Ein Märchenklassiker aufgepeppt

Kinderbuch | Petra Piuk: Josch der Froschkönig

Wenn man den Titel »Der Froschkönig« hört, weiß man gleich Bescheid: Es ist einer der Klassiker in der bunten Märchenwelt. Der Frosch, der die Prinzessin rettet und ihre goldene Kugel aus dem Brunnen holt, die Prinzessin, die daraufhin den Frosch widerwillig rettet und letztlich den Prinzen heiratet. Doch halt: Hier ist ein Froschkönig, der wirklich ganz anders daherkommt. Von BARBARA WEGMANN

Ein Frosch liegt mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf einem Fußball im hohen GrasIn diesem Buch gibt es keine Königstochter. Hier ist es ein Mädchen, das Jessica heißt, es gibt kein Schloss, sondern eine Zweizimmerwohnung, die Goldkugel, die ein Fußball ist und der Brunnen aus dem alten Märchen ist ein fast ausgetrockneter Teich. Soweit so gut. Und dann auch dies: diese Geschichte beginnt nicht mit dem berühmten Satz »Es war einmal«, sondern mit »Es ist«. »Diese Geschichte beginnt heute. Genau jetzt.«

Jessicas Geschwister, Jana und Jonas, kennen natürlich das klassische Märchen, sie verkleiden sich als Prinzessinnen, mit »Papierkronen aus dem Burgerlokal« und sie streiten um einen Plastikfrosch. »Die glauben allen Ernstes, dass sich der Plastikfrosch in den süßen Typen von der 3b verwandelt, wenn sie es sich nur fest genug wünschen.« Als Jessica keine Lust mehr hat, nimmt sie sich ihren Fußball und geht in den Park, dort rollt der Ball in ein Matschloch. Hilfe naht: »Ich bin Josch der Frosch.« Er sei der Ur-Ur- Ur- Ur- Ur-Opa des berühmten Froschkönigs. Jessica ist platt, freut sich aber dann über einen Spielkameraden.

Eine ausgefallene, witzige und unterhaltsam schräge Fassung des alten »Froschkönigs«: Petra Piuk hat dafür um die Ecke gedacht, Altes einmal aus ganz anderer Perspektive gesehen, Klassisches transformiert, Althergebrachtem ein aktuelles Gewand verpasst und viel rundum recherchiert. Jeder erkennt aber das alle Märchen, keine Frage, aber es passiert alles im Heute, im Jetzt, viel mehr in der Realität nachvollziehbar als nur in der Fantasie lebend.

Die in Wien lebende Autorin hat ein so buntes Tätigkeitsfeld, dass den Leser dieser neue Froschkönig nur wenig wundert: Romane, Theatertexte schreibt sie, Kinderbücher, Kurzprosa, früher arbeitete sie mal als Schauspielerin, Moderatorin oder als Kinderanimateurin. Und viele Preise hat sie auch schon für ihre Bücher bekommen.

Das Buch hier nun wird zum Spiel, der Frosch will Jessica mit zur Moor-Blubber-Party nehmen. Was das denn sei, fragt Jessica. »Auf Moor-Blubber-Partys treffen sich Frösche, Kröten und Unken aus aller Welt. Tanzen und Quaken gemeinsam.« Als Jessica zusagt, den Frosch zu begleiten, geschieht plötzlich etwas ganz Seltsames. Nein, da sitzt kein Märchenprinz. »Auch nicht der Typ von der 3B.« Plötzlich sitzen da zwei Frösche. Und dann wird es immer kurioser und abenteuerlicher. Lasst euch einfach drauf ein, auch wenn »im Märchen jetzt alles anders wäre«.

Geschichten mit ihren Zeichnungen erzählen, das will die Illustratorin Gema Palacio aus Salzburg. Im Poesiealbum, in das natürlich auch der Frosch sich einträgt, gesteht sie, dass sie Schlangen nicht mag, gerne tanzt, schwimmt und taucht und, wie könnte es anders sein: sie mag Frösche. Und das beweist sie mit herrlich dynamischen, lebendigen, plakativen Bildern, da ist natürlich viel, viel Grün im Spiel, viel, viel Bewegung von Bällen, die rollen, Fröschen, die ausgelassen springen und wild tanzen.

Übrigens: Zum Buch gehört nicht nur noch ein Frosch-Hüpf-Spiel für Groß und Klein, sondern auch mehrere abschließende Seiten, die über verschiedene Froscharten informieren und die Entwicklung von Fröschen veranschaulichen und letztlich ein Froschquiz, das mit dazu beitragen soll, Frösche in der Natur zu schützen.

Ja, ja, natürlich geht auch die Geschichte von Jessica und Josch natürlich weiter, auch wenn die Blubber-Party längst zu Ende ist. Aber, soviel sei noch verraten: Es endet ganz anders als vermutet. Und auch der Typ aus der 3B kehrt noch einmal zurück …

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Petra Piuk: Josch der Froschkönig
Ein Nicht-Märchen
Illustriert von Gemma Palacio
Wien: Leykam Verlag 2023
64 Seiten, 18 Euro
Kinderbuch ab 6 Jahren

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Eliten

Nächster Artikel

Der Weg zum Ziel

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Mit Wunderaugen unterwegs

Kinderbuch | Alexandra Prischedko: Was macht ihr denn da?

Ein kleines Mädchen erklärt: »Heute will ich in den Zoo gehen.« Wer ihr auf dem Weg durch die Stadt folgt, wird staunen, findet ANDREA WANNER

Irgendwo dazwischen

Sabine Lemire und Rasmus Bregnhøi: Mira – #freunde #verliebt #einjahrmeineslebens Mira ist ein Einzelkind mit einer besten Freundin, einem besten Freund und einer alleinerziehenden Mutter. Aber irgendwann wird alles schwierig, findet Mira. ANDREA WANNER stimmt ihr zu.

Anfang und Ende

Kinderbuch | Michael Roher: Der Fluss Mit der Frage »Wo fängst du an?« beginnt eine besondere Reise, durch die Zeit, durch das Leben. ANDREA WANNER ließ sich mitnehmen.

Seliges Warten

Kinderbuch | Heidi Knoblich, Martina Mair: Alle warten auf das Lebkuchenweiblein Es gab einmal eine Zeit, da herrschte im Dezember kein »X-mas 24/7«. Weihnachtslieder dröhnten nicht so oft aus jedem Lautsprecher, dass man bereits am Barbaratag genug davon hatte. Von MAGALI HEISSLER

Für immer allein?

Kinderbuch | Yuval Zommer: Der Weihnachtsbaum, den niemand wollte

Da kommen einem ja schon beim Titel die Tränen: »Der Weihnachtsbaum, den niemand wollte«, nein, das kann doch nicht sein. Wie kann man so herzlos sein? Vielleicht hat er doch, wie der Tannenbaum in Hans Christian Andersens Märchen schon sein Leben lang leidenschaftlich davon geträumt, einmal Weihnachtsbaum zu sein. Ja, ein wenig erinnert es tatsächlich an das alte, klassische Märchen, das aber endet bekanntlich traurig. Ob es hier auch so ist, fragt sich BARBARA WEGMANN.