Der Hans-Christian-Andersen-Preis ging dieses Jahr an den Österreicher Heinz Janisch und den kanadischen Illustrator Sydney Smith – sehr verdient. Aber die Internationale Kinder- und Jugendbuchmesse in Bologna ist vor allem eine Entdeckungsreise für Kinderbuchenthusiasten, die sich zum Glück nicht um Preise, Auflagen oder Lizenzen kümmern müssen. Ein Gang über die diesjährige Messe von GEORG PATZER und SUSANNE MARSCHALL.
Wir wussten es schon, es war dennoch ein riesiger Schock: Da saß er nicht mehr an seinem Stand, der berühmte japanische Illustrator und Künstler Katsumi Komagata mit seiner ruhigen Präsenz, seiner freundlichen Zugewandtheit und schaute geduldig und hochkonzentriert die zahllosen Bilder der Illustratoren an, die begierlich an seinen Lippen hingen. Nur eine Woche vor der Messe ist er gestorben, er war immer einer der ersten, den wir an seinem Stand besuchten, und jeden Tag gingen wir bei ihm vorbei.

Foto G. Patzer
Kennengelernt haben wir Komagata 2010, bei unserem ersten Besuch in Bologna, wo er uns sofort bezaubert hat. Damals waren es noch vier kleine Verlage, die sich den Gemeinschaftsstand teilten: Tara Books aus Indien, Petra Ediciones aus Mexiko, One Stroke aus Japan und die Trois Ourses, eine Gruppe von Pariser Bibliothekarinnen, die den Gemeinschaftsauftritt seit vielen Jahren organisiert haben. Da fiel uns ein Buch auf, das Cover in einem gedeckten Weiß, darauf ein Baum aus ein paar wenigen goldenen Punkten. Wir wollten schon zugreifen, um es anzuschauen, da stand eine der Bibliothekarinnen neben uns und winkte ab. Sie zog weiße Handschuhe an und blätterte Komagatas »Little Tree« vorsichtig Seite für Seite um: ein künstlerisches Pop-Up-Buch mit einer einfachen, tiefgründigen, poetischen Geschichte über den Lebenszyklus eines Baums, den der 1953 in Shizuoka geborene Komagata in seinem Verlag One Stroke publiziert hat. Jetzt will seine Tochter Ai den Verlag weiterführen …
Gesehen haben wir auch einige andere nicht, mit denen wir fest gerechnet haben: die amerikanische Poetin Zaro Weil, Rachael Kim, die uns am Stand der Koreaner immer auf besondere Bücher aufmerksam gemacht und übersetzt hat; oder Sunkyung Cho, der in seinem Verlag Somebooks vor Jahren ein Buch mit einem faustgroßen Stein in der Mitte veröffentlicht hat; Mauro Bellei, Architekt, Designer und Künstler aus Bologna, der mit seinen Büchern und Workshops Kinder einlädt, selber zu entdecken und mit ihrer Fantasie zu spielen. Leider sind die Trois Ourses inzwischen auch nicht mehr in Bologna, nachdem die Älteren wie Élizabeth Lortic aufgehört haben und dann auch die beiden jüngeren Chefinnen Anais Beaulieu und Aude Séguinier.

Foto S. Marschall
Guridi hat keinen der vielen Preise der Buchmesse gewonnen, was für uns sowieso nicht wichtig ist. Wir suchen eher die außergewöhnlichen Bücher, die auf dem Markt wenig Chancen haben: Am Stand des koreanischen Verlags BIR bekamen wir zufällig mit, wie eine Angestellte des Ueberrreuter Verlags sich Bücher ansah und bestellte – ausgerechnet bei dem Buch ›Star and me‹ von Jung Jin-ho schien sie zögerlich. Kein Wunder, denn es erzählt, ohne ein Fitzelchen Text, die Geschichte eines Radfahrers, dessen Scheinwerfer ausfallen, ihm dafür die Sterne leuchten und er den Zauber der sternenglitzrigen Dunkelheit erlebt. Ein magisches, poetisches Buch, das die Welt verwandelt und die Wahrnehmung gleich mit.

Foto: G. Patzer

Foto: G. Patzer

Foto S. Marschall

Foto: S. Marschall