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Demokratie im Härtetest

Roman | Horst Eckert: Die Macht der Wölfe

Zum vierten Mal arbeitet Melia Adan, deren Chancen, Düsseldorfs nächste Kripochefin zu werden, gerade nicht schlecht stehen, mit Hauptkommissar Vincent Veih zusammen. Und erneut geht es um sehr viel. Während Vincent nämlich der Fund von Leichenteilen auf einer Großbaustelle im Stadtzentrum in Trab hält, ist Melia im geheimen Auftrag der Bundeskanzlerin, die von ihrem eigenen Staatssekretär erpresst wird, unterwegs. Dass das eine mit dem anderen zu tun hat, ahnt bereits, wer die ersten drei Bände der Veih-Adan-Reihe des Düsseldorfer Autors Horst Eckert gelesen hat. Und der bietet auch in dem unter dem Titel Die Macht der Wölfe erschienenen neuen Abenteuer des sympathischen Ermittlerpaars, das nun auch privat zusammen ist, Politthrill vom Feinsten und viele Anspielungen auf die aktuelle Situation hierzulande. Von DIETMAR JACOBSEN

Sie sind endlich ein Paar. Was Horst Eckert in den vorangegangenen drei Bänden, in denen er neben und mit seiner den Leserinnen und Lesern schon länger vertrauten Figur des Düsseldorfer Hauptkommissars Vincent Veih die Deutsch-Somalierin Melia Adan auftreten ließ, nur andeutete – in Die Macht der Wölfe sind Melia und Vincent von Anfang an zusammen. Das macht das Leben der beiden verliebten Ermittler allerdings nicht unbedingt leichter.

Denn als Vorgesetzte Veihs und wahrscheinlich zukünftige Düsseldorfer Kripochefin verstößt Melias Verhältnis mit einem Untergebenen gegen die Compliance-Regeln. Also heißt es zunächst: Sie muss verzichten oder er muss gehen. Doch sich mit diesem Problem gründlich auseinanderzusetzen, bleibt kaum Zeit, weil Veih einen Mordfall aufzuklären hat und Melia Adan nach Berlin ins Bundeskanzleramt gerufen wird.

Die Bundeskanzlerin ruft

Dort sitzt seit den letzten Wahlen Bundeskanzlerin Ute Frings-Fassbinder. Doch die von Melias Vater Andreas Götz, einem CDU-Granden im Ruhestand, einst ins Amt gehievte taffe Politikerin hat Probleme. Ein mit viel Geld aus der Welt geschaffter Verkehrsunfall mit Todesfolge, an dem sie die Schuld trug, droht zum Stolperstein in ihrer Karriere zu werden und nicht nur der regierenden Koalition, sondern dem ganzen Land zu schaden. Zumal die Situation zwischen Oder und Rhein, Ostsee und Alpen ohnehin angespannt ist.

Überall schlägt den etablierten Parteien Mistrauen entgegen, wird demonstriert und über die sozialen Medien Hass verbreitet. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine spaltet ebenso wie es die gerade auslaufenden staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorher getan haben. Und eine rechtskonservative Bewegung, finanziert von dem Düsseldorfer Milliardär, Immobilien-Tycoon und Medien-Unternehmer Hartmut Osterkamp schickt sich an, die unübersichtliche Situation zu nutzen und über den Sturz der Kanzlerin und darauffolgende Neuwahlen selbst an die Macht zu kommen.

Eine besondere Rolle haben die Drahtzieher dieses stillen Putsches – man kennt sie alle bereits aus den vorangegangenen drei Bänden der Veih-Adan-Reihe – dem ehemaligen Sportschau-Moderator Christoph Urban zugedacht. Der eloquente und bei einem großen, heterogenen Publikum beliebte Fernsehmann, der nach seiner Entlassung beim WDR für einen privaten Osterkamp-Fernsehkanal eine heftig umstrittene Talkshow mit Gästen aus dem rechten und Querdenker-Spektrum leitet, soll zum Aushängeschild der neuen Bewegung aufgebaut werden.

