Die Haut ist mit einer Gesamtfläche von rund zwei Quadratmetern und einem Gewicht von zehn Kilogramm das größte Organ des Menschen. Dass sie nicht nur eine bloße Hülle darstellt, sondern als »Leinwand des Lebens« auch der Psyche Ausdruck verleiht, zeigen gängige Redewendungen wie »Aus der Haut fahren«, »Sich in seiner Haut nicht wohlfühlen« oder »Das geht mir unter die Haut«. Von INGEBORG JAISER
Bereits 2001 legte der damals neu gegründete, ambitionierte Schweizer Kleinverlag Rüffer und Rub mit ›Die Haut, in der wir leben‹ ein gelungenes Werk zum Thema vor. Nun haben die beiden Experten Dr. Günter Burg und Dr. Michael Geiges, beide Dermatologen am Universitätsklinikum Zürich, einen weiteren Band herausgegeben. ›Rundum Haut‹ beleuchtet gleichermaßen die gesunde wie die kranke Haut, zeigt im ersten Teil Umwelteinflüsse, Diagnosemethoden und Therapiemöglichkeiten auf, während sich der zweite Teil der Kulturgeschichte zwischen Siechenhäusern im Mittelalter und aktuellen Reality-Shows wie ›The Swan‹ widmet.
Überschaubare Kapitel, eine auch für Laien verständliche Darstellungsweise, sowie zahlreiche Illustrationen verleihen dem Band den aufgelockerten Charakter eines Lesebuches, wobei der Informationsgehalt nie zu kurz kommt. Gilt es doch spannende Mechanismen aufzudecken: Da die Haut nicht nur Schutz- und Grenzorgan, sondern zugleich Ort der Kommunikation und Bühne krankhafter Prozesse ist, kann sie idealerweise als (Früh-)Warnsystem des Körpers angesehen werden.
Insgesamt 24 Autoren – zum großen Teil Dermatologen – umkreisen das Thema aus medizinischer, kosmetischer, soziologischer, kultureller und historischer Sicht. Sie vermitteln auf fundierte und zugleich unterhaltsame Art Wissenswertes und Erstaunliches über Haut und Haar: über Basaliome, Biologicals und Botox, über Allergien, Anti-Aging und Akne. Wer ahnt schon, dass biblische Beschreibungen der Wunderheilung von »Aussätzigen« die heutige Balneophototherapie für Psoriatiker vorwegnahmen? Dass nach dem Ersten Weltkrieg in England eine derartige Tätowierwelle einsetzte, dass ein Tattoo-Verbot für Mädchen unter einundzwanzig Jahren erlassen wurde? Dass die Hälfte aller Neurodermitiker eine Allergieneigung auf Hefepilze aufweist? Dass das heutzutage als Botox bekannte Gift Botulinumtoxin im 18. Jahrhundert nach dem Verzehr von verdorbenen Würsten epidemieartige Lebensmittelvergiftungen hervorgerufen hat?
Eine Besonderheit dieses Fachbuches stellen die außergewöhnlichen Illustrationen dar: zum einen Naturfotografien des Berner Medienkünstlers Stefan Laurens Müller (Blätter, Baumrinden und Flechten, deren spezielle Ausprägungen die Assoziation zur menschlichen Haut nahelegen), zum anderen sogenannte Moulagen, das heißt täuschend echt wirkende Wachsabbildungen erkrankter Körperoberflächen, die im frühen 20. Jahrhundert für Lehre und Selbststudium hergestellt worden sind.
Somit ist es den Herausgebern gelungen, mit diesem gewichtigen, vielschichtigen, kompetenten und zugleich unterhaltsamen Buch interessierte Laien auf vielfältige Art anzusprechen und komplexe Sachinformationen allgemein verständlich zu vermitteln.
Titelangaben
Günter Burg und Michael L. Geiges: Rundum Haut
Zürich: Rüffer+Rub, 2006
240 Seiten, 32,60 Euro
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