//

Die Qual der Wahl

Bühne | ›Suschi oder Currywurscht?‹ in Karlsruhe

Einen Ehemann, der den Hochzeitstag – in diesem Fall: vermeintlich – vergisst, den kennen sicherlich die meisten Ehefrauen. Ein solcher, bei dem sich das mit dem Vergessen als Missverständnis herausstellt und bei dem auf sympathische Art und Weise klar wird, wie er mittwochs am Abend seine Zeit verbringt, dürften weniger Frauen kennen. So aber ergeht es Doris mit ihrem Kurt in ›Suschi oder Currywurscht?‹, einer Komödie von Hannelore Kucich, auf der ›Badisch Bühn Mundart‹ in Karlsruhe. Von JENNIFER WARZECHA

Eine ältere Frau sitzt am Tisch eines WohnzimmersNicht nur der badische Dialekt macht es, dass sich manche Zuschauerinnen oder Zuschauer in den Figuren wiedererkennen. Man lege Wert darauf, hier so Theater zu spielen, dass es eben auch der Nachbar oder die Nachbarin begreife, wenn man vom Stück erzähle. Das macht Thomas Munz, der seit 1982 Geschäftsführer der Badisch Bühn ist, dem Publikum klar. Freundlich, aber bestimmt, bittet er das Publikum, das Stück zu genießen und dann Werbung dafür zu machen. »Wenn`s Ihnen net gfallen hat, dann halten se bitte die Lapp‘.« Auf Hochdeutsch: Wem es nicht gefalle, der möge lieber schweigen.

Den begeisterten Zugaben zufolge dürften er und die weiteren Schauspielerinnen und Schauspieler sich darüber keine Gedanken machen müssen. Gerade seine Gattin Doris (freundlich, ehrlich und robust: Monika Kerpe) weiß Kurt (charismatisch, authentisch, höflich, aber bestimmt: Thomas Munz) zu schätzen. Dennoch begehrt sie auf, hatte sie doch den Eindruck gewonnen, dass Kurt ihren Hochzeitstag einfach vergessen hat. Die Kraft der Emanzipation fühlt sie außerdem in sich, da augenscheinlich die ganze Familie von ihr erwartet, dass sie auch an ihrem Hochzeitstag noch für Sohn und Ehemann die Wäsche wäscht und den Haushalt schmeißt. Kurzerhand wirft sie den Inhalt des vorbereiteten Wäschekorbs einfach auf den Tisch und geht zum Abendessen in die Stadt. Das stört ihren Kurt nicht nur, weil er dadurch auf das von ihr für ihn kreierte Weihnachtsessen verzichten muss. Vielmehr bekommt er mit, dass seine Ehefrau öfters mit einem Bekannten telefoniert, und wird eifersüchtig.

Er selbst ist aber kein Stück besser und macht der Besucherin eines Nachbarn schöne Augen. Diese macht auch die neue Freundin seines Sohnes eben demjenigen. Sie wird zur Schlüsselfigur des Stückes und das nicht nur, weil sie die Wahrsagerkugel Kassandra herausfinden lassen möchte, wer plötzlich der ganzen Familie Geld und Gegenstände stiehlt.

Ein Mann und eine Frau stehen in einem Wohnzimmer. Eine weiotere Frau sitzt auf einem Sofa.

Doris‘ Freundin Klara (feministisch, klar und markant: Nora Schwedes) macht im Stück immer wieder klar, wo die Grenzen zwischen Mann und Frau hinsichtlich ihrer eigenen und auch fremder Einschätzung liegen. Natürlich geraten auch sie und Kurt deswegen öfters aneinander. Wer aber hat letztendlich Schlüssel und Geld geklaut? Das erfährt das Publikum wieder im April, zwischen dem 5. und 27. April 2024. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall, kann man doch im Restaurant vor, während und nach dem Stück essen, trinken und an langen Tischreihen miteinander ins Gespräch kommen.

| JENNIFER WARZECHA

Hintergrund
Bereits im vergangenen Jahr feierte die Badisch Bühn 40-jähriges Jubiläum. Seit dem 01.01.2000 sind das Theater d‘ Badisch Bühn und Gastronomie/Hotel des den Karlsruherinnen und Karlsruhern bekannten ›Beim Schupi‹ getrennt voneinander. Seit 21. Mai 2003 ist Thomas Munz alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Badisch Bühn gGmbH. Seit 2016 ist Ulla Munz zusätzliche Geschäftsführerin im Bereich Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und komplette Verwaltung.

