/

(Mit-)Geteilte Information

Theater | Forum Freies Theater Düsseldorf: »InFormAtion«

Atmosphäre: Kühlhaus. Ein diffuses Hintergrundrauschen. Die medialen Kanäle scheinen zu knacken: Gibt es etwa eine technische Störung, Herr Tappert (Ton: Ansgar Tappert)? Ein steriler Vorhang aus weißen Lamellen teilt die Bühne und auch das Publikum in zwei (Bühne: Dirk Dietrich Hennig). Neben dem zunächst als akustischem »Störfaktor« wahrgenommenen Grundrauschen macht sich Informationsneid breit. Von VERENA MEIS

InFormAtion
Foto: (c) Susanne Diesner
Werden mir etwa wichtige Botschaften vorenthalten? Wird mir der Blick hinter den Vorhang absichtlich verwehrt? Ganz nach der Devise: Geteiltes Informationsleid ist halbes Informationsleid? In unserer heutigen Informationsgesellschaft undenkbar. Wo bleibt der information overload? Vor dem Vorhang formiert sich ein weiblicher Körper, der vage zuckende Impulse nach außen sendet, als sei er vom medialen Rauschen infiziert. Oder ist er es, der dieses zuallererst produziert? Formierte Information, doch welche? Hinter jeder Geste, jedem Lichtschein, jedem Schatten, jedem Geräusch scheint sich eine verschlüsselte Nachricht zu verbergen, die sehnlichst darauf wartet, allgemeingültig dekodiert zu werden. Oder etwa nicht?

Wer sich während »InFormAtion« – einer interdisziplinären Versuchsanordnung aus Tanz, Musik und Lichtkunst der Düsseldorfer Choreografin Karen Bößer – auf die Suche nach DER Information, DER objektiven Botschaft begibt, wird enttäuscht: Gemeinsam mit der Tänzerin Maaike van de Westeringh tariert Bößer im FFT (Forum Freies Theater, Düsseldorf) das Verhältnis von Sender und Empfänger neu aus. Prinzip: Stille Post. Missverständnisse scheinen vorprogrammiert. Doch Vorsicht! Bößer und van de Westeringh plädieren mit »InFormAtion« jedoch gerade für Vielstimmigkeit. Die individuelle Rezeption erhält hier gerade ihre Legitimation. Achtung! Die folgenden Einwürfe sind ausschließlich subjektiver Art: Ähnelt das Solo episodenweise einem Ringkampf mit sich selbst, so offenbart sich sein Schatten als Balztanz eines Paradiesvogels. Gleicht das Pas de deux beinahe einem körperlichen Duell, so lässt sein Schattenspiel zweisame Harmonie anstelle von Zwist erahnen. Schenkt man auch dem (Hintergrund-)Rauschen seine Aufmerksamkeit, so nimmt es Gestalt an: Hier erklingt eine Neonlampe, dort ertönt das eindringliche Tropfen eines Wasserhahns oder aber ein gelesener Hypertext.

Erst im anschließenden Publikumsgespräch wird deutlich, dass kein anderer als der Medienphilosoph Vilém Flusser den eingestreuten HTML-Text liest und dass seine Kommunikologie keine unbedeutende Rolle für »InFormAtion« spielt – eine fehlende Information, die den »InFormAtion«-sfluss im FFT erleichtert hätte. Theaterdiskurse eignen sich Flusser zufolge ausgezeichnet dafür, »die Empfänger der verteilten Information für diese Information verantwortlich zu machen und sie zu künftigen Sendern zu formen.« Doch nicht, wenn die zu sendende Information eine objektive sein soll… Keine Sorge, soll sie in Düsseldorf auch gar nicht! Karen Bößers Botschaft lautet: Entlarvt den Schein des Objektiven! Bekennt Euch zu Eurer subjektiven Wahrnehmung! Übernehmt Verantwortung für gesendete und empfangene Informationen!

| VERENA MEIS

Reinschauen
Forum Freies Theater Düsseldorf

Foto: © Susanne Diesner

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

They’re crazy, those Belgians!

Nächster Artikel

Der Schmerz der Vergangenheit

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Crap Gigs, And How To Survive Them

Bittles‘ Magazine We have all been there! You’re at a show and the sound is so bad you can’t discern the music from the feedback. Or you are squeezed into a corner so tightly by an unforgiving and unwashed throng of people that you literally feel like you might die from lack of oxygen. Perhaps you enter the venue like an eager beaver and scan the crowd for friendly faces only to realise straight away that you have made a huge mistake. By JOHN BITTLES

Drill und Delirium

Bühne | Im Kopf von Bruno Schulz (Schauspiel Köln)   Bildung beginnt mit Muskelmasse: So lautet Lektion Numero eins für den Zuschauer, der Nicola Gründel als Lehrerin Helena Jakubowicz dabei zusieht, wie sie mit lakonischen Kommentaren und drakonischer Härte ihre Kollegen Robert Dölle und Seán McDonagh zu Höchstleistungen an Schwebebalken, Barren, Trampolin und Co. antreibt. Das Ensemble des Schauspiel Köln zeigt sich sportlich. Von JALEH OJAN

Heavy-Metal aus dem Schützengraben

Bühne | Konzert: Sabaton Keine andere Metalband ist als komplexe Maschinerie so gut geölt wie Sabaton. Sie liefern neben ihrem (Aufklärungs-)Metal nicht nur eine passende (Kriegs-)Show, sondern gehen auch herzlich auf die Fans ein. ANNA NOAH wurde nicht enttäuscht.

Die Welt ist nicht genug, Salomo

Bühne | Dürrenmatts ›Physiker‹ am Deutschen SchauSpielHaus Hamburg »Die schlimmstmögliche Wendung, die eine Geschichte nehmen kann, ist die Wendung in die Komödie!« Dürrenmatts Drama ›Die Physiker‹ ist ein exzellentes Beispiel für die Komik der grotesken Situation, in der sich die Wissenschaft in der technisierten Welt befindet. MONA KAMPE

Ein Traum wird zur Tanzrealität

Bühne | Show: Breaking Salsa In der Verti Music Hall wirbelten bei »Breaking Salsa« neben Kim Wojtera nicht nur Weltklassetänzer aus acht Ländern über die Bühne, sondern es gab auch den Weltmeister im Popping und den Grammy-Gewinner Nené Vasquez und das Mingaco Orchestra live zu erleben. Nach »Flying Bach« und neben »Break the Tango« ist das nun die dritte Verschmelzung zweier völlig unterschiedlicher Tanzrichtungen. ANNA NOAH schlendert durch die Träume der Darsteller.