Mit federndem Gang durch Brooklyn

Musik | Craig Greenberg: The Grand Loss & Legacy

Der New Yorker Musiker Craig Greenberg hat sein Debütalbum ›The Grand Loss & Legacy‹ veröffentlicht. MARTIN SPIESS hat es gehört.

*For the English version of this article, click here*

grandlosscoverMan könnte argumentieren, dass die Zeit großen Piano-Pops vorbei ist. Dass all die Counting Crows, die Ben Folds und Jamie Cullums Phänomene der Neunziger und Nullerjahre sind und die Wiedergeburt des Folk das Klavier in den Hintergrund verbannt hat. Man könnte außerdem übertreiben und sagen, dass man sich nach Billy Joel zwar ans Klavier setzen, es aber eh nicht besser machen kann.

Auf Craig Greenbergs Debüt ›The Grand Loss & Legacy‹ aber – klar gibt es ein aber! – blitzt er noch einmal auf, der Sound großer Klaviermelodien, unterlegt mit mal rockig kantigem, mal klimpernd leichtem Pop. Obschon Greenberg das Album seiner verstorbenen Tante und Mutter gewidmet hat, kommt nie Melancholie auf. Ganz im Gegenteil hat das Album einen zuweilen fast zu optimistischen Drive. Der »große Verlust« taucht zwar immer wieder in den Lyrics des 38-jährigen New Yorkers auf, wenn er von Trennung singt – was auf die meisten der zehn Songs zutrifft. Das Klavier lädt aber auch geradezu dazu ein, sich verflossener Lieben zu erinnern.

Glasklares Klavier, bombastische Band

Das klingt in seinen besten Momenten wie die anfangs genannten Herren, wenn sich eingängige Melodien auf eine fast immer bombastisch klingende Band setzen. Am meisten kommt einem bei ›The Grand Loss & Legacy‹ Ben Folds ins Gedächtnis, auch wenn Greenbergs Gesang zuweilen an Randy Newman erinnert. Der Sound aber bleibt sich während des gesamten Albums treu: ein glasklares Klavier und eine nur fett zu nennende Band mit Popsound. Allein die Ballade ›I Should Believe in Someone‹ mit gegeneinander spielenden Solo-Steel-Gitarren hat etwas Country-artiges und man wähnt sich plötzlich nicht mehr mit federndem Gang durch Greenbergs Heimat Brooklyn spazieren, sondern in einem staubigen Chevy auf einem Highway Richtung Horizont.

Pathetisch, kitschig, schwärmerisch

Die Stärke von Craig Greenberg ist seine Furchtlosigkeit: Hier und da könnte man ihm Kitsch oder Pathos unterstellen, er aber vermeidet Themen, die zum Schwärmen einladen, nicht – er sucht sie. Er ergeht sich in Gedanken über kaputte Lieben, in Warnungen vor gefährlichen Frauen und nie kommt auch nur ein Moment von Zweifel. Weil es genau richtig ist, so von der Liebe zu singen: pathetisch, kitschig, schwärmerisch. Die Zeit großen Piano-Pops mag vorbei sein, Craig Greenberg aber macht es wie Asterix und Obelix: Unbeugsam Widerstand leisten. Und mit ›The Grand Loss & Legacy‹ ein ganz starkes Debütalbum veröffentlichen.

| MARTIN SPIESS

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Ein dicker Meilenstein

Nächster Artikel

Blut für Öl

Weitere Artikel der Kategorie »Platte«

Wie es sich gehört!

Musik | Stop Inside: Never Come Back Stop Inside – das sind die Würzburger Newcomer Alice, Fabi, Marci, Hansi und Maxi in typischer Rock-Besetzung: Frontfrau, zwei E-Gitarren, Bass und Schlagzeug. Sie haben bereits im Umkreis eine Vielzahl von Gigs abgeliefert und auch schon bei dem einen oder anderen Contest abgeräumt. Von MARC HOINKIS

Soul Tales

Musik | Auf Platte: Melissa Etheridge: ›Memphis Rock And Soul‹ Soul Tales – Stax Records gibt es seit 60 Jahren und Melissa Etheridge ist the funkiest Woman alive in der Rockmusik mit ›Memphis Rock And Soul‹ Von TINA KAROLINA STAUNER

We Are The Music Makers. The Makers of Dreams

Bittles‘ Magazine I remember walking into my local record emporium way back in the year 1992. Of course everything was in black and white back then as colour hadn’t yet been invented. I had a singular purpose! To purchase a strange record that I had heard discussed in closed circles and hushed tones by shadowy figures with a glint in their eyes. By JOHN BITTLES

Ned’s Atomic Dustbin: When Killing Your Television Was Still An Option

Bittles‘ Magazine It’s amazing how an album or song can come to represent a year, or a period of your life so completely that simply listening to it again is enough to take you right back to that time. Bryan Adams that eminent social historian from Canada ably documented this phenomenon of wistful nostalgia with his treatise Summer of 69. One particular record that has this hair-raising effect on me is God Fodder by the awfully named but really rather good Ned’s Atomic Dustbin, (or The Neds as they were rather affectionately known back in the day). Every-time I hear

Ein bisschen peinlich, sie zu mögen …

Musik | Ottar Gadeholt über die mythologische Seite von Guns N’Roses (Teil V) Was ist dann aber passiert? Wie konnte Guns N’Roses, die bei Weitem größte und erfolgreichste Rockband der späten Achtziger, als eine etwas peinliche Parenthese der Musik in der Öffentlichkeit enden, während weit weniger interessante Bands – wie AC/DC oder Kiss – einen unangreifbaren Kultstatus erreicht haben und in den Feuilletons der großen Zeitungen gepriesen werden? Von OTTAR GADEHOLT