Jugendbuch | Andreas Schulze, Preben Kaas: Herr Ostertag macht Geräusche
Der Goldene Pick, ein Jugendliteraturpreis, der jährlich von der FAZ und vom Verlag Chicken House für Manuskripte junger Autoren vergeben wird, ging 2012 an Andreas Schulze für seinen Roman Herr Ostertag macht Geräusche. Ein faszinierendes Debüt, findet ANDREA WANNER.
Wo anfangen? Vielleicht bei Einstein, der laut Herrn Maluschkas, Julians Mathelehrer, „ein selten fauler Hund“ gewesen sein soll. Auch Julian tut nicht allzu viel für die Schule, fällt aber dadurch auf, dass er immer die richtigen Antworten weiß und z. B. „wie aus dem Gewehr geschossen“ die zwölfte Wurzel aus für nennen kann. Für den Mathelehrer ein Rätsel und nur durch Julians Hochbegabung zu erklären. Für Julians Mutter ist es ebenfalls sehr seltsam. Noch merkwürdiger allerdings findet sie, dass Julian in seinen mehr als 15 Lebensjahren sich noch nie wirklich wehgetan hat, noch wie vom Skateboard gestürzt ist, noch nie geblutet hat und ein Pflaster gebraucht hat. Und Herr Ostertag, Julians Vater? Der meint wenig zu dem allen.
Rätsel, Physik und viele Fragen
Zurück zu Einstein. Mit den Entdeckungen im Zusammenhang mit der Relativitätstheorie musste der newtonsche Begriff der absoluten Zeit aufgegeben werden. Und dadurch wird etwas möglich, was Emily, eine merkwürdige alte Dame Julian und seinen Eltern zu erklären versucht: Julian ist verfügt über eine besondere Gabe: er ist ein Zeitspieler.
Andreas Schulze erzählt die besondere Geschichte auf eine besondere Art. Er verschwindet als Autor – sogar vom Cover des Buches – und lässt als Autor und über weite Phasen als Ich-Erzähler Preben Kaas, den Bruder von Emily, auftreten. Preben sucht Kontakt zu Julian und nimmt ihn und seine Eltern mit zu Emily, wo diese zunächst Julians Fähigkeiten testet und dann das Ergebnis der Familie mitteilt. Die Chance, alle Fehler in kürzester Zeit ungeschehen zu machen, haben aus Julian einen ungewöhnlichen Jugendlichen werden lassen, distanziert, von sich selbst überzeugt, in Ansätzen arrogant und sehr clever. „Lonesome“ wird er in der Klasse genannt und sonnt sich irgendwie im Ruhm seines Anderseins.
Lonesome ist nicht der einzige, der über diese merkwürdige Gabe des Spiels mit der Zeit verfügt. Man erfährt von anderen und wie sie damit umgehen. Was macht diese Fähigkeit mit den Menschen, die sie besitzen? Wozu nutzen sie sie? Wozu sollten sie sie nutzen. Es sind grundsätzliche Fragen, die offen bleiben. Stück für Stück puzzelt sich die Geschichte zusammen. Ein undurchsichtiger Wissenschaftler übernimmt die Rolle des Bösewichts, eine Entführung wendet die Ereignisse in einen Krimi. Dennoch erfüllt das Buch kein einziges Klischee. Es reizt zum Mitdenken, Nachdenken, Urteilen, liefert Einblicke in die Gedanken und Gefühle von Menschen und bleibt Julian, dem eigentlichen Helden der Story, gegenüber reserviert.
Ein Buch wie ein Labyrinth. Ein roter Faden, dessen Knoten man lösen muss, ehe man ihm durch das Labyrinth folgen kann. Viele Überraschungen und wie gesagt: ein erstaunliches Debüt.
| ANDREA WANNER
Titelangaben
Andreas Schulze, Preben Kaas: Herr Ostertag macht Geräusche
Hamburg: Carlsen 2013
144 Seiten. 9,99 Euro, E-Book inklusive
Ab 14 Jahren
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