Unheimliches

Jugendbuch | Hannes Wirlinger: Die Fürstin der Raben

Der 16jährige Josua trifft im Wald auf eine junge Frau in Begleitung von zwei Raben. Nicht nur er freundet sich mit ihr an, sondern auch seine ein Jahr ältere Schwester Margarete. Aber beide spüren, dass Sarah ein Geheimnis verbirgt. Von ANDREA WANNER

Ein Mädchen in dunkler Kleidung, die einen großen Raben auf dem Arm hält.Man muss noch keine einzige Seite gelesen haben, um das Mysterium dieser Geschichte zu spüren: ein Cover in dunklen Tönen mit einer Frau in einem zeitlos wirkenden Kapuzenmantel, einen Raben auf dem Arm und von weiteren Rabenvögeln umschwirrt. Hinter ihr ein blasser Vollmond. Und ist das, worauf ihr Fuß steht, eine Sense? Blutrot der Buchschnitt, im gleichen Vorsatz das Vorsatzpapier. Auch die Bilder im Inneren von Ulrike Möltgen strahlen diese dunklen Rätsel aus, die sich um Sarah ranken. Was ist mit ihr los?

Josua beginnt die Annäherung eher naiv. Er, der wie seine Schwester den Wald, die Tiere und Pflanzen liebt, ist fasziniert von der Fremden. Natürlich verliebt er sich in sie. Und seine weltfremde Schwester, die so gar nicht in das Leben mit Handys, Geschäftigkeit und Verabredungen passt, findet in ihr eine Freundin. Beide Geschwister sind es gewohnt, auch nachts durch den Wald zu streifen, und die Nacht scheint auch die bevorzugte Zeit von Sarah.

Düster und verlockend baut Hannes Wirlinger seine Geschichte auf, die aus dem Heute gefallen zu sein scheint, eher wirkt wie in längst vergangenen Zeiten angesiedelt. Man fühlt sich an Otfried Preußlers ›Krabat‹ erinnert, an die Spuknächte in der Mühle. Aber irgendwie finden alle Ereignisse – zunächst – logische Erklärungen. Immer weiter folgt man dem Labyrinth aus Irrungen und Wirrungen, beobachtet Merkwürdiges und versucht sich einen Reim daraus zu machen.

Ein außergewöhnliches Leseerlebnis, auf dessen dunkle Faszination man sich einlassen muss, nicht nur um herauszufinden, was die wahre Bedeutung der Raben ist, die zu Hunderten, wenn nicht Tausenden auftauchen und die in der Antike als magisch und göttlich verehrt wurden und im Mittelalter als Vorboten von Tod und Unheil galten.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Hannes Wirlinger: Die Fürstin der Raben
Mit Bildern von Ulrike Möltgen
Berlin: Jacoby und Stuart 2024
272 Seiten, 19 Euro
Jugendbuch ab 14 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Eine Herausforderung für Sebastian Bergman

Nächster Artikel

Der Drucker als einziger Freund

Weitere Artikel der Kategorie »Jugendbuch«

Einladung zur Toleranz

Jugendbuch | Julius Thesing: You don’t look gay

Vielleicht war ich lange sehr naiv. Schwule und Lesben in unserer Gesellschaft? Nicht wirklich ein Problem. Klar, es gab und gibt Menschen mit Vorurteilen, aber im 21. Jahrhundert ist das doch wohl eine verschwindende Minderheit. Von ANDREA WANNER

Die Vision einer runden Erde

Jugendbuch | Volker Mehnert: Magellan Oder Sternstunden der Seefahrt

Es ist schon lange her, rund 500 Jahre, und doch ist das Abenteuer der Weltumsegelung von 1519 immer noch ein fesselndes Abenteuer: Magellan und 265 Mann Besatzung auf fünf hölzernen Schiffen starten im September vom südspanischen Sanlúcar de Barrameda. Der portugiesische Seefahrer bricht auf im Auftrag der spanischen Krone. Ob es den Seeweg über eine Westroute zu den berühmten Gewürzinseln gibt? Von BARBARA WEGMANN

Patchworkfamilie mit Hindernissen

Jugendbuch | Monika Feth: Randvoll mit Glück

Wenn Eltern sich trennen, wird es für Kinder schwierig und Patchwork klingt verharmlosend für die Veränderungen, die neue Beziehungen mit sich bringen. »Das Leben ist ein Flockenteppich. Aus den unterschiedlichsten Schnipseln zusammengesetzt«, weiß Suris Opa, der in jeder Lebenslage Tröster für sie ist. Aber wie sieht der Teppich aus? ANDREA WANNER war gespannt.

Magisches

Jugendbuch | Elizabeth Lim: Ein Kleid aus Seide und Sternen

Es gibt Märchen, die so in ihren Bann ziehen, dass man die geheimnisvolle Welt gar nicht mehr verlassen möchte. Dazu gehört auch die Geschichte der Schneiderin Maia Tamarin, findet ANDREA WANNER