/

Die 80er in einem Sandkorn

Bühne | Mit Vollgas in die 80er

Die 1980er-Jahre sind wieder da, besonders auch in Karlsruhe. Aktuell ist eine Ausstellung über das Jahrzehnt der Glitzerklamotten, Schulterpolster, Neuen Deutschen Welle und anderer Accessoires dort im Schloss zu sehen. Im Sandkorntheater, einem 1956 gegründeten Privattheater, nahe des Mühlburger Tors und des Stadtteils Mühlburgs, begeistert zurzeit das Musical ›Mit Vollgas in die 80er. Das 80er-Musical mit Live-Band!‹ das Publikum. Von JENNIFER WARZECHA

Zwei Sänger im 80-er Jahre Outfit auf einer kleinen BühneBis auf den letzten Platz gefüllt ist der Theatersaal. Das Publikum möchte die Stars des Abends schier nicht wieder ins normale Alltagsleben entlassen. Es applaudiert und fordert Zugaben, von denen auch zwei gewährt werden. Die Besucherinnen und Besucher sehen die Bühnenfiguren, die in ihre Rolle schlüpfen und die Lieder singen – und das alles mit Bravour, Charme, Ausdrucksstärke und Humor, einfach menschlich eben.

Musikalische Karriere, Erfolg, Liebe, Beziehung sowie die Möglichkeiten und Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, spielen bei den vier Hauptfiguren Katrin bzw. Kara (Rebecca Raffell), Jan (Ralph Hönicke); Julia, Tochter von Kara (Vivien Andrée), Patrick (Florian Kondur) und Paul Taube, musikalischer Leiter, eine Rolle. Kara war einst ein musikalisches Idol und hat damals in den 1980ern zusammen mit ihrem Frebund Jan in der Cover-Band »Karajan« die großen Hits dieser Zeit gesungen.

Auf einmal taucht Jan wieder auf. Patrick, der Freund von Karas Tochter Julia, möchte den Musikclub wiedereröffnen, in dem Kara aufgetreten ist und einen Liveauftritt der beiden mit Band organisieren. Ob das funktioniert und wie die Geschichte ausgeht, können Theater- und Musicalbegeisterte noch bis Februar des nächsten Jahres im Sandkorntheater erleben.

Berührend ist einerseits die Liebesgeschichte, andererseits die Liebe zwischen Mutter und Tochter, des jungen Pärchens, aber auch die zur Zeit und Musik, in der das Musical spielt. Auch hinter Kara verbirgt sich am Ende nicht der harte Kern, als was sie und ihre Lebensumstände am Anfang möglicherweise erscheinen.

Immer wieder werden Einspielungen im Vergleich zwischen den 1980er-Jahren und dem aktuellen Jahr 2023 gemacht und zeigen, wie sich Zeit und Technik weiterentwickelt haben. Gerade zu Beginn der Show rufen alte Werbefilme zugunsten eines Spülmittels beim ein oder anderen ein »Aha«-Erlebnis hervor.

Entwicklung und Charaktere

Angeregt durch die Ausstellung der 1980er-Jahre im Schloss hatte Martin Wacker, der nicht nur Schauspieler am, sondern auch Gesellschafter des Sandkorn Theaters ist, die Idee, passend zur Ausstellung ein Musical zu machen. Karsten Engelhardt hat das Musical inszeniert. Er stellt fest: »Was ich spannend finde, ist, dass es Figuren gibt, die eine Entwicklung und Charaktere haben. Die haben alle ihren Bezug zu den 1980er-Jahren. Es ist nicht anonym, kein Konzert, sondern diese Figuren singen die Lieder, die 1980er-Jahre-Show. Es sind Bühnenfiguren, die das machen und die wir in der Show sehen. Sie schlüpfen in ihre Rolle und singen die Lieder, als Kara, nicht als Rebecca Raffell.

Ich finde, das hat den Vorteil, dass man eine große Sympathie entwickelt für diese Figuren und noch mal ganz anders in die Rolle hineinschlüpft. Man verzeiht ihnen auch etwas, dem Jan und nicht dem Ralph, wenn es nicht ganz wie im Original klingt. Aber ich finde, das bekommen sie gut hin.« Erik Rastetter, Künstlerischer Leiter und Geschäftsführer, hatte Karsten Engelhardt engagiert, der Regisseur des Musicals zu werden. Rebecca Raffell hat ihr Debüt am Sandkorn Theater und wurde als ehemalige Opernsängerin am Badischen Staatstheater von Martin Wacker entdeckt. Entstanden ist das Musical in Kooperation mit Helmholtz-Musikgymnasium und der Hochschule für Musik Karlsruhe.

