Kinderbuch | Rien Broere: Die Seeräuber von Ukval oder Wie Ose und Knorre die Suppe auslöffeln
Manchmal muss es sein. Etwas Verrücktes, etwas zum laut Lachen. Etwas, bei dem die reine Lust am Erzählen und am Spielen mit Wörtern herrscht. Rien Broere kann das und wir dürfen unseren Spaß haben. Von MAGALI HEISSLER
Ukval ist ein Inselchen, miniklein, irgendwo im Meer. Allerdings nicht klein genug, dass es nicht in zwei Teile geteilt wäre, eine Ost– und eine Westhälfte, die durch einen Wald, im Ukval-Maßstab ein Wäldchen, streng getrennt sind. Woran das liegt? Daran, dass Ukval bewohnt ist.
Niemand Geringere als Seeräuber haben sich dort niedergelassen. Doch sie sind sich nie einig geworden. So bestimmt auf der einen Seite Ake, auf der anderen Seite Bulle. Sowohl Ake als auch Bulle ist fest überzeugt, dass er der beste, schlauste, stärkste Pirat ist und das schönste Schiff kommandiert. Das müssen sie einander natürlich immer wieder beweisen.
Eines Tages landet auf der Westseite ein Boot mit einem kleinen Jungen darin. Das ist Knorre und seine Ankunft freut besonders Akes Tochter Ose, denn nun hat sie endlich einen Gleichaltrigen zum Spielen. Kinderspiele und Piraten-Muskelspiele vermischen sich bald und wären Ose und Knorre nicht wirklich richtig schlau, hätte das größte Abenteuer womöglich ein böses Ende genommen.
Slapstick, Screwball und Stand-up Comedians
Dreißig Geschichten aus dem ganz normalen Piratenleben erzählt Broere und er lässt nichts aus. Er kennt sein Zielpublikum, er war Grundschullehrer. Es geht ihm um Effekte, um Grelles, Schrilles. Es geht laut zu, zuweilen deftig, alles ist übertrieben und überbordend, Schreckliches und Ekelhaftes wie Komisches. Die beträchtliche Gewalt wirkt deswegen auch an keiner Stelle echt und macht keine Angst. Die Einzelgeschichten ergeben eine Gesamthandlung und die wiederum erinnert an klassische Screwballs.
Zwangsläufig verwendet Broere Klischees und Stereotypen en masse. Nichts an der Charakterisierung der Figuren ist neu, es gibt keine veränderten Blickwinkel, nichts beunruhigt hier. Selbstverständlich sind die beiden Piratenkapitäne einfältig, ihre Männer trottelige Angsthasen und Akes geliebte Frau Ilsebil die ungekrönte Herrscherin. Ose und Knorre sind gescheit und Opa Pelles Hörprobleme kennt man aus Dutzenden Büchern, Hörspielen, Filmen. Slapstick reiht sich an Slapstick, die reine Komik zählt. Humor blitzt selten auf.
Broere schreibt aber so überzeugt und vor allem liebenswürdig, dass man trotzdem weiterlesen will. Seine Wortschöpfungen sind ein Vergnügen. Im Wald leben Tölpelböcke, Ilsebils grausige Mahlzeiten, auf die sie so stolz ist, bestehen aus Bröckelbrei, Geröllbrot und besonders aus Grummelsuppe, derentwegen man den Titel des Buchs im Gedächtnis behalten sollte. Wenn man seekrank wird, gibt es getrocknete Krötenpickel (hilft auf der Stelle) und auf Bulles Schulter sitzt kein Papagei, sondern ein …
Nein, das muss man selber lesen.
Eine Prise Tiefsinn
Völlig vernachlässigt wird das Denken aber nicht. Im Gegenteil führt Broere vor, dass es von Nutzen ist, wenn man sich gelegentlich besinnt, statt sich umgehend mit Fäusten und lautem Gebrüll auf den anderen zu stürzen. Oses und Knorres Nachdenken verhindert so manche Katastrophe. Insgesamt wäre vieles angenehmer auf Ukval, gäbe es nicht das ungeschriebene Gesetz, dass nur zählt, wer sich brutal durchsetzen kann. Die Erwachsenen in diesem Buch lernen es dieses Mal nicht, dass es anders geht. Aber es gibt Hoffnung, schließlich sind da Ose und Knorre.
Hiky Helmantel hat die Geschichten mit viel Sinn fürs Witzige und Groteske illustriert. Die Figuren, von den Hauptpersonen bis zum letzten Pirat, der vielleicht nicht einmal einen Satz sagen darf, habe allesamt individuelle Gesichter und Körper. Eingesetzt werden sie auf das Beste für all die Gefühlsregungen, die ein wildes Piratenleben mit sich bringt. Entsetzen, Angst, Triumph, Freude teilen sich unmittelbar mit. Text und Bilder vibrieren vor schierer Lebenslust.
Auf fast jeder Seite gibt es zumindest kleine Bilder, eine Lust sind die ganzseitigen und vor allem das doppelseitige vom Seesturm. Das Meer grüßt schon vom Vorsatz. Die Farbgebung ist zurückhaltend, wichtig sind die gesetzten Akzente. Das wiederum entspricht dem Text. Broeres Sprache ist der jungen Zielgruppe angepasst, bunt wird sie eben in seinen Wortschöpfungen. Für die Übersetzerin Birgit Erdmann war das nicht nur harte Arbeit, sondern auch ein Vergnügen. Sie hat sich deutlich von Broeres Spielfreude anstecken lassen und vermittelt das Vergnügen wunderbar.
Das große Format macht das Buch eher zu einem Vorlesebuch. Das ist auch nicht falsch, schließlich ist geteilter Spaß doppelter Spaß.
Titelangaben
Rien Broere: Die Seeräuber von Ukval oder Wie Ose und Knorre die Suppe auslöffeln
(Kwakbollen en kuitnebijters. 30 piratenverhalen, 2014) Aus dem Niederländischen übersetzt von Birgit Erdmann
Hamburg: Rowohlt Rotfuchs 2016
160 Seiten. 14,99 Euro
Kinderbuch ab 6 Jahren
Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander