Embrace the Darkness!

Digitales | Games: The Darkness 2

Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse oder Hell und Dunkel wird so gut wie in jedem Videospiel gekämpft. Das Dunkle wird dabei in der Regel gemieden. Selbstverständlich hat man als Spieler heute mehr denn je auch die Möglichkeit, der Gerechtigkeit gepflegt ins Gesicht zu schießen und die Rolle eines Bösewichts zu übernehmen. Aber auch als Fiesling geht niemand mit einem guten Gefühl in eine düstere Gasse. Nicht so Jackie Estacado – der schießt dabei nämlich auch noch das letzte Licht aus und nährt sich von der Finsternis. Genauer, seine »Gabe«, die »Darkness« tut das, denn nur dann sind die dämonischen Tentakel auch dazu bereit, die Hintern von Bösewichten zu treten. NORMAN VOLKMANN macht ebenfalls mal das Licht aus.

The Darkness 2Jackie ist in ›The Darkness 2‹ mehr als je zuvor ein typischer Antiheld. Zum Don einer Mafiafamilie aufgestiegen, muss er sich die Finger nur noch bedingt schmutzig machen. Nachdem er aber bei einem gemütlichen Dinner mit zwei Blondinen angegriffen wurde, kümmert er sich fortan höchstpersönlich um die Beseitigung der neuen Bedrohung. Die kommt streng genommen aus zwei Richtungen. Einmal ist es die Bruderschaft, die sich seine Gabe aneignen will und zum anderen die Darkness selbst, die Jackie nicht mehr als Teil von sich wissen will.

Grob zusammengefasst klingt die Handlung recht gewöhnlich: Eine bisher unbekannte und gerissene Partei greift an, dazu kommen einige überraschende Rückschläge und Verluste und eine Prise Herzschmerz. Doch ›The Darkness 2‹ macht das keineswegs halbherzig und bietet trotz Schlauchlevels genügend Raum, um dem Spiel eine eigene Note im Shooter-Dschungel zu verpassen. Viele der Momente, die nach dem Spielen im Gedächtnis bleiben, passieren abseits der Feuergefechte. Die Grenzen zwischen den Realitäten verschwimmen, wenn ich Jackie plötzlich mit Glatze im Spiegel einer Irrenanstalt sieht, in der alle Charaktere entweder Patienten oder Personal sind und es scheint, als wäre alles bisher nur Wahnvorstellungen eines Irren gewesen.

Außerdem: In welchem anderen Spiel schießt man in einem Moment um sich und tanzt im nächsten ganz langsam mit seiner Freundin? Auch Dolfo, einer von Jackies treuen Handlangern, ist in den Ausflügen in die Irrenanstalt ein Highlight, wenn er mit starkem deutschem Akzent und der Überzeugung Adolf zu heißen, darüber spricht, Polen zu überfallen oder Right Said Fred’s ›I’m too sexy‹ anstimmt. Alles kann und nichts muss – die Nebencharaktere haben nicht nur 2-3 Standardsätze drauf, sondern unterhalten wirklich. Dennoch besteht kein Zwang, sich alles anzuhören. Spieler, die sich schlicht den Actionanteilen hingeben wollen, können genau das tun.

Die Schere

Geschnippt und geschnappt wurde bereits beim ersten Teil drastisch – und auch bei ›The Darkness 2‹ sieht es nicht anders aus. Wer ›The Darkness‹ kennt, dürfte davon aber auch kaum überrascht sein. Brutal ist der zweite Teil auch in der geschnittenen Version, keine Frage, allerdings werden viele Aktionen, auf die die Entwickler einen Fokus gelegt haben, dadurch entkräftet. Gerade die Hinrichtungen, die eines der Kernstücke der neuen Fähigkeiten sind, und bei denen ich immer weiß, was eigentlich passieren sollte, erscheinen witzlos und wurden auf nur drei unterschiedliche Animationen reduziert. Im Endeffekt bleibt zwar das Gefühl, wieder mal bevormundet worden zu sein, dem Spielspaß und der Wirkung der Story tut das aber keinen Abbruch.

Als wären zwei Dämonenarme, mit denen man die Gegner zerreißen und deren Herzen fressen kann, nicht genug, kann ich Jackies Fähigkeiten im neuen Talentbaum ausbauen. Damit verbessere ich nicht nur den Schaden der Arme oder meiner Waffen, sondern kann Feinde auch mit höllischen Schwärmen oder schwarzen Löchern direkt ins Jenseits befördern. Da die Gegner etwas anspruchsvoller sind als noch im ersten Teil und nun auch mit Licht attackieren, sind die Upgrades sehr nützlich, um problemlos mit größeren Gegnergruppen fertig zu werden.

