Calum ist ein Waisenkind, hin- und hergeschoben zwischen Pflegeeltern und Heimen. Das hat den Vierzehnjährigen misstrauisch werden lassen. So will er auch in der neuen Wohngruppe mit Jasleen, Skye und Miro nur seine Ruhe. Aber irgendetwas ist merkwürdig. Calum spürt es, er riecht es, aber er kann es nicht benennen. Spannung pur, findet ANDREA WANNER.
Dieser ausgeprägte Geruchssinn ist das Erste, was einem beim Lesen auffällt. In seinem neuen Zuhause erschnuppert der Junge sofort den Geruch nach den ersten Veilchen im Nachbargarten, er riecht, warmes Sauerteigbrot und Knoblauch, als er in Begleitung der Sozialarbeiterin in Newville, Maine ankommt. 706 Meilen sind sie gereist, jetzt ist Calum am Ziel, es riecht nach asiatischem Essen, nach Wäsche, Zitronenputzmittel – und nach Tieren.
Der Betreuer der Wohngruppe, Kasim, ist nett. Die drei Mitbewohner*innen sind okay, Calum würde schon mit ihnen klarkommen. Aber sie verbergen etwas vor ihm, schließen ihn aus. Das findet er nicht weiter schlimm, ist es gewöhnt. Und als Außenseiter, der anders ist, fühlt er sich längst.
Ganz langsam enthüllt die Bestsellerautorin Gina Mayer das Geheimnis der seltsamen WG. Zunächst scheint es die Geschichte eines Einzelgängers zu sein, der sich auf nichts und niemanden einlassen kann und will. Aber zwischen den Zeilen erkennt man bald erste Zeichen dafür, dass im Hintergrund etwas Gefährliches lauert und dass es für all die Vorkommnisse keine einfachen Erklärungen gibt. In der Schule versucht der Lehrer Mr Ebony, das Vertrauen von Calum zu gewinnen. Aber wem kann er wirklich vertrauen? Ein wilder Rabe, der in WG auftaucht, stellt den Jungen vor Rätsel. Und schließlich ist der Punkt gekommen, wo er es nicht länger aushält: er will die Wahrheit wissen. Die allerdings ist gefährlich, liegt in der Vergangenheit und hat mit einem skrupellosen wissenschaftlichen Experiment zu tun. Die vier Jugendlichen müssen fliehen.
Leicht und flüssig liest sich der erste Band der neuen Fantasy-Reihe der Bestsellerautorin. Wer Glück hat, bekommt ihn sogar in der limitierten Auflage mit Farbschnitt. Schade, dass das Cover ein bisschen zu viel verrät – am besten man denkt gar nicht lange drüber nach, sondern lässt sich einfach auf das besondere Abenteuer ein. Ahnungslos wie Calum, der nach und nach entdeckt, was mit ihm – und mit den anderen – los ist. Und der genau dass lernen muss, was er am wenigsten kann: anderen zu vertrauen.
Titelangaben
Gina Mayer: Wilderland. Der Wald
München: cbj 2025
240 Seiten, 15 Euro
Jugendbuch ab 12 Jahren
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