einmal versuchen. Weil ich glaube, dass grade das Schaffen mit zwei Händen und dem Aufgreifen von bestimmten Themen, die wir emotional oder intellektuell verarbeiten, etwas Wunderbares ist, womit sich eigentlich fast jeder irgendwo identifizieren kann, auf die eine oder andere Weise. Und das ist etwas Wunderbares, wenn man andere dazu motivieren kann, auf diese Art und Weise tätig zu sein, weil das auch Glück in einem auslösen und auch Probleme lösen kann. Einsichten schärft und vielleicht auch den Einblick in sich selber, in andere und wahrscheinlich liegt darin der ganz große zweite Aspekt, weshalb ich mich dazu entscheide, das nicht in der Schublade verstauben zu lassen, sondern zu veröffentlichen.

Gibt es bestimmte Situationen, in denen du schreibst und wann sind diese?
Ich versuche mir, da mein Studium einen sehr großen Teil meines Lebens einnimmt, mir abends feste Stunden einzurichten, in denen ich schreiben kann. Ich schreibe tagsüber meistens nicht gut, daher schreibe ich da meistens gar nichts. Es ist häufig die Nacht, häufig die Dunkelheit, die mich berührt, die etwas in mir auslöst und die ich mir dann auch zunutze mache. Und es sind eben die Stunden, in denen draußen die letzten Motoren verschwinden, die letzten Geräusche verstummen, und allenfalls vielleicht noch ein ganz leises Summen der Autobahnen im Hintergrund zu hören ist, in denen sich etwas in mir regt, was ich nicht explizit machen kann und dann seinen Weg durch mich aufs Papier findet. Das versuche ich, mir zunutze zu machen. Bisher ist das auch ein Rezept, das für mich gut funktioniert.

Und zu welchen Zeiten liest du?
Ich versuche zu jeder Zeit zu lesen, in der ich kann. Ich habe relativ viele Bücher, die ich gleichzeitig lese, weil ich das Bedürfnis habe viel zu lesen. Ich finde, das gehört auch irgendwo zur Aufgabe von jemandem, der sich mit Texten auseinandersetzt, der Texte schreibt. Ich studiere Geschichte und Philosophie, da ist das Lesen und das Schreiben ein ganz großer Aspekt. Ich lese also während des Studiums schon sehr viel, auch da meistens mehr als verlangt wird, einfach, weil mich der Gegenstand meisten doch sehr interessiert. Und ich glaube, dass es einen echten Mehrwert hat. Ich versuche viel Zeit mit dem Lesen zu verbringen und nicht mit anderen Dingen zu verschwenden, die vielleicht einfach rudimentär sind, die man nicht unbedingt machen muss, die man aber vielleicht aus Gewohnheit tut, also sprich: Unterhaltungsmedien zu konsumieren, die ja auch Bücher irgendwo sind, aber ich spreche jetzt ganz explizit von diesen Zehnsekundenvideos, die man sich auf seinem Handy anguckt und die nach drei Stunden ansehen eigentlich keinen Mehrwert hatten. Ich versuche, einfach ganz bewusst, so viel wie möglich zu lesen. Selten, dass man mich ohne ein Buch in der Hand sieht.

Hast du literarische Vorbilder?
Ich würde nicht sagen, dass ich Vorbilder habe, sondern eher Orientierungspunkte. Und vielleicht kann ich da auch noch einmal nachschieben, und das ist mit Sicherheit nicht arrogant gemeint, dass man, was das Schreiben anbelangt, seinen eigenen Stil finden muss, eine eigene Stimme entwickeln muss und wenn man sich ein Vorbild nimmt, dann ist man vielleicht schon zu abhängig davon, das in irgendeiner Art und Weise zu schaffen. Aber Orientierungspunkte gibt es allemal: Auf den verschiedenen Feldern oder in den verschiedenen Disziplinen gibt es natürlich diejenigen, die mir mehr oder weniger gut gefallen, aber hier ist auf jeden Fall Charles Bukowski zu nennen, auch Ginsberg finde ich interessant, Baudelaire hat mich sehr berührt, aber auch Rimbaud hat mir gut gefallen, wenn wir jetzt über Gedichte sprechen. Auch Paul Celan. Da bin ich ganz unbefangen rein und es hat mich sehr berührt, mit was für einer Art er schreibt, auch wenn es sich schwer erschließt, vielleicht habe ich es auch nicht richtig verstanden, aber das, was es mir emotional gegeben hat, hat mir selten ein Werk gegeben. Aber auch große Romanciers wie Tolstoi fand ich absolut lesenswert, Haruki Murakami, Dostojewski. Das sind so Anhaltspunkte, die einen doch auch irgendwie prägen. Auch da vielleicht wieder mehr unterbewusst als bewusst. Vielleicht will man es auch nicht wahrhaben, dass es so ist. Aber ich denke, dass das diese Anhaltspunkte sind und ich denke, dass man die auch in meinem Schaffen wiederfinden wird. An der einen oder anderen Stelle, vielleicht nicht mit derselben Qualität, aber das versuche ich auch nicht.

Arbeitest du grade an einem neuen Projekt?
Ich arbeite an drei Projekten, über eines möchte ich noch nicht reden. Eine Erzählung, die hoffentlich in nächster Zeit über bestimmte Verlage ihren Weg finden wird. Da bin ich jetzt in den letzten Zügen, das Manuskript fertig zu schreiben, noch mal zu überarbeiten und noch mal zu korrigieren. Und das soll jetzt noch im ersten Quartal an verschiedene Verlage versendet werden. Da werde ich einfach mal schauen, wie das Echo ist. Ansonsten an einem weiteren Gedichtband, der hoffentlich wieder im selben Verlag erscheinen wird und der jetzt auch schon relativ weit fortgeschritten ist. Auch er hat viele Allüren, die man wiederfindet. Vielleicht in einer anderen Qualität, vielleicht auch nicht – das muss der Leser am Ende entscheiden, aber ich habe das Gefühl, ich kann gar nicht ohne. Irgendwie arbeitet man ja immer an irgendetwas.

Ich habe nur noch eine letzte Frage: Was liest du aktuell?
Ich glaube, ich lese zum fünften Mal Seneca, weil es mich einfach sehr ergreift. Natürlich ein paar Bücher für die Uni, ansonsten Siegfried Lenz, da habe ich mir vor einiger Zeit eine Ausgabe geholt mit mehreren Erzählungen, die ich jetzt endlich mal beginnen konnte. Rilke in den letzten Zügen, da aber nur die Gedichte. Die fand ich auch sehr interessant. Ansonsten lese ich vor allem Charles Bukowski. Nachdem ich jetzt relativ viele Gedichtbände gelesen hatte, wollte ich mich mal an die Romane und Erzählungen heranwagen und auch die gefallen mir sehr gut. Wobei ich sagen muss, dass momentan durch mein Studium relativ wenig Zeit bleibt, um wirklich sehr viel zu lesen, aber ich versuche, doch schon so mein Pensum irgendwie unter einen Hut zu kriegen.

Dann viel Erfolg dabei. Danke für deine Zeit!

| MARC HOINKIS

Titelangaben
Aron-Thorben Zagray: Das Schlimmste ist nicht die Einsamkeit
BoD
74 Seiten, 7,95 Euro
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