Glückliches Missverständnis

Kinderbuch | Andrea Tuschka: Stille Post

»Stille Post« oder »Flüsterpost« ist ein wunderbares Spiel: Die von einem zum anderen flüsternd von Mund zu Ohr weitergegebene Nachricht verändert sich von einem von einem Teilnehmer zum nächsten und sorgt für Lacher, wenn am Ende verkündet wird, was der Letzte verstanden hat und was die Originalnachricht war. Für Bär und Maus führt genau dieses Prinzip zu einer wunderbaren Lösung eines Problems, freut sich ANDREA WANNER.

Ein Bär und eine Maus sitzen in den Zweigen eines Baums, umringt von Vögeln.Die beiden sind beste Freunde. Die Maus lebt auf einer Waldlichtung, der Bär oben auf dem Berg. Oft besucht er sie, sie haben Spaß zusammen und plaudern. Doch eines Tages kommt es zum Streit. Keiner von beiden weiß am Ende mehr, um was es eigentlich ging. Aber klar ist, dass das Ende ihrer Freundschaft sein muss.

Und um genau das zu bestätigen, formuliert die Maus eine Botschaft für den Bär. Die – unfreundlich und harsch gehalten – gibt sie an den Biber weiter. Und der übergibt sie bibbernd, weil gerade dem kalten Wasser entstiegen, an den Hasen weiter. Der hat sich zum einen weder besonders darauf konzentriert, zum anderen hat er eine verstopfte Nase. Entsprechend verändert sich die Message, als er sie dem Murmeltier weitergibt. Und das Murmeltier informiert die Muschel murmelnd über den Inhalt. So geht es weiter. Bei jedem Tier bleibt ein bisschen etwas auf der Strecke und wird vom nächsten so ergänzt, wie er oder sie das für sinnvoll hält. Wir ahnen es: Da bleibt nicht viel vom Original übrig. Zum Glück.

Amüsante kleine Verschiebungen, sprachlich ähnlich Klingendes und viel Humor packt Andrea Tuschka in die vierzeilige gereimte Unverschämtheit, die die Maus für den Bär dichtet und die sich allmählich verwandelt. Dazwischen charakterisiert der Text die einzelnen Überbringer, ihre Befindlichkeiten und kleinen Macken überaus sympathisch. Die Begegnungen finden in einer Rebekka Stelbrink üppig inszenierten Collagen-Landschaft, die mit viel Liebe zum Detail von tropfenden Fußspuren bis zum Maulwurfsbau alles in warmen Naturtönen ausgestaltet. Alles an dieser Geschichte ist liebenswert und darauf ausgerichtet, einen bösen Streit nicht eskalieren zu lassen. Ein Happy End ohne Gesichtsverlust auf einer der beiden Seiten. Wäre das nicht vielleicht zur Nachahmung empfohlen? Wobei, seien wir ehrlich, Flüsterpost und geraunte weitergegebene Informationen sich selten so verwandeln, dass sie am Ende etwas Gutes ergeben. Hier funktioniert es auf jeden Fall.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Andrea Tuschka: Stille Post
Illustriert von Rebekka Stelbrink
Münster: Bohem Press 2025
36 Seiten, 20 Euro
Bilderbuch ab 3 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Vorsorge

Nächster Artikel

Überlebensstrategien

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Ein Buch fürs ganze Jahr

Kinderbuch | Kristina Andres: Ein Jahr mit Maus und Eichhorn

Dieses bezaubernde Geschichtenbuch hat die große Chance und allerbeste Voraussetzungen, der Liebling im Bücherschrank kleiner Lesemäuse zu werden. Abenteuer, die ein ganzes Jahr umfassen, spannende Erlebnisse und viele Überraschungen. Von BARBARA WEGMANN

Hauptsache gemeinsam

Kinderbuch | Michael Engler: Polaah und das Rhabarber-Komp(l)ott

Auch heute noch, längst erwachsen, passiert es mir, dass ich etwas in den Auslagen der Einkaufsmärkte finde, was ich noch nie gegessen habe und dessen Namen ich nicht kenne. Ich habe mir vorgenommen, immer zu fragen und das Unbekannte dann mutig auszuprobieren. Das kann, wie das Bilderbuch ja auch zeigt, eine Menge Spaß machen, weiß BARBARA WEGMANN

Ein Himmel für alle

Kinderbuch | Dolf Verroen: Traumopa

Es gibt Situationen, auf die kann man sich selbst oder seine Kinder nicht vorbereiten. Der Tod ist so eine Situation. Viele Emotionen kommen zusammen, meist unvorbereitet, wie eine Welle, die über einen schwappt. Jeder geht mit dem Tod anders um, ob alt oder jung, in welcher Religion oder welchem Lebensglauben auch immer. Die Geschichte hier zeigt, dass der Tod sicher kein Thema ist, das man bei Kindern ausklammern sollte, denn gerade sie haben ihre ganz eigene Sicht. BARBARA WEGMANN hat das Büchlein gelesen.

Backe, backe Kuchen …

Kinderbuch | Alice Brière-Haquet: Mein erster Kuchen … der Bäcker hat gerufen. Wer will guten Kuchen backen, der muss haben sieben Sachen. – Sieben? Ja, das scheint zu stimmen. Denn mit sieben Zutaten kann man Leckeres veranstalten. ANDREA WANNER hat es probiert.