/

Sprache als Ereignis

Ausstellung | ›Sprache als Ereignis‹ im Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf

Bücher können in jeglicher Hinsicht Phantasien freisetzen, wenn man sich nur vom Text treiben und inspirieren lässt und beim Lesen genau hinhorcht und hinschaut. Von PETRA KAMMANN

So geschehen bei Design-Studenten der Peter Behrens School of Arts der Hochschule Düsseldorf, die sich unter der Leitung der Typografie-Spezialistin Professorin Irmgard Sonnen und der Diplom-Designerin Kathrin Tillmans das Buch ›Ideen. Le Grand‹ von Heinrich Heine zwei Semester lang unter die Lupe genommen haben.

Bücher können in jeglicher Hinsicht Phantasien freisetzen, wenn man sich nur vom Text treiben und inspirieren lässt und beim Lesen genau hinhorcht und hinschaut. So geschehen bei Design-Studenten der Peter Behrens School of Arts der Hochschule Düsseldorf, die sich unter der Leitung der Typografie-Spezialistin Professorin Irmgard Sonnen und der Diplom-Designerin Kathrin Tillmans das Buch ›Ideen. Le Grand‹ von Heinrich Heine zwei Semester lang unter die Lupe genommen haben.

Ausstellung im Heinrich-Heine-Institut. Kira Wenzels typografische Arbeit konzentrierte sich auf den typischen Heine-Sound, da wurde aus der Fraternité eben eine dumme Bêtise
Ausstellung im Heinrich-Heine-Institut. Kira Wenzels typografische Arbeit konzentrierte sich auf den typischen Heine-Sound, da wurde aus der Fraternité eben eine dumme Bêtise. (Plakat links: Katti Dehdari; Plakate rechts: Wibke Bramesfeld)

Unter drei verschiedenen Themenaspekten haben sie sich mit den so amüsanten wie hintersinnigen Episoden, Anekdoten, Erlebnis-und Reiseberichten, Polemiken, Satiren, Witzen, Abschweifungen und Reflexionen des in Düsseldorf geborenen und nach Paris ausgewanderten Icherzählers des 19. Jahrhunderts beschäftigt: mit dessen ambivalenten Liebesbeziehungen, seiner Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution und ihrem Vollstrecker Napoleon sowie mit literarischen Fragestellungen und dem Rollenverständnis des Schriftstellers in der Gesellschaft der Restauration und unter den Bedingungen der Zensur, die Heine umtrieben.

Dabei entstanden hochspannende medienspezifische Gestaltungen und Bildkonzepte: Fotografien, Bildmontagen, eine Lichtinstallation und das Plakat. ›… und alles wimmelt und lauscht‹ dann auch in der Ausstellung im Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut.

Die visuelle Beschäftigung mit dem Text entspricht der Offenheit der Heine‘schen Form, bei der »in schnellem Tempo Stil und Sprachebenen gewechselt, Gattungsgrenzen überschritten, herkömmliche Muster verletzt« werden, wie es der Heine-Kenner Professor Bernd Kortländer einmal beschrieb.

Den Studierenden ist dabei eine hervorragende Transferleistung des mit diesen Themen verbundenen Fragmentarischen gelungen. Die Wechsel zwischen bedrucktem und unbedrucktem Raum auf dem Papier lassen Spannung und Leichtigkeit entstehen. Sie eröffnen neue Räume, Assoziationsräume. Und die auf Tischen ausgebreiteten Leporellos schaffen Analogien zum »zusammengewürfelten Lappenwerk«, wie Heine in seine ›Harzreise‹ selbstironisch nannte.

Nicole Szklareks Gestaltungen der  ›Madame‹
Nicole Szklareks Gestaltungen der ›Madame‹

Nicole Szklarek setzt außerdem gekonnte kontrapunktische Akzente wie bei der typografisch gelungenen Umsetzung der ambivalenten Liebesbeschreibung beim Doppelplakat von ›Madame‹, wo es zur Linken heißt: »Sie war liebenswürdig und er liebte sie« und zur Rechten: er aber war nicht liebenswürdig und sie liebte ihn nicht“, verbunden durch den Hauch eines Schattens von ›Madame‹ auf beiden Seiten. Es ist eine alte Geschichte, und hier, in der Ausstellung, wird sie wieder neu.

