Jede Menge Buchstaben, die Sinn ergeben

Jugendbuch | Susin Nielsen: Peanuts und andere Katastrophen

Ambrosius ist ein Nerd. Den plötzlichen Tod seines Vaters noch vor seiner Geburt hat seine Mutter nie verwunden. Ihr einziges Kind wächst überbehütet auf und hat Probleme mit Gleichaltrigen. Solange das nur verbale Spielchen mit seinem Namen – Amblödius, Spastosius, Amöbius – sind, mag das noch hinnehmbar sein, der »Scherz« mit den Erdnüssen bringt allerdings das Fass zum Überlaufen. Von ANDREA WANNER

Ein Junge mit einer Pudelmütze auf dem Kopf steht vor einem Sportwagen.Ein bisschen ist der Zwölfeinhalbjährige selbst schuld daran, schließlich erzählt er in der neuen Schule jede Menge Geschichten, die nicht stimmen. Aber das mit der Erdnussallergie ist nun mal wahr – und als ihm Troy, Mike und Josh nach kleinen Schikanen eine Erdnuss auf sein Pausenbrot mogeln und er die Hälfte davon isst, geht es fast tödlich aus für den Jungen. Zeit ihn von der Schule zu nehmen und am Fernunterricht teilnehmen zu lassen. Gar nicht so übel, findet Ambrosius, der auf diese Art nicht nur den Hänseleien seiner Klassenkameraden entkommt, sondern sich auch im Sportunterricht nicht zu blamieren braucht. Und eigentlich ist es zunächst auch ziemlich cool, nicht in die Schule zu müssen. Aber auf Dauer auch ein bisschen öde.

Da taucht zum Glück Cosmo auf, der jüngste Sohn der Vermieter und mehr als zehn Jahre älter als Ambrosius. Cosmo war im Knast wegen diverser Einbrüche, die er wiederum begangen hatte, um seine Drogen zu finanzieren. Dass die Mutter den Umgang mit dieser zwielichtigen Gestalt umgehend verbietet, ist klar. Dass Cosmo irgendwie reizvoll für den vaterlosen Jungen ist, aber auch. Und während seine Mutter Abendkurse in Englisch gibt, fangen die beiden an, miteinander Zeit zu verbringen. Am liebsten beim organisierten Scrabble, wo Ambrosius seine Stärken entdeckt und weiterentwickelt und Cosmo sich unsterblich in die Organisatorin der Treffen verliebt. Aber der Exhäftling hat auch eine Vergangenheit, die ihn einholt und das Doppelleben von Ambrosius kann auf Dauer nicht geheim bleiben.

Susin Nielsen hat zahlreiche Kinder- und Jugendbücher geschrieben, von denen viele auch ins Deutsche übersetzt wurden und eine große Anzahl an Preisen erhielten. ›Word Nerd‹ heißt der bereits 2008 erschienene Titel im Original und spielt damit auf Ambrosius Wortspielleidenschaft an, die sich nicht nur in den Scrabbelspielen – allesamt gegen ältere Gegner – zeigt, sondern auch schon in den Anagrammen nach Scrabbleregeln zu Beginn jedes Kapitels.

Apropos Regeln: Da gibt es für den Jungen einiges zu lernen, denn nicht nur er wird von anderen verletzt, auch sein Verhalten ist oft grob, verletzend und seine Äußerungen eine Spur zu direkt und ungefiltert. Aber dafür stellt ihm Nielsen mit Cosmo eine interessante Figur an die Seite. Auch Cosmo weiß, wie sich Niederlagen anfühlen, was Verrat ist und was Verzweiflung. Von ihm kann der Jüngere eine Menge lernen – und andersrum funktioniert es auch.

Nielsen hat sympathische, überraschende Helden geschaffen, die sich in schwierigen Situationen bewähren müssen und lernen, das Richtige zu erkennen und zu tun. Einfach ist das nicht immer und ein durchaus weiter Weg, den spannend zu verfolgen ist.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Susin Nielsen: Peanuts und andere Katastrophen
(Word Nerd, 2008) Aus dem kanadischen Englisch von Anja Herre
Stuttgart: Urachhaus 2023
240 Seiten, 20 Euro
Jugendbuch ab 12 Jahren

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Mozart der Poesie

Nächster Artikel

Das Grauen lauert im Alltäglichen

Weitere Artikel der Kategorie »Jugendbuch«

Trotzdem glücklich?

Jugendbuch | Josephine Angelini: Annies Welt Das Leben mit acht Geschwistern mag man sich vielleicht ganz spannend vorstellen. Und vermutlich kann das auch funktionieren und funktioniert in manchen Fällen. In Annies Familie nicht. Von ANDREA WANNER

Neue Freunde in der Not

Jugendbuch | Enne Koens: Dieser Sommer mit Jente

Marie muss mit ihren Eltern umziehen und ist sauer. Das Neubaugebiet ist kein bisschen nach ihrem Geschmack, noch stehen die meisten Häuser leer. Außerdem sind Sommerferien und sie vermisst ihre beste Freundin Zoë. Und dann trifft sie auf Jente. Von ANDREA WANNER

Eine zu große Bürde

Jugendbuch | Sabine Raml: Heldentage Knapp sechzehn zu sein, ist für viele Teenager alles andere als leicht, auch ohne eine Alkoholikerin als Mutter und keinen Vater zu haben und an solcher Angst vor Berührung zu leiden, dass die erste große Liebe daran scheitert. All das bürdet Sabine Raml in ihrem Debütroman ihrer Heldin auf. Aber auch die Geschichte selbst erweist sich am Ende als eine etwas zu große Bürde für die Autorin. Von MAGALI HEISSLER

Beliebigkeit, mit einer Prise Pfeffer

Jugendbuch | Anne Freytag: Den Mund voll ungesagter Dinge Es gibt so viele Bücher für junge Leserinnen, dass man sich fragt, warum immer noch eines mehr geschrieben werden muss. Steht wirklich etwas darin, das das neue Buch anders macht? Im vorliegenden Fall kann man die Frage mit einem kategorischen Jein beantworten. Von MAGALI HEISSLER