Das schmeichelt dem politisch eher naiven Möchtegern-Volkstribun zunächst, darf er doch vor ihm zujubelnden Menschenmassen auftreten, Interviews geben und dem eigenen Gesicht in immer mehr Zeitungen und Fernsehsendungen begegnen. Als er jedoch deutlich zu spüren bekommt, dass er nur eine Marionette für jene Männer ist, deren wahre Absichten in eine ganz andere Zukunft zielen als jene, die ihm selbst vorschwebt, ist es fast schon zu spät, um noch die Reißleine zu ziehen.

Ein Fernsehmoderator entert die Politik

Seit inzwischen mehr als einem Vierteljahrhundert steht der Name des 1959 im oberpfälzischen Weiden geborenen Horst Eckert für solide Spannungsliteratur. Der vielfach prämierte und in mehrere Sprachen übersetzte Düsseldorfer Autor, der, bevor er zur Literatur als seinem bevorzugten Ausdrucksmittel fand, als Fernsehjournalist arbeitete, gilt inzwischen als unbestrittener Meister des deutschen Politthrillers. Mit dem Auftritt des Duos Vincent Veih und Melia Adan ist es ihm seit dem Erscheinen von Im Namen der Lüge (2020) gelungen, seinem nun insgesamt 19 Romane und mehrere Kurzgeschichten umfassenden Gesamtwerk wieder eine neue Facette hinzuzufügen.

Obwohl hinter den erzählten Ereignissen und vielen der handelnden Figuren seiner Bücher oft unschwer zu erkennende reale Skandale und die in sie verwickelten Personen durchscheinen, bleiben Eckerts Bücher strikt im Bereich der Fiktion, sind – auch aufgrund des Erzähltempos, das der Autor durch viele kurze Kapitel, in denen immer wieder die Perspektiven wechseln, hoch hält – leicht zu lesen und halten ihre Spannung bis zum Schluss.

In dem brennt Eckert, wie man das inzwischen fast von ihm erwartet, wieder ein kleines Action-Feuerwerk ab. Vergrabene Munition auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz der Roten Armee bei Jüterbog trägt dazu ebenso bei wie die Dienstwaffen von Vincent Veih und Melia Adan, mit deren Hilfe sie sich ihres Lebens erwehren. Doch gut ist, nachdem der Rauch sich über Düsseldorf und Brandenburg verzogen hat, leider noch nicht alles.

Ende gut – alles gut?

Zwar kennt Melia nun das wahre Gesicht ihres Vaters, der wohl mit Unterstützung der neuen Rechtsaußen-Partei zum nächsten Kanzler der Bundesrepublik gewählt werden wird, und sollte in Zukunft auf der Hut vor ihm sein. Und auch Vincents Vaterproblem hat sich – auf an griechische Tragödien erinnernde Weise – nach Jahrzehnten des Schweigens seiner Mutter über die Identität seines Erzeugers endlich und für immer gelöst. Nur um die Demokratie in Horst Eckerts Romanwelt, hinter der man die Konturen unserer Gegenwart erkennen kann, muss leider weiter gefürchtet werden. Denn all jene, in deren Konzept von einem neuen Deutschland das demokratische Mitbestimmungsrecht jedes hier Lebenden nicht passt, ziehen im Hintergrund weiterhin ihre Fäden. Und dass im letzten Satz des Romans der russische Präsident Krimsekt ordert, um angesichts der Nachrichten aus Deutschland auf den baldigen Untergang der liberalen Welt zu trinken, trägt ebenfalls nicht zur Beruhigung bei.

| DIETMAR JACOBSEN

Titelangaben
Horst Eckert: Die Macht der Wölfe
München: Wilhelm Heyne Verlag 2023
478 Seiten. 15 Euro
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