Hintergrund

Das Privattheater ›DAS SANDKORN‹ ist im denkmalgeschützten Theaterhaus im Herzen von Karlsruhe, nahe der Haltestelle Mühlburger Tor, beheimatet. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf eigens entwickelten Stücken zu aktuellen Themen, sowohl für den Abendspielplan als auch für das Kinder- und Jugendtheater. Frei nach dem Motto »Bühne ist Leben« möchte das Programm so vielfältig und bunt wie das Leben selbst sein, wie es auf der Webseite des Theaters nachzulesen ist. Deshalb zeigen alle Mitarbeitenden ein breites Repertoire vom politischen Kabarett, über Komödien, originellen Schauspielen, Klassikern, bis hin zu Musik-Revuen.

Mit der integrativen Theatergruppe »D!E SP!NNER!« oder der Seniorentheatergruppe BASTA60+, dem Jugendclub und der jährlichen Schultheaterwoche finden hier auch soziale Themen ihr Publikum. Als offenes Haus veranstaltet das Theater zudem viele Gastspiele, Lesungen und Konzerte.

| JENNIFER WARZECHAb

Titelangaben
Mit Vollgas in die 80er
Theater das Sandkorn, Karlsruhe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Zwischen Meister und Gesellen

Nächster Artikel

Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Leben – komprimiert auf 60 Minuten

Bühne | Die Uhr tickt – Timpul trece (Badisches Staatstheater Karlsruhe) Was kann besser sein, als sich mit ernsten Themen wie denen von Leben, Älterwerden und Tod in einem interaktiven Rahmen der Selbstbestimmung auseinanderzusetzen? Diese Themen zeigt die Kooperation von Schauspielern, Moderatoren und Zuschauern im Stück »Die Uhr Tickt«. Von JENNIFER WARZECHA

Zurück in die 80er

Bühne | Musical: Rock of Ages ›Rock of Ages‹ ist laut, nostalgisch und frech. Welches Kind der 80er Jahre hätte jemals gedacht, dass dieser Zeit einmal ein musikalisches Denkmal gesetzt wird? Wer hätte sich träumen lassen, dass eine handylose Ära tatsächlich eine reizvolle Zeit war? ANNA NOAH fragt sich, ob die gezeigte Sehnsucht real ist.

Der perfekte Moment

Bühne | Konzert: Max Raabe Max Raabe, neulich erst zur »fahrradfreundlichsten Persönlichkeit 2019« gekürt, tourt derzeit unter dem Titel seines jüngsten Albums ›Der perfekte Moment … wird heut verpennt‹. Mit dabei seine Klassiker: ›Kein Schwein ruft mich an‹ oder ›Küssen kann man nicht alleine‹, natürlich im Stil der 1920er und 1930er Jahre. Diese Lieder brachten ihm internationalen Durchbruch. Auf der Bühne begeistert er mit Satire und Wortwitz, jedoch auch mit einzigartigem Raabe-Charme. ANNA NOAH staunt über eine vielseitige Darbietung.

Frische Frauenpower mit Sektwelle

Bühne | ›Sekt and the City‹ im LOLA Hamburg »FRAU« sitzt bei ihrer »Friseuse«, trinkt ein Sektchen und lästert über Gott und die Welt. Stimmt irgendwie – aber das geht tief und macht Spaß wie noch nie. Von MONA KAMPE

Theater ist Aufwachen

Menschen | Zum Tod des Dramatikers Edward Bond

Wer Shakespeare auf der Bühne sterben ließ, war ein mutiger Mann sein, für den es keine Tabus zu geben schien. In ›Bingo‹ (1973) schickte Edward Bond Hamlets geistigen Vater in den Gifttod - als Strafe, weil er sich nicht an die humane Botschaft seiner Stücke gehalten habe. Bond seinerseits hat auf der Bühne stets provoziert. Von PETER MOHR