//

Vom Traum, ein Rebell zu sein

Menschen | Zum 85. Geburtstag von Miloš Forman

»Ich finde es schrecklich, wenn Regisseure denken, sie würden etwas wahnsinnig Wichtiges kreieren. Hey, Leute, es ist nur ein Film! Macht euch locker«, hatte Miloš Forman 2008 in einem FAZ-Interview erklärt. PETER MOHR zum 85. Geburtstag des oscar-gekrönten Regisseurs.

Milos FormanSeine bewegte Vita hat Spuren hinterlassen. Der oscargekrönte Regisseur macht keinen Hehl daraus, dass sein Lebenslauf und sein künstlerischer Erfolg in ursächlichem Zusammenhang stehen. »Ich habe immer davon geträumt, etwas Rebellisches zu tun, aber ich hatte nicht den Mut dazu. Also waren diejenigen, die sich trauten, meine Helden. Das ist ganz natürlich, wenn man rund 40 Jahre unter totalitären Regimes gelebt hat – zuerst unter den Nazis und dann unter den tschechischen Kommunisten«, berichtet Forman rückblickend.

Dieses Bekenntnis ist keine Fassade, denn Forman hat unter den unmenschlichen Diktaturen gelitten. Mit neun Jahren verlor er seine Eltern, die im Konzentrationslager starben. In einem Internat kam der Waisenjunge erstmals mit dem Film in Berührung. Buster Keaton, Charlie Chaplin und John Ford hatten es ihm angetan. Der Weg zur Prager Filmhochschule schien vorgezeichnet zu sein. Nach seiner Diplom-Prüfung versuchte er sich zunächst als Drehbuchautor, doch schon Anfang der 60er Jahre wechselte er hinter die Kamera.

Schon mit seinen ersten in der Tschechoslowakei gedrehten Filmen ›Der schwarze Peter‹ (1963) und ›Die Liebe einer Blondine‹ (1965) eckte er bei den kommunistischen Machthabern an. Als 1968 die russischen Panzer in Prag einrollten, befand sich Forman, der heute vor 85 Jahren in Caslav (60 km von Prag entfernt) geboren wurde, in Paris. Er kehrte kurz in die Heimat zurück und siedelte dann in die USA über.

Doch seine Karriere in Übersee begann mit einem Flop – die Generationssatire ›Taking off‹ (1971) fand bei den Kritikern (ausgezeichnet beim Filmfestival in Cannes), nicht aber beim Publikum Zustimmung.

Vier Jahre später gelang dann der große Durchbruch mit seinem heute noch bekanntesten Film ›Einer flog über das Kuckucksnest‹ nach dem Roman von Ken Kesey. Fünf Oscars heimste der Film ein, darunter auch den für die beste Regie.
Der Filmversion des Musicals ›Hair‹ (1979) folgte 1984 der zweite große Wurf, der in Formans tschechischer Heimat gedrehte Film ›Amadeus‹, der mit insgesamt acht Oscars prämiert wurde.

Miloš Forman ließ sich im Gegensatz zu vielen Branchenkollegen von den Produzenten nie von Film zu Film hetzen. Er wählte die Drehbücher immer sorgfältig aus, folgte dabei seinen eigenen Vorlieben und ignorierte oft das zeitgeistabhängige Publikumsinteresse.

›Valmont‹ (1989) und die provokante Filmbiographie ›Larry Flynt – Die nackte Wahrheit‹ (1996) wurden trotz renommierter internationaler Auszeichnungen keine Kassenschlager. 1999 inszenierte Forman ›Der Mondmann‹ (ausgezeichnet mit dem Silbernen Berliner Bären für die beste Regie) mit Jim Carrey in der Hauptrolle. Wieder ein hochgelobter, aber an den Kinokassen kaum gefragter Streifen. Nicht viel besser erging es ihm mit seinem letzten Film ›Goyas Geister‹ (2006).

