Roman | Markus Berges: Die Köchin von Bob Dylan
Das kann kein Zufall sein: Pünktlich zum75. Geburtstag des legendären Musikers erscheint Die Köchin von Bob Dylan. In Markus Berges‘ zweitem Roman – halb aus weiblicher, halb aus männlicher Sicht erzählt – erfährt man Erstaunliches über die skurrilen Macken Bobbys, über die lukullischen Köstlichkeiten der Krim und die wechselvolle Geschichte der Schwarzmeerdeutschen. Anton Tschechow kommt auch ins Spiel. Von INGEBORG JAISER
Der große Meister steht kulinarisch auf Multikulti: er liebt kreolisches Fishcurry, kubanische Bohnen mit Reis und französischen Kirschauflauf. Das zumindest wird der neuen Köchin von Bob Dylan auf die Schnelle eingetrichtert. Eigentlich springt Jasmin Nickenig nur als unerschrockene Vertretung für ihre schwangere Freundin Swetha, der bisherigen Tourköchin, ein.
Ein paar Opfer hat sie vor Antritt ihres neuen Jobs allerdings schon zu bringen: ein »Schweigeparagraph« fordert ein eher unbeschriebenes Blatt, so dass Jasmin sich erst einmal von ihrem wenig erfolgreichen Käse-Blog und ihren Facebook-Aktivitäten distanzieren muss.
Von Köln auf die Krim
Somit führt ihre steile Karriere von einer drittklassigen Küchenshow in Köln-Bocklemünd zur nächsten Konzertreise von Bob Dylan auf die Krim. Dort erlebt Jasmin eine aufputschende Probezeit in Jalta, schlendert staunend über die mediterran wirkende Strandpromenade, plaudert mit ihrem neuen Chef vertraulich über Tschechow und testet kulinarische Köstlichkeiten, die genügend Futter für weitere Food-Blogs bieten könnten (»fünf Aggregatzustände von Käse, darauf Pfirsichsud mit einem rätselhaften Pesto, zum Schluss eine Zitronentarte mit Zabaione, die offenbar absichtlich aussah wie vom Teller gefallen und vom Boden wieder aufgekratzt.«)
Manches ist schräg und skurril, wie Bobbys Gewohnheit, den Menschen seines Umfeldes neue Namen zu geben. Vieles befremdlich, wie der schrille Hofstaat im Gefolge des großen Musikers. Doch ein weiteres Ereignis erschüttert Jasmin zutiefst: der unvermittelte Anruf eines Unbekannten aus Odessa, der behauptet, ihr Großvater Florentinius Malsam zu sein.
Geschichte der Schwarzmeerdeutschen
In einer Nacht-und-Nebel-Aktion reist Jasmin überstürzt aufs Festland, entfernt sich sozusagen »unerlaubt von der Truppe«. Was folgt, ist keine rührig-sentimentale Familienzusammenführung, eher eine seltsame »Verpuffung in Herzgegend«. Sollte dieser klapprige russische Greis, der nach einer schlaganfallbedingten Aphasie plötzlich Deutsch zu reden und zu singen beginnt, wirklich mit Jasmin verwandt sein?
Ein zweiter Erzählstrang legt – aus der Sicht des jungen Florentinius – die Geschichte der Schwarzmeerdeutschen offen, einer bitteren Geschichte von Verfolgung und Verschleppung, Flucht und Hunger, von einem Wechsel der Identitäten und politischen Ideologien. Markus Berges schafft es dennoch, diese beiden Ebenen geschmeidig zu verbinden, selbst dem unfassbar Schrecklichen folgt federleichtes Staunen, in herrlich hoffnungsfrohen Sätzen wie diesem: »Hier duftete nach einem Regenguss der Frühling.« So gerät diese Story poetisch, ohne Pathos – und mutig, ohne falsche Wehmut. Der fantastisch-magische Prolog erinnert gar an russische Märchen.
Reinkarnation von Tschechow
Markus Berges, Sänger und Songwriter der Band »Erdmöbel«, kreuzt in seinen zweiten Roman eine generationenübergreifende Familiengeschichte mit der Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, ein Roadmovie mit Rockmusik, gewürzt mit lukullischen Anleihen und literarischen Querverweisen. Denn nicht nur Berges, auch seine Romanfigur Jasmin und der legendäre Bob Dylan haben familiäre Wurzeln in der Südukraine. Da passt es gut, dass Bobby an Seelenwanderung glaubt und sich als Reinkarnation von Anton Tschechow sieht. Wer könnte sonst so kenntnisreich und augenzwinkernd aus dessen Erzählungen zitieren?
Titelangaben
Markus Berges: Die Köchin von Bob Dylan
Berlin: Rowohlt 2016
285 Seiten. 19,95 Euro
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