Denn hier wird ein ganz anderer Dialog mit dem Heine‘schen Text als der von Literaturwissenschaftlern sichtbar und animiert dazu, Heines Reiseberichte noch einmal nachzulesen. So ist das Drehen von Buchstaben, Sprüchen und Seiten, das Umsetzen in subtile Fotobilder dazu noch eine kreative und animierende Antwort auf das durch Internet und E-Book geprägte Rezeptionsverhalten. Hier wurde eine eigene neue Bildsprache geschaffen.

Die Ausstellung ›Sprache als Ereignis. Ein allegorischer Liebesbrief‹ ist noch bis zum 22.01.2017 im Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf, Bilkerstr. 12-14 zu sehen.

Die als Leporello gestaltete Ausgabe des Buches ›Le Grand‹
Die als Leporello gestaltete Ausgabe des Buches ›Le Grand‹ (Nicole Szklarek)

| PETRA KAMMANN

Ausstellungsangaben
Sprache als Ereignis. Ein allegorischer Liebesbrief
Eine Ausstellung zu ›Ideen. Das Buch Le Grand‹ von Heinrich Heine der Peter Behrens School of Arts Fakultät Design der Hochschule Düsseldorf in Kooperation mit dem Heinrich-Heine-Institut.
16. Oktober 2016 bis 22. Januar 2017

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Welcome To Sideways: New Album Reviews

Nächster Artikel

Seliges Warten

Weitere Artikel der Kategorie »Ausstellung«

Kant, Kolonialismus und Black Power

Spektrum | Ausstellung: Biko: The Quest for a True Humanity Der 4.Panafrikanismus-Kongress München war dem südafrikanischen Bürgerrechtler Steve Biko gewidmet. SABINE MATTHES blickt zurück auf die Tagung und die noch laufende Ausstellung.

Irgendwie geht’s immer weiter

Comic | Portrait: ›MAD‹-Zeichner Tomas Bunk Beim Comicfestival München ist Tomas Bunk vor wenigen Tagen mit einem Preis für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden. Der Name dürfte nicht mehr jedem etwas sagen. Bunk ist jedoch ein Künstler, der nach holprigem Start in Deutschland eine beachtliche Karriere hingelegt hat (in USA gilt er heute als einer der letzten großen ›MAD‹-Zeichner). Wie das kam, ist derzeit in einer Ausstellung zu erfahren, die ANDREAS ALT sich angesehen hat.

Mit dem Apparat die sogenannte Ewigkeit erfassen

Ausstellung | ›Evelyn Hofer, 1922-2009, Retrospektive‹. Museum Villa Stuck, München Endspurt für eine Ausstellung mit Bildern von erratischer Schönheit. Evelyn Hofer, Amerikas berühmteste unbekannte Fotografin, wird noch bis zum 20.09. mit einer großen Retrospektive in der Villa Stuck geehrt. Wer die Ausstellung nicht besuchen kann, dem empfiehlt SABINE MATTHES den begleitenden Bildband

Roll Over Tiepolo

Kunst | Leo Leonhard im Kulturbahnhof Eller

Derzeit werden wir auch in Düsseldorf Zeugen der Wiederentdeckung eines großen Künstlers. Mit dem Nachlass von Leo Leonhard, der nun von seinem Sohn – dem international bekannten Londoner Geigenrestaurator und Geigenbauer Florian Leonhard – der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, tritt das Werk eines lange Vergessenen, Unentdeckten ans Licht der Öffentlichkeit. Ein fertiges, vollendetes Werk, das Sammlerinnen, Sammler und Kunstliebhaber begeistern wird: ein phantastisches Werk aus Zeichnung, Grafik und zum Teil sehr großformatiger Malerei, das jahrelang in einem Atelier in Bickenbach bei Darmstadt in einer Art Dornröschenschlaf auf seine Wiederentdeckung wartete. Aber: Wer ist Leo Leonhard? Dieser Frage ist MARC PESCHKE nachgegangen

Schrecklich – Schön

Ausstellung | ›Geschlechterkampf. Franz von Stuck bis Frida Kahlo‹

›Geschlechterkampf. Franz von Stuck bis Frida Kahlo‹. Unter diesem provokanten Titel zeigt derzeit eine große Ausstellung im Städel Museum, wie kontrovers Künstler vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts auf die sich verändernden Rollenbilder reagierten. Von PETRA KAMMANN