Vermutlich gibt es keine Jugendlichen, bei denen die Eltern nicht mal die ernsthafte Sorge haben, dass Dinge anders laufen, als man sich als Erziehungsberechtigte das so wünscht. Auch der 14jährige Lennox ist da keine Ausnahme. Allerdings wird er bei einer Sachbeschädigung von der Polizei erwischt. Und das hat ungeahnte Folgen. Von ANDREA WANNER.
Er ist mit zwei Kumpels unterwegs, mit denen er sonst nie etwas unternimmt. Seine Laune ist mies und so lässt sich Lennox dazu hinreißen auf die Scheibe des Spielflugzeugs im Kindergarten »Fickt euch alle« zu sprühen. Es gibt mächtigen Ärger und eine Liste von Strafen, die unendlich scheint. Die Sozialstunden, die er aufgebrummt bekommt, absolviert er in einem Altersheim. Viel zu wenig, findet sein Vater und verhängt ein zweimonatiges Handyverbot, kein Handballtraining, Hausarrest, keine Teilnahme am Familienurlaub in Sardinien. Stattdessen ein weiteres, »freiwilliges« soziales Projekt. Und das ist die 16jährige Rollstuhlfahrerin Grit, die auf die Sache genauso wenig Lust hat wie Lennox.
Lennox ist ein braver, angepasster Junge, der eigentlich nie Ärger macht. Das Problem sind seine Eltern. Ein Erziehungsratgeber rät zu Strenge und Konsequenz und macht sie blind für angemessenes Verhalten. Der Druck auf den Sohn wächst, seine schulischen Leistungen müssen besser werden, die Kontrolle ist allgegenwärtig, Vertrauen scheinen sie nicht zu kennen.
Zum Glück gibt es Tante Mieke, die Schwester des Vaters, alleinerziehende Mutter und eine äußerst kluge Frau, die ihrem Neffen zur Seite steht. Und zum Glück – auch wenn es zunächst überhaupt nicht danach aussieht, gibt es die zwei Jahre ältere Grit, das Sozialprojekt. Denn aus den beiden wird irgendwie ein gutes Team.
Judith Mohr erzählt mitreißend und voller Empathie für ihre Figuren. Man möchte die Eltern schütteln, irgendwie aber auch Lennox, der nach seinem einmaligen Aufbegehren, der Sprayaktion, seinen ganzen Frust weiter in sich hineinfrisst. Genau beobachtete Gefühle und die Schilderung einer nicht einfachen Lebensphase gelingen bestens. Da spürt man, dass Mohr als Lehrerin an einem Gymnasium eng an der Lebensrealität von Jugendlichen ist.
Originell gestaltet sind die Kapitelüberschriften, die mit »Ä wie Ärger« beginnen und mit »S wie Schlittschuhlaufen« beginnen und eine ganz eigene Rolle in dieser Geschichte spielen. Geschickt werden Konflikte aufgedeckt und beleuchtet, Stärken und Schwächen der einzelnen Figuren herausgearbeitet und zu einer wirklich starken Geschichte zusammengefügt. Und wenn Lennox am Ende resümiert: »Es wir ein hartes Stück Arbeit werden, aber ich denke, wir werden es schon schaffen«, schließt man sich dieser Einschätzung überzeugt an.
Titelangaben
Judith Mohr: I wie immer ich
Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben 2025.
255 Seiten, 18 Euro
Jugendbuch ab 13 Jahren
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