Weitere Infos und Termine unter: Spielplan • Badisch Bühn – Mundarttheater Karlsruhe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Von Anfang an

Nächster Artikel

Ein Schlüssel für ganz besonderes Sehen

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Kafka auf dem Stuhlberg

Bühne | Kafka/Heimkehr: Staatstheater Wiesbaden Ganz unkonventionell beginnt die Aufführung bereits in der Theaterbar: Ein Schauspieler setzt sich auf die Bar, und ein anderer beginnt zu erzählen: Er rezitiert nichts Geringeres als Franz Kafkas Erzählung ›Das Urteil‹; der Sitzende spielt das Erzählte als Protagonist Georg Bendemann nach. Erst als der sich in das Zimmer seines Vaters begehen will, wird das Publikum von den Darstellern durch lange, dunkle, staubige Gänge in den Theatersaal der Wartburg in Wiesbaden geleitet. Der Regisseur Jan Philipp Gloger hat sich für das Staatstheater Wiesbaden ein gigantisches Projekt vorgenommen, mit dem Titel ›Kafka/ Heimkehr‹, benannt nach Kafkas

Eine Reise quer durch Raum und Zeit

Bühne | Musiktheater: Mozarts ›Requiem‹ Wolfgang Amadeus Mozarts (1756-1791) letzte Komposition ›Requiem‹ ist nicht nur ein sehr emotionales Werk und gleichzeitig ein Abbild der Reise zwischen Leben und Tod. Es ist ein »Stück über Menschen, die gestorben sind und wieder aufgewacht sind, die also scheintot waren«, so Guido Markowitz, Ballettdirektor und verantwortlich für die Choreographie der Pforzheimer Fassung. Von JENNIFER WAREZECHA

Keinen König, keine Helden mehr!

Bühne | Iphigenie auf Tauris – Staatstheater Karlsruhe Der Schwerpunkt liegt auf der Betonung der Weite des Meeres und der Sehnsucht nach Freude und einem Zuhause. Deshalb sind die 19 Gestrandeten, Asylbewerber aus den Gemeinschaftsunterkünften in Karlsbad-Ittersbach und Rheinstetten, ins Stück integriert. Das wirkt nicht deplatziert, sondern integriert sich bestens ins Stück. Von JENNIFER WARZECHA

Von der Moral und deren Akzeptanz durch die Masse

Live | Bühne: La Cage aux folles Diese Bühne wird abgegrenzt von einem roten Vorhang, die Schauspieler und Sänger erscheinen auf ihr, eingehüllt in Scheinwerferlicht. Ein Herr in schwarzem Jackett, der durch seine weißen, schütteren Haare Edel- und Sanftmut ausstrahlt, betritt die Bühne und begrüßt sein Publikum im gut gefüllten Großen Haus des Stadttheaters Pforzheim. Er spricht es direkt an und lädt es sein, mit ihm den Abend im Angesicht des Nachtclubs an der Riviera ›La Cage aux Folles‹ (deutsch für: ›Ein Käfig voller Narren‹) zu verbringen. Von JENNIFER WARZECHA

»Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage«

Bühne | ›Sein oder Nichtsein‹ von Nick Whitby nach dem Film von Ernst Lubitsch Komödie und Satire gelten als die besten Mittel, um durch den Witz oder Aberwitz des Moments eigentlich ernste Tatsachen zu hinterfragen. Filmregisseur Ernst Lubitsch (1892 – 1947) war in den Jahren seines Schaffens angesichts zweier Kriege und dementsprechend widriger Umstände häufig dazu gezwungen, das zu nutzen, um filmisches Geschehen auf die Leinwand bringen und damit, wie im Falle der Komödie ›Sein oder Nichtsein‹, der Zensur entgehen zu können. Von JENNIFER WARZECHA