Auch die in die Filmwelt eingezogenen neuen Technologien bereiteten Miloš Forman einiges Kopfzerbrechen: »Als ich zum ersten Mal an einem digitalen Schneidetisch saß, war ich total nervös: Ich hatte das Filmmaterial nicht physisch vor mir; es gab nichts, was ich berühren konnte.«

Der große Enthusiasmus des Regisseurs ist verflogen – nicht zuletzt wegen der jüngsten Misserfolge, die Forman so begründete: »Das US-Publikum hat seine Schwierigkeiten, wenn es ambivalent zugeht. Es mag Schwarz-Weiß-Malerei, aber mit grauen Schattierungen hat es so seine Probleme.« Diesem kommerzorientierten Einheitsbrei hat Miloš Forman immer die Gefolgschaft versagt. Das macht seine Größe aus.

| PETER MOHR

Titelbild
| Zff2012, Milosforman, bearbeitet, CC BY-SA 3.0

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

I Just Want A Good Beat: New Album Reviews

Nächster Artikel

Vom Konzerthaus in der Elbe

Weitere Artikel der Kategorie »Film«

Kung Fu und der innere Frieden

Film | Im Kino: The Lego®Ninjago®Movie™ Was haben wir denn hier? Kurz nach dem Lego®Batman®Movie™, der Anfang des Jahres erst in den Kinos kam, startet nun der Lego®Ninjago®Movie™ durch. Das selbst ernannte beste Spielzeug der Welt findet Geschmack an der Kinoleinwand! Könnte es sein, dass hinter dem Plastik-Spektakel trotz Grenze zur Albernheit mehr steckt, als man sieht? ANNA NOAH geht dem Lego®-Film-Phänomen auf den Grund.

»Mutig, wie ein schwuler James Bond«

Interview | Film | Im Kino: Tom of Finland. Interview mit dem Regisseur Dome Karukoski Dome Karukoskis Filmbiografie ›Tom of Finland‹ ist eine Hommage an die Ikone der queeren Popkultur. Pornografie, Camp oder Kunst – seine homoerotischen Zeichnungen sind ein wichtiger Teil der Schwulenbewegung. Der Film zeigt eine schillernde Coming-out-Geschichte, aus Dunkelheit und Unterdrückung zu Freiheit und Licht. Er ist finnischer Kandidat bei den Auslands-Oscars. SABINE MATTHES sprach mit Regisseur Dome Karukoski.

Ein gutes Buch ist unverzichtbar

Film | Im TV: ›TATORT‹ Blutschuld (mdr), 15. Februar Ein Schrotthändler fährt ein schmuckes BMW-Cabrio, nachtschwarz, doch nach nur fünf Minuten sucht ihn der Sensenmann heim. Außerdem wird recht kompromisslos und zügig eine Familie komplett abgeräumt. All das hat einen behutsam religiös angehauchten Hintergrund, so mit der Vorstellung von Schuld und Sühne, da dürfen wir gespannt sein. Auge um Auge, Zahn um Zahn – das bewährte alttestamentarisches Motto. Von WOLF SENFF

Hoffnungslos

Film | Im Kino: A Beautiful Day Sieben Minuten applaudierte das Publikum in Cannes. ›A Beautiful Day‹ hatte zuvor in einer unfertigen Fassung seine Premiere gefeiert. Regisseurin Lynne Ramsay hat die Erzählung des Autors Jonathan Ames mit Joaquin Phoenix in der Hauptrolle verfilmt. FELIX TSCHON möchte wissen, ob die Zuschauerinnen und Zuschauer zurecht applaudierten.

Die Schöne und das »Biest«

Menschen | zum 95. Geburtstag von Gina Lollobrigida

»Ich habe das Recht, mein Leben bis zum Schluss leben zu dürfen. In meinem Alter verlange ich nur eines: dass sie mich in Frieden sterben lassen! Den Rummel habe ich zu lange mitgemacht! Jetzt meide ich ihn. Deshalb bin ich so gern in Pietrasanta in der Toskana«, hatte die Schauspielerin Gina Lollobrigida erklärt, die vor 15 Jahren noch einmal für ein kräftiges Rascheln im Blätterwald sorgte. Die angekündigte Hochzeit mit dem 34 Jahre jüngeren spanischen Unternehmer Javier Rigau platzte dann aber doch. Von PETER MOHR