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Hinters Licht geführt

Gesellschaft | Klaas Voß: Washingtons Söldner

Historische Forschung kann spannende Ergebnisse liefern. Wir erleben in immer kürzeren Abständen, dass jüngste Vergangenheit, die wir aufgrund eigenen Erlebens verlässlich zu beurteilen glaubten, oh wie hatten wir alles im Griff, unter den nüchternen Forschungen von Historikern allerlei dekorativen Schnickschnack, allerlei Camouflage ablegt – wir wurden hinters Licht geführt. Dass es in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg von der CIA geführte Geheimarmeen gab und der Anschlag auf dem Münchner Oktoberfest 1980 durch diese Stay-behind-Armeen ausgeführt wurde, ist mittlerweile einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Von WOLF SENFF

Klaas Voß: Washingtons Söldner

Klaas Voß holt weiter aus. Er untersucht den gezielten Einsatz von Söldnern für paramilitärische Interventionen der USA im Ausland. Von fremder Propaganda lässt man sich bekanntlich ungern aufs Glatteis führen, unsere Mainstream-Medien sind sehr hartnäckig, solange es »nur« um »die Russen« geht und zweifeln keinen Augenblick daran, dass die Soldaten auf der Krim, wenngleich nicht identifizierbar, russische Interventionskräfte sind.

Plausible Deniability, falls Covert Operation

Einmal angenommen, dass sie damit recht hätten, wäre dieser Einsatz ein schönes aktuelles Beispiel für die Doktrin der glaubhaften Dementierbarkeit (»plausible deniability«), eine propagandistische Raffinesse der USA-Interventionsstrategie, die erstmals im Kontext eines von der CIA geplanten Staatsstreichs durch Exilanten in Guatemala 1954 öffentlich wurde und die zu Beginn der sechziger Jahre den Einsatz von Exilkubanern gegen das Castro-Regime prägte, die von Hintermännern in den USA gelenkte Invasion in der Schweinebucht.

Der machtpolitische, propagandistische Vorteil einer derartigen »verdeckten« Intervention, schreibt Voß, sei darin zu sehen, dass die Akteure nicht offiziell im Auftrag der USA arbeiten, sondern es handele sich um eine Operation, eine »covert operation«, deren Urheber es vorzögen, im Dunkel zu bleiben. Die USA habe es sich vor der Weltöffentlichkeit in diversen Konflikten nicht leisten können, sich parallel zum Vietnamkrieg in militärische Einsätze zu verstricken, und habe sich dennoch im Kalten Krieg nicht zurückziehen wollen.

Bei »Clandestine Operation« wird’s schwierig

Die Strategen der CIA kennen darüber hinaus die »clandestine operation«, einen Einsatz, der völlig im Verborgenen bleibt. Man mag sich nicht vorstellen, was sich real dahinter verbirgt und wie weit derartige »Einsätze« gar zur Aufwiegelung der Menschen in der Ukraine beitrugen; sie gehören zum Standardrepertoire der USA, doch ist gegenwärtiges Geschehen leider nicht mit der nüchternen Distanz der Geschichte abzuwägen.

Klaas Voß kommt nicht umhin, zuzugeben, dass derartige verborgene Einsätze selbst für den Historiker äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich nachweisbar sind – die Geheimdienste, der Eindruck drängt sich auf, unterscheiden sich kaum von Irrenanstalten.

Ein Vietnam ist genug

Voß spricht von verblüffend simplen Argumenten und »Vereinfachungen«, die die Johnson-Administration im Jahr 1964 bewogen, in den Konflikt im Kongo einzugreifen. Der Kalte Krieg wurde auch in Afrika geführt, der Kongo war wenige Jahre zuvor in die Eigenstaatlichkeit entlassen worden. Die USA fürchteten einen Totalverlust nach dem Dominostein-Prinzip, das im Übrigen auch in Südostasien die propagandistische Maxime der USA war und die Kriegführung begründen half. Wegen des eskalierenden Engagements in Vietnam sei den USA daran gelegen gewesen, ihre »Sichtbarkeit im Kongo« möglichst gering zu halten, zumal Johnson um seine Wiederwahl am 3. November 1964 fürchtete.

