Musik | Stimmen Bayerns: Der Rausch
Gedichte, Kurzgeschichten, Songs, Sketche und mehr. Nach Die Liebe und Der Tod folgt mit Der Rausch der nächste essentielle Baustein dieser einzigartigen Enzyklopädie der bayerischen Seele. Prost, sagt TOM ASAM.
Rausch meint in Bayern erster Linie Alkohol, will erst einmal meinen: BIER! Das erste Fass stechen La Brass Banda mit Bierzelt an. Die drei Raketen aus der Oberpfalz heben ab mit Hefeweizen. Die Geigengroove-Madln mit Bass-Mann Zwirbeldirn stellen noch mal klar: A Bier will i ham. Der Nürnberger Yogo Pausch liest Gedichte von Fitzgerald Kusz, z.B.: haid saafimä de huggn vull.
Klar, der Alkohol ist ein Verstärker. Gmiatlich wiad no gmiatlicher, aber dumpf wird auch gern einmal noch dumpfer. Johanna Bittenbinder liest Ödön von Horwath: Beginn der Starkbiersaison. Hier ist es sehr gemütlich zwischen Vollrausch, Kotzen, Pissen und Vergewaltigung. »Die Brust der Münchner Mutter hatte Bier statt Milch. Und in den Kirchen verwandelte sich Bier in das Blut des Nazareners.«
Stephan Zinner liest aus dem Simplicissimus, wo 1907 Das traurige Schicksal einer mohamedanischen Missionsgesellschaft erzählt wurde, die vom alkoholbefeuerten Westler hingemeuchelt wird. Hin und wieder darfs übrigens anstatt einem Bier auch einmal ein Wein sein, statt einem Bier (zefix, da ist jetzt ein Fehler drin, des war des Bier!). So zum Beispiel im immer wieder umwerfenden Der Firmling von Karl Valentin und Liesl Karlstadt. Oder die gewöhnliche Zigarette, wie in Haindlings Er hod grauchd (»Sollte ich wirklich einmal sterben, dann kann I wenigstens oans sogn: I hob wenigstens grauchd …«). Mit Hans Söllner stecken wir uns auch noch einen Joint an (Mei Vodda – live).
Der Rausch ist essentieller Bestandteil des Lebens. Natürlich nicht nur in Bayern, aber die hier versammelten Stimmen bringen einen – im Dialekt oder auch nicht – dem so reellen wie utopischen Daheim näher.
Diese Texte und Töne aus hundert Jahren bringen Jung und Alt, Giesinger, Schwabinger und Zoagroast´n zusammen. Ja, vielleicht sind die Stimmen Bayerns gar ein solches Phänomen, dass hier potentielle Bayern 1, Bayern 2 und Bayern 3 Hörer gemeinsam Spaß haben können. So was gibt´s eigentlich sonst gar nicht. Also höchstens im Biergarten. Prost, Trikont, da Wahnsinn! Und jetzt hör´ich mir nochmal den Zeltuntergang vom Sailer Michi an. Gschicht´n vorlesen lassen langweilt mich ja meistens, weil ich ja selber lesen kann.
Aber es gibt auch Ausnahmen, und wenn der Hubbsi und der Jackie auf´d Wiesn gehen, dann bist du direkt dabei, jawoll, einwandfrei. Eine CD so großartig wie Freibier an einem Spätsommertag und bisheriger Höhepunkt im Mammutprojekt Stimmen Bayerns. Weil: nach sechs Goaßn-Maß is dir sowohl die Liebe als auch der Tod wurscht! Wie dürfen uns schon freuen auf: Der Irrsinn. Die Freiheit. Mord und Todschlag.
| TOM ASAM
Titelangaben
Stimmen Bayerns: Der Rausch
Trikont / Indigo