Kinderbuch | Constanze Spengler: Die Hexe, die sich im Dunkeln fürchtete
Man glaubt ja immer, dass die, die zaubern können, ein paar Sorgen und Probleme weniger haben als die, bei denen Magie kein bisschen wirkt. Sieht man genauer hin, ist das Leben einer Hexe aber gar nicht so verschieden von unserem. Weil die Hexe nämlich, abgesehen davon, dass sie hexen kann, genauso fühlt wie Menschen auch. Besonders schlimm fühlt sie sich, wenn es dunkel wird. Aber wer etwas auf sich hält, findet sich nicht mit der Angst ab. Constanze Spengler hat mit Die Hexe, die sich im Dunklen fürchtete, ein wunderschönes Märchen geschrieben, das noch dazu richtig wahr ist. Von MAGALI HEISSLER
Ein schiefes Hexenhaus, eine echte Hexe und eine ordentliche Portion gruseliges Hexenleben erwartet die Leserinnen und Leser gleich auf der ersten Seite. Die Hexe aber hat ein Problem. Sobald es dunkel wird, traut sie sich nicht mehr aus ihrem Häuschen. Das ist schlecht, denn so kann sie keine Kräuter im Mondschein sammeln oder zum Blocksberg fliegen. Ihr großer Wandspiegel stichelt bereits deswegen. Das kann die Hexe nicht auf sich sitzen lassen. Es muss einfach einen Zauber gegen die Angst vor der Dunkelheit geben.
Tatsächlich, den gibt es. Die Zutaten dazu zu finden, ist ein großes Abenteuer. In den tiefsten See muss man tauchen, in die Schwefelsümpfe marschieren, eine Kröte fangen, Gespenster besuchen. Das alles hält die Hexe nicht ab, sie ist fest entschlossen, die Angst wegzuzaubern.
Eine einfache Geschichte
Constanze Spengler erzählt eine ganz einfache Geschichte. Sie versetzt die Ereignisse aber in eine wunderbar fantastische Märchen-Zauberwelt, die nicht nur Kinder entzücken wird. Hier ist überbordender Einfallsreichtum am Werk, geschult am traditionellen Märchenschatz. Nicht nur jede Seite, nahezu jeder Satz wartet mit einer hexen- oder märchenspezifischen Wendung auf. Vertrautes wird dabei neu präsentiert, Neues eingefügt und zu einer eigenständigen Geschichte verwoben, der ihrerseits ein Platz unter den echten Märchen gebührt.
Unaufdringlich eingeflochten wird der Umgang mit der Angst vor der Dunkelheit. Kleine Leserinnen und Leser werden sich in der Geschichte wiederfinden, noch ehe sie es gemerkt haben. Die Hexe hat bereits Strategien entwickelt, mit der Angst umzugehen, sie weiß es zunächst nur nicht. Immer, wenn es eben darum geht, kommen der Witz und der warme Humor der Autorin zum Tragen. Schon der bloße Text macht dieses Buch zu einem, das man nicht nur mit Begeisterung, sondern bald mit Liebe lesen wird.
Düsternis und Nachtdunkel
Vollendet wird das Ganze schließlich durch die Illustrationen. Auf fast der Hälfte der Seiten herrscht Düsternis oder gleich Nachtdunkel. Tiefer Wald, eine Gespensterruine, das Schloss der Graphithexe und am Ende noch eine Neumondnacht, so steigert sich die Dunkelheit. Beim Betrachten wird bald klar, dass Dunkel keineswegs nur schwarz bedeutet. Es gibt Schattierungen und Schatten, dunkelgrau, grauschwarz, schwarzgrau. Grünschwarz und schwarzgrün. Die Lichtquellen – unter ihnen gibt es eine ganz besondere Überraschung – verändern die Dunkelheit und die Schatten wiederum. Das verlockt zum genauen Hinsehen und ist damit ein weiterer Appell, sich mit der Angst auseinanderzusetzen, anstatt sich davor zu verstecken.
Einfallsreich, flott formuliert, märchenhaft ausgemalt in Wort und Bild lässt dieses Buch nur eins zu wünschen übrig, nämlich dass es viele Leserinnen und Leser, und nicht nur kleine, glücklich macht.
| MAGALI HEISSLER
Titelangaben:
Constanze Spengler: Die Hexe, die sich im Dunkeln fürchtete.
Gebunden. 40 Seiten. 16,99 Euro
Rostock: Hinstorff Verlag, 2013
Bilderbuch ab 6 Jahren
Reinschauen:
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