Zugegeben, es sind nicht die Orte, die für Besichtigungen unbedingt an allererster Stelle stehen, aber nach dieser Bildband- Lektüre werden sie mit BARBARA WEGMANN übereinstimmen, dass es so manche Friedhöfe gibt, manche Rituale um den Tod, die es lohnen, sie zu besuchen, sich mit ihnen zu beschäftigen und auseinanderzusetzen.
Es ist ja so unterschiedlich, von Kultur zu Kultur, von Kontinent zu Kontinent, von Religion zu Religion: der Umgang mit Tod und dem Leben danach, die Art der Bestattung, die Orte der Ruhe, manchmal auch die Orte, an denen gefeiert wird. Und eines vorweg: Vielleicht liegt ein leichtes Zögern daran, dass der Tod und der Umgang mit unserem Ableben ein Tabuthema sind: Mit diffuser Angst besetzt, mit Verlustängsten, mit Schmerz und Trauer. Wer beschäftigt sich damit schon gerne. Aber wenn man diese Sichtweise einmal beiseiteschiebt, sich den »Friedhöfen der Welt« und ihren so unterschiedlichen Bestattungskulturen widmet, dann sieht das alles schon ganz anders aus. Versprochen.
»Im Garten von Itaru Sasaki in Japan steht das Telefon des Windes. Die Aufstellung erfolgte nach dem verheerenden Tsunami im März 2021. Etliche Menschen im Ort starben und die Telefonzelle bietet Gelegenheit, Ungesagtes, Ängste und Wünsche zu formulieren. Trostsuchende aus aller Welt schicken von hier ihre Botschaft zu den Verstorbenen.«
Da wird etwas ganz Wichtiges angesprochen, die Kommunikation, die mit dem Tod eines Menschen so einfach weg ist, einfach nicht mehr da ist. Da braucht es jemanden, mit dem man, zu dem man reden kann über jemanden. So auch im ersten Berliner Friedhofscafé »Fin &Novo« – Ende und Neubeginn. Eine schöne Einrichtung.
Friedhöfe sind nicht nur spannende, steinerne Dokumente von Bestattungsriten, sie tragen nicht selten die Handschrift berühmter Architekten und Landschaftsgestalter. Darüber hinaus erzählen Grabsteine oftmals die ganz persönliche Geschichte des Verstorbenen. Da steht ein steinernes Klavier auf dem Grab, Tiere, die Lieblinge des Toten zieren in ewigem Betonstein sein Grab und liegen treu an der Seite des Verstorbenen. Immer, wenn ich auf den Nordseeinseln Friedhöfe besuche, bewundere ich die Grabsteine, die vom Leben und den oft tödlichen Gefahren der Walfänger berichten. Walfischzähne, Inschriften der Familien, die das Schicksal zementieren und die sturmerprobten Segelschiffe auf dem Grabsteinen zeugen von einer schweren Zeit bis vor erst wenigen Jahrhunderten. Bestattungen werden von Klima, der Qualität der Böden, von Religionen geprägt. Ganz oben im Norden gibt es Orte, wo überhaupt nicht beerdigt werden kann, weil kein Werkzeug der Welt im ewigen Eis ein Grab schaufeln könnte, im europäischen Süden und darüber hinaus müssen Tote aufgrund des heißen Klimas sehr schnell bestattet werden. Und egal in welchem Land: »Viele Gräber erzählen Geschichten von Verlust, Liebe und der Hoffnung auf ein Wiedersehen im Jenseits.«
Uralte Traditionen, Rituale, die sich an die Erfordernisse von Natur und Witterung anpassen mussten, schlichte und überaus bunte Feierlichkeiten rund um Bestattungen in aller Welt, Bauweisen von Totenhäusern und deren Hintergrund, berühmte Mausoleen und die skurrilsten Dinge rund um den Globus und den Platz für die Ewigkeit, all das in einer sehr angenehmen Mischung aus Text und Fotografien, kleinen Merkkästchen und prägnanten Zusammenfassungen, einfach gesagt: Ein Bildband, der mit viel Liebe zu Thema und Detail komponiert wurde. Ein Reiseführer der besonderen Art, ein wunderbares Buch, das auf fast unterhaltsame Art für Momente die Angst vor dem Sterben verblassen lässt. Das in sehr einfühlsamen Texten, Beispielen, Ausflügen in Kultur, Geschichte, Bräuche und Friedhofsgestaltung klar macht: Egal, ob es das Taj Mahal in Indien oder der berühmte Friedhof Cimetière du Père- Lachaise in Paris ist, die Verbrennungsrituale im indischen Varanasi oder die an Felswänden aufgehängten Särge im Norden der Philippinen sind, Buch und Thema, das man vielleicht zunächst mit etwas Distanz und Respekt betrachtet, kommen dem Leser schnell näher, eröffnen eine so bunte und freundliche, alles andere als mit Angst und Traurigkeit beladene Stimmung.
Fasziniert hat mich die Weltraumbestattung: »Teile der Asche eines Verstorbenen werden in Urnen in den Weltraum mitgenommen. Meist in der Erdumlaufbahn ausgebracht, fällt sie auf die Erde zurück und verglüht als Sternschnuppe in der Atmosphäre.« Ich persönlich belasse es erst einmal bei der wirklich außergewöhnlichen Reise, die dieser Bildband bietet, eine Reise, die man nicht verpassen sollte.
Titelangaben
Die faszinierendsten Friedhöfe der Welt
München: Kunth Verlag 2024
304 Seiten, 32,95 Euro
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