Man kann darüber diskutieren, ob die Cel-Shading-Grafik mittlerweile nicht schon ausgereizt ist, denn revolutionär ist die Grafik von T‹he Darkness 2‹ keinesfalls. Aber, und das ist ja noch viel wichtiger, sie passt zum Spiel und dessen Hintergrund. Alles sieht aus, als würde man direkt durch eine Graphic Novel laufen. Der größte Minuspunkt ist allerdings die geringe Spielzeit. Erfahrene Spieler sind in fünf Stunden komplett durch. Die neuen Vendetta-Missionen, bei denen man vier bisher unbekannte Charaktere spielen kann, sind eine nette Dreingabe – durch den fehlenden Bezug zum Hauptmodus aber auch nicht mehr.

›The Darkness 2‹ bietet genau das, was ich mir von einem zweiten Teil wünsche: Eine durchdachte und sinnvolle Weiterführung von elementaren Spielelementen und Handlung, gepaart mit einem neuen Spielmodus und den neuen Möglichkeiten, die die dunkle Fähigkeit Jackies bringt – die richtige Mischung aus Alt und Neu also. Die kurze Spielzeit bleibt allerdings der bittere Nachgeschmack des ansonsten runden Shooters.

| NORMAN VOLKMANN

Titelangaben
The Darkness 2
Genre: First Person Shooter
FSK: 18
Veröffentlichungsdatum: 10.2.2012
Entwickler: Digital Extremes
Veröffentlicht von: 2K Games

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Und ewig schleicht die Schlange …

Nächster Artikel

Mit traumtänzerischer Sicherheit

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Mit Feuerball und Enterhaken

Digitale Spiele | The Elder Scrolls Online Bethesda kann es nicht lassen. Nach dem erfolgreichen Rollenspiel Skyrim folgt gleich das nächste Abenteuer aus dem Hause des amerikanischen Entwicklers. Jetzt allerdings als online Multiplayer-Game. In The Elder Scrolls Online (kurz ESO) trifft Altbekanntes auf neu Gewonnenes. Wir bewegen uns im Elder Scrolls-Universum Tamriel, treffen auf monströse Bosse und bewältigen spannende Quests. Was das Spiel noch zu bieten hat, fand PHILIPP LINKE im Beta-Review heraus.

Die ›Skyrim‹-Tagebücher: Teil 1

Dgitales |Games: Die Skyrim-Tagebücher: Teil 1 Seit letzter Woche ist Bethesdas Drachenmordsimulator ›Skyrim‹ erhältlich und ersetzt damit Dark Souls als großes Gesprächsthema. DENNIS KOGEL kapituliert vor der Größe der Welt und erzählt lieber Geschichten.

Tokyo sucht den Superstar

Digitales | Games: Tokyo Mirage Sessions #FE So viel vorweg: ›Tokyo Mirage Sessions #FE‹ wurde für den japanischen Markt entwickelt. Das verrät schon einiges, oder? Zumindest erwarteten die Entwickler offensichtlich keinen allzu großen Umsatz in Europa, denn es wird ausschließlich ein englischer Bildschirmtext in japanischer Sprachausgabe geboten. Zudem ist der Name des Hauptcharakters »Itsuki Aoi «für den Standard-Europäer nicht ohne Grimassen auszusprechen. Wenn das alles nicht abschreckt: Macht euch bereit für eine bunte Mischung voller Kitsch und Absurdität! Liebe Anime-Fans, hier ist TMS. Von PHILIPP LINKE.

Building a Global Archive: Dean Guadagno on the Creation of The Video Game Library

Digitalspielkultur | How one man's passion for video games evolved into a massive resource cataloging over 10,000 books across 25 languages

In this exclusive interview with RUDOLF INDERST, Dean Guadagno, founder of The Video Game Library, shares the story behind his mission to build the most comprehensive collection of video game literature in the world. He discusses the challenges of creating a global resource, his personal gaming favorites, and the future of digital games research.

731 Days Gone

Digitales | Games: Days Gone Gibt es heutzutage zu viele Zombies? Mitnichten! Von Survival-Horrorspielen á la ›Resident Evil‹ über Open-World-Gemetzel-Abenteuer wie in ›Dead Island‹ bis hin zu Multiplayer-Action-Spaß wie in ›Left 4 Dead‹. Zombies prägen die Gamingwelt gehörig und die Fans lieben es. Von Übersättigung ist hier keine Spur. Mit ›Days Gone‹ kommt ein weiterer Titel, exklusiv für Sony, auf den Markt. Doch wie kommt das Spiel bei den Fans an? LINH NGUYEN findet es heraus.