Wenn Wolf und Schweinchen aufeinandertreffen, ist eigentlich von vornherein klar, wer der Bösewicht ist, oder? Aber es geht auch ganz anders, staunt ANDREA WANNER über diese besondere Begegnung.
Der Wolf liebt es ruhig und geordnet. Ein Blick auf sein Haus mitten im Wald und den Gemüsegarten, wo Kürbisse, Salat, Rettiche und Möhren in akkuraten Reihen wachsen vermittelt ein Bild davon. Und genauso sieht sein geregelter Tagesablauf aus: Frühstück um 7 Uhr, danach ein Spaziergang, Arbeit von 9:30 bis 11:30, danach das Haus dekorieren, Mittagessen, Gartenarbeit um 13 Uhr, gefolgt von Küchenarbeit um 15 Uhr, in stündlichem Abstand dann Stricken, Putzen und Schachspielen, Baden um 19 Uhr, das Abendessen um 19:30 Uhr, um 20 Uhr Lesen und um 21 Uhr Schlafen. Bestens geordnet und geplant, vorhersehbar und so, wie er es mag.
Und dann wird es eines Tages im Herbst furchtbar laut auf der Lichtung. Drei Schweinchen fahren auf einem Tridem, eine Art Tandem für drei, vor. Mit lautem Gehupe, bunten Kopfbedeckungen, allerlei Krempel. Sie stellen ihr Zelt auf, ein Trampolin, machen Krach und feiern in der Dunkelheit eine Party. Dem Wolf ist klar: Die müssen weg! So lässt er bei Nacht sein schaurigstes Wolfsgeheul ertönen, versucht es bei Tag mit einem Vortrag über die Gefährlichkeit von Wölfen und täuscht mit dem Gartenschlauch vor. Die Schweinchen sind resistent, halten ihn für einen netten Typen, der Kontakt aufnehmen will – und verstehen eben die Wolfssprache nicht. Sie gehen freundlich auf ihn zu, vertrauen ihm – und der Wolf? Steckt in einer ziemlichen Zwickmühle.
Was für eine hinreißende Geschichte hat sich die französische Autorin und Illustratorin Rosalinde Bonnet da ausgedacht. Ein spießiger Einzelgänger trifft auf eine kleine lebenslustige Bande, die sein Leben infrage und auf den Kopf stellt. Sie ertragen? Unmöglich? Sich arrangieren? Geht nicht? Aber was dann? Sich auf sie einlassen? Geht das wirklich? Doppelseitige Szenen wechseln sich mit kleinen Bildsequenzen ab, alles herrlich verspielt und in heiterem Duktus, die Kulissen wie aus Kinderzeichnungen. Dazwischen tummeln sich Wolf und Schweinchen, mal mit Anspielungen an Märchen wie Rotkäppchen. Zita, Toni und Gretel sind so unwiderstehlich naiv, und chaotisch der Wolf so sympathisch grantig und ordentlich, dass man sich einfach wünscht, dass sie Freunde werden. Aber bis dahin ist es durchaus ein weiter Weg.
Titelangaben
Rosalinde Bonnet: Weg mit den Schweinchen
(Du balai, petits cochons!, 2023). Aus dem Französischen von Igna Gantschev
Zürich: minedition 2025
32 Seiten, 16 Euro
Bilderbuch ab 3 Jahren