Zwei wie Pech und Schwefel

Kinderbuch | Lorenz Pauli, Kathrin Schärer: Rigo und Rosa

Eine Freundschaft zwischen Katz und Maus? Kann das gutgehen? Vielleicht, wenn die Katze eine sehr große Katze ist. Genauer gesagt ein Leopard. Und wenn die Maus eine normalkleine, aber sehr vertrauensvolle Maus ist. So wie Rigo und Rosa. Dann könnte das klappen. Was heißt »könnte«? Dann klappt das. ANDREA WANNER ist beeindruckt.

Rigo und RosaDas Adjektiv »rigoros« ist ein hartes Wort, das laut Duden so viel wie »sehr streng, unerbittlich, hart; rücksichtslos, ohne Rücksichtnahme« bedeutet. Aber wenn man es trennt, zwei Namen daraus macht – Rigo und Rosa – dann ist von dieser Härte eigentlich nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil. Dann staunt man, was passiert, wenn ein großes Raubtier auf einen kleinen Nager trifft. Dieser erste Moment ihrer Begegnung, der die Weichen stellt für eben jene wunderbare Freundschaft.

Wir befinden uns im Zoo. Rigo selbstverständlich im Käfig (auch das wird noch ein Thema sein), Rosa frei und in der Lage nach Belieben einen Käfig zu betreten oder auch wieder zu verlassen (Ein unglaubliches Privileg, findet Rigo.) Rigo schläft, weil Leoparden nun mal gern schlafen und in einem Zoo, in dem sie regelmäßig gefüttert werden, auch nicht viel Veranlassung haben, etwas anderes zu tun. Rigo schläft also. Und wird von einem Gejammer gestört. Das Gejammer kommt von Rosa (aber das weiß er natürlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht). Also macht er die Augen auf, sieht die Maus in seinem Gehege und stellt sich die alles entscheidende Frage: »Fragen oder fressen? Ich frag mal. Fressen kann ich danach. Umgekehrt ist schwierig.« In der Tat. Sonst wäre das Buch jetzt zu Ende und es gäbe keine ›28 Geschichten aus dem Zoo und dem Leben‹. Aber es gibt sie. Weil Rosa dem großen Unbekannten ihren Kummer anvertraut: »Ich kann nicht schlafen«, verrät sie. Und auf Nachfrage, warum denn nicht, erzählt sie Rigo: »Weil ich Angst vor bösen Tieren habe.« Was soll die Katze da anders machen, als die Maus sofort und in Zukunft vor eben jenen bösen Tieren zu beschützen?

So beginnt eine ganz besondere Freundschaft. Der Große und die Kleine lernen sich immer besser kennen, necken einander, entdecken die Stärken und Schwächen des jeweils anderen, haben Spaß miteinander, trösten sich gegenseitig.

Der behäbige Rigo lässt sich von Rosa und ihrer verrückten Art anstecken. Sie bringt neuen Schwung in sein Leben. Er sucht mit ihr gemeinsam Adjektive, die jenseits eines banalen »schön« die Dinge beschreiben, die die beiden begeistern. »Flatterastisch« ist so eine Wortkreation. Oder »optokrokant« für einen besonderen Tag. Rosa hat Flausen im Kopf und manchmal muss der abgeklärte Rigo sie ein bisschen auf den Boden der Realität zurückholen. Sie spielen zusammen, reden, philosophieren. Was für ein Schreck, als Rigo eines Tages nicht in seinem Käfig ist – und sich am Ende herausstellt, dass er nur beim Tierarzt war.

Lorenz Pauli hat sich kurze Episoden ausgedacht, die Titel tragen wie ›Leise‹, ›Alles neu‹, ›Einfach schön‹ oder ›Nichts als die Wahrheit‹ – und die klug und witzig von Beziehungen zwischen zweien, die sich mögen, erzählen. Rigo hat es wirklich gegeben. Er war ein persischer Leopard im Berner Tierpark. Lorenz Pauli dachte sich Geschichten über ihn und seine Freundin Rosa für das Magazin ›bärn!‹ Lorenz Pauli und Kathrin Schärer, die das Buch illustriert hat, sind ein eingespieltes Team. Und natürlich kommt es der Illustratorin entgegen, dass es mal wieder um Tiere geht. Denn »Tiere können die Zähne fletschen, die Ohren anlegen, Haare und Schwänze aufstellen. Bei menschlichen Gesichtern dagegen stößt man mit den Emotionen rasch an Grenzen. Ein wutverzerrtes Gesicht kann abstoßend wirken, Tiere dagegen bleiben eher sympathisch«, meint sie. Und so lässt sie Rosa genussvoll verzückt die Augen schließen, wenn Rigo sie mit seiner Leopardenzunge sauber schleckt, lässt sich Rigo mit nach oben verdrehten Augen langweilen, zeigt die beiden von unten und oben, im Schlaf und im Sprung, gemeinsam oder allein: Ganz nah an der Natur und trotzdem sehr menschlich.

Rigo und Rosa sind ein echtes Dreamteam in allen Lebenslagen!

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Lorenz Pauli (Text)/Kathrin Schärer (Bild): Rigo und Rosa
28 Geschichten aus dem Zoo und aus dem Leben
Zürich: Atlantis 2016
128 Seiten. 16,95 Euro
Kinderbuch ab 5 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Vertreibung

Nächster Artikel

Ich bin nicht, wer ich bin

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Bäume, die in den Himmel wachsen

Kinderbücher | Lane Smith: Großvaters Bäume / Gioconda Belli: Als die Bäume davonflogen Bäume gehören zu den wichtigen Symbolen für die Menschen, die mit ihrem Stamm und der Krone für die Verbindung zwischen Himmel und Erde stehen. Sie begegnen uns als Weihnachtsbaum und Maibaum, als Stammbaum und Baum des Lebens. Und manchmal spielen sie ganz besonders wichtige Rollen. Von ANDREA WANNER

Viel könnten wir erzählen…

56. Internationale Kinder- und Jugendbuchmesse Bologna im April 2019

Zaro Weil, die Cambridge School of Art und viele, viele, wunderbare Bücher. Ein Gang über die 56. Internationale Kinder- und Jugendbuchmesse Bologna Anfang April. Von GEORG PATZER und SUSANNE MARSCHALL

Er ist einfach zu lang

Kinderbuch | J.John/L.Smith: Roberta und Henry Das kennen wir alle: So oft sind wir nicht mit uns zufrieden: Die Haare sind zu glatt, zu dünn, zu kraus, die Lippen zu schmal oder zu dick. Der Hals ist zu scheckig, zu streckig oder zu halslos – so geht es Roberta und Henry. Ein wunderbares Bilderbuch, grandios übersetzt von Andreas Steinhöfel. SUSANNE MARSCHALL ist begeistert.

Witzige Variationen

Kinderbuch | Claudia Boldt: Tierisch tolle Typen Weder die Idee ist neu noch die Machart. Aber Claudia Boldts fröhliches Klipp-Klapp-Buch steckt tatsächlich voller toller Typen, dass ANDREA WANNER vergnügt mixte.

Idyll mit kleinen Unvollkommenheiten

Kinderbuch | Kirsten Boie: Am schönsten ist es in Sommerby

Der vierte Sommerby-Band lässt die Geschwister Martha, Mikkel und Mats den Frühling bei der Oma erleben. So schließt sich ein abenteuerliches Jahr, das ganz nah an der Natur erlebt werden kann, was ANDREA WANNER gut gefällt.