Wie geht man mit dem Tod um, wenn man 14 Jahre alt ist? Bens Mutter stirbt plötzlich und unerwartet. Zurück bleibt eine Familie in Trauer. Von ANDREA WANNER
Ein sich von allem zurückziehender Vater, ein kleiner Bruder, der noch nicht mal in die Schule geht und eine sehr eigene Vorstellung vom Tod hat und der 14jähtige Ben müssen mit dem jähen Ende der gerade mal 45jährigen Mutter klarkommen.
Ein Herzversagen hat die temperamentvolle Bühnenbildnerin mit den roten langen Haaren und den grünen Augen an einem strahlenden Oktobertag mitten aus dem Leben gerissen. Unvorstellbar. Aber es bleibt den Zurückgebliebenen nichts, als sich dieser Wahrheit zu stellen. Und irgendwie damit klarzukommen.
Von außen kommen andere Personen dazu und verändern den Blick auf den Tod. Die Sanitäter, die noch Wiederbelebungsversuche starten; der Kommissar, der sicherstellen muss, dass es ein natürlicher Tod war; die Männer vom Bestattungsunternehmen, die den leblosen Körper abtransportieren; die Tante, die die beiden Brüder mit zu sich nach Hause nimmt; Bens bester Freund Janus, der seinen Weg sucht, dem Freund zu Seite zu stehen; die unnahbare Lina aus Bens Klasse, die ihre eigenen Erfahrungen mit dem Sterben und dem Tod hat.
In diesen Begegnungen werden viele Facetten des Tods und des Abschiednehmens beleuchtet, die Gefühle von Wut, Trauer, Groll, Wehmut, Traurigkeit, Verzweiflung, Erinnerung und Hoffnung finden auf ganz unterschiedliche Weise Eingang in die Trauerarbeit, immer wieder kontrastiert von den eigenwilligen Aktionen von Krümel, Bens kleinem Bruder, der eigentlich Karl genannt werden will.
Bens Mutter liebte die Natur, vor allem Bäume. So bringt die Nähe zur Natur, ein Besuch im Wald, auch immer wieder Trost. So fällt die Wahl auf dem Friedhof auf einen Platz unter einer Birke. Wachsen und Gedeihen, Blühen und Ernten und schließlich das Ende, das nicht das Ende ist, sondern Teil eines Kreislaufs. Ben macht sich viele Gedanken und schlägt für die Todesanzeige ein Gedicht von Rose Ausländer. »Noch bist du da« heißt es und er muss seiner Tante recht geben »Wohl eher ein Gedicht über das Leben.« Aber Leben und Tod gehören zusammen. Und die Aufforderung »Wirf deine Angst in die Luft« kann Ben vielleicht helfen, sein Leben auch nach diesem Verlust gut weiterzuleben.
Unkonventionell und so, wie es ihrer Mutter gefallen hätte, gestalten schließlich vor allem die beiden Brüder den Abschied. Stefanie Höfler erzählt all das mit ungeheurem Einfühlungsvermögen. Ihre Beobachtungen sind genau und ihre Worte beschreiben den Schmerz ohne Klischees. Ein wunderbares Buch über ein sehr ernstes Thema.
Titelangaben
Stefanie Höfler: Der große schwarze Vogel
Weinheim: Beltz & Gelberg 2018
182 Seiten. 13,95 €
Jugendbuch ab 13 Jahren
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