Eine direkte Intervention der USA stand außer Frage, der »Einsatz von Söldnern hatte den Vorteil, auf Verantwortung der kongolesischen Regierung zu erfolgen«, die USA und Belgien stellten finanzielle Mittel für eine bis zu viertausendköpfige Söldnerarmee zur Verfügung; nach kurzer Zeit warben Rekrutierungsbüros in Südafrika und Rhodesien um »sportliche junge Männer auf der Suche nach dem etwas anderen Job«.

Vorboten einer weltweit mobilisierbaren Söldnertruppe

Es ist faszinierend, wie detailliert Voß die Probleme der Formierung dieser Kampfgruppen darstellt. In der Praxis sei eng mit der CIA kooperiert worden bzw. die Söldner wurden am kurzen Zügel geführt. Der Freelance-Status der Söldner sei erst bei den Einsätzen in Nicaragua zu einem zentralen Problem geworden.

Das US-Verteidigungsministerium organisierte den Lufttransport von 22 Tonnen an Waffen und Munition, Söldner wurden weiterhin eingeworben, nun auch in Belgien und anderen NATO-Staaten. Exilkubaner flogen sieben B 26-Bomber, die im August als Leihgabe aus den USA eintrafen, die CIA rekrutierte britische Helikopterpiloten, Vorboten einer weltweit mobilisierbaren Söldnertruppe. 1965 zahlten die USA für Versorgung und Wartung der Lufteinheiten 4,1 Millionen Dollar. Ende November wurde, Operation Ommegang, Stanleyville eingenommen, rund tausend Geiseln konnten evakuiert werden, die sogenannte Simba-Rebellion war zerschlagen, ohne dass die mediale Öffentlichkeit massiv protestiert hätte, die politischen Kosten einer direkten Intervention wären höher gewesen..

CIA stellt Anthropologen ein

Voß spricht von einem »Referenzfall, der sich dauerhaft ins instrumentarische Arsenal der CIA einschrieb« und stellt fest, dass in diesem konkreten Fall auch grundlegende kulturelle Unterschiede ausschlaggebend waren, sprich: hie ein »rassistischer Glaube an die natürliche Überlegenheit«, da eine »okkulte Kriegführung« unter Zuhilfenahme von »Beschwörungsformeln«. Die CIA, dies nur am Rande, stellt auch gezielt Anthropologen und Ethnologen ein, um unterschiedliche kulturelle Dispositionen in das militärstrategische Vorgehen einzuarbeiten.

Klaas Voß untersucht darüber hinaus den Einsatz von Söldnern in den Konflikten in Angola und Rhodesien der siebziger Jahre sowie die verdeckte Intervention im Nicaragua der Jahre 1981-1988. Er spricht von »der Entstehung einer globalen rechten Diaspora, in der auch paramilitärische Gruppen bzw. ›antikommunistische Rambos‹ eine erhebliche Rolle spielten«, die Unterstützung der Contras gegen die sandinistische Regierung in Nicaragua rangiert unter »antikommunistischen Abenteuern«.

Kontroverse zwischen CIA und Kongress

Die Untersuchung weist detailliert eine Vielfalt von verdeckten Einsätzen nach, und wiederum mag man sich sich kaum ausmalen, welche »verdeckten Einsätze« heutzutage durchgeführt werden, die Phantasie der Secret Services ist grenzenlos. Ein von der britischen Söldnerfirma Keenie Meenie Services KMS angeworbener Söldner hatte seinerzeit in Nicaragua Sabotageoperationen durchzuführen, die CIA bildete im benachbarten Honduras den militärischen Nachwuchs aus, sie zahlte und dirigierte Angriffe auf die Infrastruktur Nicaraguas (»deep penetration raids«); ebenfalls verdeckt organisierte der National Security Council NSC gegen den Willen des US-Kongresses eine Kampagne zur Finanzierung der Contras.

