Niemand weiß, wie sich die Proteste gegen das Mullah-Regime weiterentwickeln. Doch die mutigen Iranerinnen haben mit ihrem Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung schon viel bewirkt. Von DIETER KALTWASSER
Die Bilder der Proteste nach Jina Mahsa Aminis Tod gingen um die Welt. Jetzt erzählen fünfzehn iranischstämmige Frauen, warum dieser Tod uns alle etwas angeht. Die deutsch-iranische Journalistin Natalie Amiri und die Politologin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal, kurdisch-jesidischer Abstammung, haben ein Buch herausgegeben, das aufgrund landesweiter Proteste entstanden ist, die im September 2022 begannen, nachdem eine junge Frau, Jina Mahsa Amini, von der iranischen Sittenpolizei aufgegriffen und mutmaßlich zu Tode geprügelt wurde.
»Regime profitieren immer von den Geschichten, die nicht erzählt wurden«, schreiben die Herausgeberinnen in ihrem Buch. Sie haben die Frauen zu ihren alltäglichen Erfahrungen, zu den Protesten gegen das Mullah-Regime und zu ihren Hoffnungen befragt. Die Frauen leben im Iran oder im Exil, einige von ihnen haben ihre Nachrichten aus Gefängnissen geschmuggelt. Sie sprechen über ein Leben mit Sittenwächtern, Entmündigung, Erniedrigung und Gewalt.
Die Frauen erzählen in diesem erschütternden Buch von einem Leben ohne Rechte. Sie nehmen immer wieder Bezug auf die Revolution im Jahr 1979, in deren Verlauf der Schah Reza Pahlavi gestürzt und der geistliche Führer Ruhollah Chomeini aus seinem Pariser Exil nach Teheran zurückkehrte. Viele Iranerinnen und Iraner hofften damals, dass ihr Land besser, freier, demokratischer werden könnte.
Aber bereits wenige Tage nach dem Umsturz setzte eine Verhaftungswelle ein mit Repressionen, Verhaftungen und Hinrichtungen. Frauen wurden ihre Rechte auf allen Gebieten genommen und sie wurden gezwungen, den Hijab zu tragen. So wurde es ab 1995 möglich, Frauen ohne Hijab bis zu 65 Tagen zu inhaftieren, ab 2006 ließ ein »Gesetz über Keuschheit und Hijab« Interventionen der »Sittenpolizei« auf der Straße zu.
Seit der Revolution sind 44 Jahre vergangen, drei Generationen ertragen nun schon jahrzehntelang ein menschen- und frauenverachtendes System. Die anonyme sechsundzwanzigjährige Leily sagt, dass sie »lieber während einer Demonstration sterben möchte, als in den Gefängnissen der Islamischen Republik zu landen; dort stirbt man jeden Moment und jede Stunde.« Die Berichte sind erschütternd, aber auch voller Hoffnung und Zuversicht. Sie riskieren ihr Leben für die Revolution: Die mutigen Frauen Irans. Natalie Amiri und Düzen Tekkal wollen, dass sie gehört werden! Dass sie nicht in Vergessenheit geraten! Eine unverzichtbare Lektüre.
Titelangaben
Natalie Amiri und Düzen Tekkal: »Die mutigen Frauen Irans«
Wir haben keine Angst!
München: Elisabeth Sandmann Verlag 2023
144 Seiten, 25 Euro
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