Starke Gefühle

Kinderbuch | Heinz Janisch: Und dann?

Da sitzen zwei angelnd nebeneinander. Entspannt und friedlich sieht das aus – aber es geht auch anders. Denn wenn die eine mehr Angelglück hat als der andere, kann die Stimmung ganz schnell kippen, weiß ANDREA WANNER.

Vorsicht, dieses Bilderbuch beginnt wirklich mit dem Cover. Hier sehen wir die Ausgangssituation und die Welt ist noch in Ordnung. Auf dem doppelseitigen Vorsatzpapier ändert sich das. Die Kleine hat deutlich mehr Erfolg als ihr Freund. Zuerst zieht sie ein kaputtes Spielzeugauto aus dem Wasser, dann eine Tasse, schließlich einen Schuh. Und bei ihm beißt gar nichts an. Umgeblättert und wir sehen, dass ihr Eimer voll mit Zeugs ist – und seiner leer. Und jetzt startet die eigentliche Geschichte. Mit ziemlich viel Wut. Und der Frage: „Und dann?“

Wohin mit dem ganzen Groll? Die Augenbrauen des Jungen sind gesenkt und zusammengezogen, seine Stirn in Falten gelegt: alles in diesem Gesicht drückt Zorn aus. Und er zischt: „Zuerst mache ich einen Knoten in den Turm“. Im Hintergrund sieht man einen Leuchtturm – in den tatsächlich jemand einen Knoten gemacht hat. Wow. Seine Verärgerung muss riesig sein. Aber es reicht noch nicht. Wir fragen weiter: „Und dann?“ und erfahren, dass er kleine Hitzkopf das ganze Meer austrinkt. Aber es wird noch schlimmer. Als nächstes verbirgt er sein Gesicht hinter einer schrecklichen Maske und erschreckt damit alle. Dann reißt er Bäume aus – und in Ermangelung richtiger Pflanzen müssen Sonnenschirme herhalten. Es wird immer doller, er ist nicht zu bremsen, schreit, tobt, wütet, steigert sich weiter und weiter in seine Rage hinein. Und dann?

Irgendwie hätte man dem liebenswerten Duo Heinz Janisch und Helga Bansch so einen heftigen Gefühlsausbruch gar nicht zugetraut. Genial, wie sie das machen. Das Meer ist rot – so wie die Wut, die zarte Niedlichkeit der ersten Szene auf dem Cover macht heftigen Emotionen Platz. Die Farben werden dunkler, geballte Fäuste, flüchtende Tiere, lautes Gebrüll: hier werden alle Register gezogen. Wie das halt so ist bei einem echten Wutanfall. Die Empörung muss raus, schafft ich Luft, unkontrolliert und furchterregend. Das Gefühl lässt sich nicht kontrollieren und nichts ist vor ihm sicher. Und dann?

Dann ist es einfach schön, wenn einen nicht alle im Stich gelassen haben und das Weite gesucht haben. Aber natürlich findet das wundervolle Duo genau so ein versöhnliches Ende, nachdem sich die Lage wieder beruhigt hat und das Leben wieder gut weitergehen kann.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Heinz Janisch: Und dann?
Illustriert von Helga Bansch
Wien: Jungbrunnen 2025
32 Seiten, 18 Euro
Bilderbuch ab 3 Jahren

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Gemeinsam anders

Nächster Artikel

Barbarotti und der tote Maler

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Ein bisschen Hokuspokus

Kinderbuch | André Bouchard: Ein Tag im Leben einer Fee

Was braucht eine erfolgreiche Fee? Ein Kostüm und einen Zauberstab. Und dann kann es eigentlich schon losgehen. Aber niemand ist erstaunter als Margot selbst, dass dieses Geburtstagsgeschenk schon ausreichen soll, um magische Kräfte freizusetzen. Von ANDREA WANNER

Lecker!

Kinderbuch | Marloes Morshuis: Mick Mangodieb und die Rezepte der Sieben Weltmeere Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Klar. Der Mensch muss essen. Essen ist lebenswichtig. Und für Mick wird Essen und Kochen überlebenswichtig. ANDREA WANNER fieberte mit, wie Mick um – nicht nur sein – Leben kocht.

Magische Nächte

Kinderbuch | Carmen Oliver: Die Erzählerin der Nacht

Es gibt diese lauen Sommernächte, wenn nach einem heißen Tag die Sonne untergeht und plötzlich alles möglich scheint. Und vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass dann die Erzählerin danach ihren großen Auftritt hat, überlegt ANDREA WANNER.

Ist die Katze aus dem Haus…

Kinderbuch | Anne Vittur Kennedy: Der Bauer ist weg! Mäh! Muh! Quäck … tanzen die Mäuse. Und wenn der Bauer aus dem Haus ist? ANDREA WANNER war neugierig.

Sozialverhalten will gelernt sein

Kinderbuch | Olivier Tallec: Das ist mein Baum

Eichhörnchen erobern erfahrungsgemäß schnell das Herz von kleinen Lesern, aber, zugegeben, dieses hat auch mein Herz erobert. Seine Lebendigkeit, seine fast trotzige Art auf etwas zu bestehen, sein Einsatz für etwas und schließlich eine ganz unerwartete Erkenntnis. Von BARBARA WEGMANN