Es ist keineswegs so, dass dieses eigenmächtige Handeln der Administration und der CIA in den USA selbst nicht wahrgenommen worden wäre; die Diskussionen und die Skandale um die Präsenz von Söldnern bei den Contras, so ein wichtiges Ergebnis dieser Untersuchung, verschärften die Spannungen zwischen der US-Regierung und dem Kongress, und Voß begründet vor allem am Beispiel des Contra-Krieges seine Zweifel am militärischen Sinn des Einsatzes von Söldnern.

Wer seinen Informationsbedarf bei den Medien des Mainstreams stillt, wird mit diesem sachkundigen, spannend geschriebenen Buch viel zu verarbeiten haben. In den hinter uns liegenden Jahrzehnten entstand weltweit eine Subkultur der Söldner, militant antikommunistisch, ideologisch begleitet von Soldier of Fortune, seit 1979 monatlich, einem Trendsetter unter den Periodika aus den Themenbereichen Paramilitärisches und Survival, auf gut Deutsch: für fanatisches militärisches Abenteurertum, mehr noch, in den USA entstanden diverse private Söldnerschulen, in politischer Hinsicht laut Voß »notorisch unberechenbar und übereifrig«.

Die Brisanz liegt in den Parallelen

Die Untersuchung ist eine vorbildliche Fleißarbeit, Klaas Voß sammelte akribisch Daten, die Rückschlüsse auf das »Hintergrundgeschehen« erlauben. Washingtons Söldner vermittelt eine Ahnung dessen, was sich fern von öffentlicher Wahrnehmung real abspielt und wie massiv wir mit gefälschten, inszenierten Ereignissen getäuscht werden. Diese Sätze sind jedoch Schlussfolgerungen eines Rezensenten. Die Untersuchung selbst ist strikt auf ihren Gegenstand beschränkt. Die politische Brisanz liegt in den naheliegenden Parallelen, die sich aufgrund der politischen Entwicklungen seit 1990 aufdrängen und vom Historiker Voß nicht berücksichtigt werden konnten.

Der von den USA verdeckt geführte Krieg, die Fehlschläge bei den Reformen der Sandinisten und das Eingreifen der USA u.a. durch den Wirtschaftsboykott hatten die Wirtschaft Nicaraguas ruiniert. Die USA wurden bereits im Juni 1986 vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag für ihre direkte und indirekte militärische Teilnahme am Contra-Krieg zur Beendigung der »ungesetzlichen Anwendung von Gewalt« und zur Zahlung von Reparationen verurteilt. Die USA weigerten sich, das Urteil anzuerkennen.

Nach dem vermittelnden Eingreifen der mittelamerikanischen Staaten wurde die Entwaffnung der Contra-Rebellen und der Sandinisten-Milizen zum 8. Dezember 1989 beschlossen, bei den Wahlen 1990 löste die vereinigte nicaraguanische Opposition mit 54,7 Prozent der Stimmen die sandinistische Regierung ab.

Stoff für die nächsten Jahrzehnte

Aufgrund von Fristen der Geheimhaltung ist den Historikern der Zugang zu aktuellen Dokumenten verwehrt. Zweifellos wäre aber interessant zu wissen, welche Aktivitäten den Irakfeldzug vorbereiten halfen – abgesehen von der verlogenen Propaganda der CIA und Colin Powells – und in welchem Umfang Söldnertruppen der Firma Blackwater und anderer eingesetzt wurden.

Die Frage stellt sich ebenso für den sogenannten Arabischen Frühling. Wurde Libyen im Vorwege systematisch destabilisiert? Leisteten »covert operations« und »clandestine operations« einen Beitrag zur Destabilisierung Syriens, seit neuestem der Ukraine? Wo und mit welchen Aufträgen setzten die USA und andere Beteiligte Söldnertruppen ein? Brisante Fragen von neuem Gewicht und eine Menge Stoff für die Historiker der nächsten Jahrzehnte.

| WOLF SENFF

Titelangaben
Klaas Voß, Washingtons Söldner. Verdeckte US-Interventionen im Kalten Krieg und ihre Folgen
Hamburg: Hamburger Edition (Hamburger Institut für Sozialforschung) 2014
590 Seiten. 38 Euro

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