Jugendbuch | Kevin Brooks: Travis Delaney. Was geschah um 16:08?
Bei einem Autounfall kommen die Eltern von Travis ums Leben. Nichts ist mehr, wie es war. Der 13jährige trägt natürlich schwer an diesem Verlust. Aber es gibt noch andere Dinge, die ihn beschäftigen. ANDREA WANNER hat eine tragische, aber auch ungewöhnliche Detektivgeschichte für Jugendliche gelesen.
Die Erzählung beginnt auf einem Friedhof, bei der Beerdigung. Travis kann es eigentlich noch gar nicht glauben. Seine Eltern sind tot. Beide. Tragisch ums Leben gekommen, ohne die Möglichkeit, Abschied zu nehmen. Die Situation ist entsetzlich. Die beiden Särge. Die Vorstellung, dass sie darin liegen und Travis sie nie mehr sehen wird. Genau dieses Schreckliche führt dazu, dass er sich abzulenken versucht, die Trauergemeinde mustert. Und dabei einen Mann mit einer versteckten Kamera entdeckt. Der Schmerz ist entsetzlich, aber jetzt ist auch das Misstrauen des Jungen geweckt. War es tatsächlich ein Unfall?
Geschickt baut Kevin Brooks seine Kriminalgeschichte auf. Die Eltern von Travis waren Privatdetektive. Von ihnen hat Travis viel gelernt, achtet auf Details, hat ein Auge für Ungewöhnliches und Auffälliges. So spürt er schnell, dass mit dem großen Fremden mit dem kurzgeschnittenen grauen Haar und den stahlgrauen Augen, der sich neben die Studienfreunde der Eltern stellt, etwas nicht stimmt. Als kurz darauf das Büro seiner Eltern verwüstet wird, ist Travis sich sicher: Es war kein Unfall. Irgendjemand wollte seine Eltern loswerden. Und er will herausfinden, wer das war.
Detektivgeschichten für ein jugendliches Publikum leben meist von wenig überzeugenden Alleingängen; von zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, die im wahren Leben nur Profis haben; von Lösungen, von denen eben jene Profis nur träumen können. Travis ist ein Amateur. Er hat ein Fahrrad, mit dem er seinen Aktionsradius etwas erweitern kann und er hat ängstliche Großeltern, die sich nach dem Tod seiner Eltern liebevoll und fürsorglich um ihn kümmern, und auf keinen Fall wollen, dass ihr Enkel sich in Gefahr begibt. Sie wissen, wovon sie reden, schließlich war es der Großvater, der nach seiner Zeit bei der Militärpolizei und beim militärischen Geheimdienst das Detektivbüro Delaney & Co gründete. So weiß Travis, dass sein Großvater ihm weiterhelfen könnte, und muss dennoch seine Recherchen vor ihm geheim halten. Alles dreht sich um die Frage: Was geschah um 16:08, dem Unfallzeitpunkt? Travis puzzelt aus verschiedenen Teilchen allmählich ein Bild zusammen.
Brooks zeigt die Detektivarbeit als mühsames Geschäft, bei dem man langsam vorankommt. Und er nimmt die Hindernisse, auf die ein 13jähriger Junge stößt, ernst. Natürlich gibt es Actionszenen, es wird spannend und Travis gerät in Situationen, in die man nur als Held in einem Jugendbuch gerät. Dennoch zeichnet sich die Geschichte durch ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit aus.
Fünf Nominierungen für den Deutschen Jugendliteraturpreis in den vergangenen zehn Jahren, zwei Mal hat Brooks den begehrten Preis gewonnen: 2006 für ›Lucas‹ und 2009 für ›The Road of the Dead‹. Mit Travis hat er erneut einen Helden geschaffen, dem man gespannt durch seine mutige Suche nach der Wahrheit folgt. Umso unverständlicher, dass laut Verlag die angekündigte Fortsetzung ›Wem kannst du trauen‹ nicht erscheinen soll. So ist Travis und mit ihm der Leser der Lösung des Rätsels am Ende nur ein winziges Stückchen nähergekommen.
Titelangaben
Kevin Brooks: Travis Delaney. Was geschah um 16:08?
(Travis Delaney: The Ultimate Truth, 2014) Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn
München: dtv 2015
320 Seiten. 14,95 Euro
Jugendbuch ab 12 Jahren
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