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Grandioser Fiesling vom Dienst

Menschen | Zum 80. Geburtstag von Oscar-Preisträger Jack Nicholson am 22. April 2017

»Mit meiner Sonnenbrille«, sagte der Hollywood-Star vor zehn Jahren, »bin ich Jack Nicholson. Ohne sie bin ich fett und siebzig.« Die Rolle des psychopathischen ehemaligen Korea-Kämpfers Randle Patrick McMurphy in ›Einer flog über das Kuckucksnest‹ (1975) hatte ihn weltberühmt gemacht, obwohl er schon vorher in bekannten Streifen wie ›Easy Rider‹ (1969) und Roman Polanskis ›Chinatown‹ (1974) glänzte. Von PETER MOHR

einer-flog-ueber-das-kuckucksnesteiner-flog-ueber-das-kuckucksnestDreimal wurde er mit dem Oscar ausgezeichnet – zweimal als bester Hauptdarsteller in ›Einer flog über das Kuckucksnest‹ und ›Besser geht’s nicht‹ (1998), sowie als bester Nebendarsteller in Zeit der Zärtlichkeit (1983) an der Seite von Shirley MacLaine. Für die Hauptrolle in ›About Schmidt‹ (2002) nach dem erfolgreichen Roman von Louis Begley erhielt er den bisher letzten von sechs Golden Globes.

Zumeist waren es gebrochene Figuren, die Nicholson verkörperte. Echte Charakterrollen, in denen er sämtliche Facetten seines Könnens ausspielen konnte. Kaum ein anderer Schauspieler seiner Generation verfügt über ein solch vielfältiges mimisches Spektrum.

Nach Nicholsons eigener Einschätzung das Ergebnis knochenharter Arbeit: »Ich glaube, jeder, der in Hollywood arbeitet, hat seine Lehrjahre hinter sich. Alles andere ist ein Mythos.«
Direkt nach der Highschool ist Nicholson, der im April vor 80 Jahren in Neptune im Bundesstaat New Jersey geboren wurde und (ohne Vater) bei seiner Großmutter aufwuchs, Richtung Los Angeles aufgebrochen. Dort verdiente er zunächst als Bürobote bei MGM seinen kargen Lebensunterhalt. In einer kleinen Theatergruppe namens ›The Payer’s Ring‹ kam Nicholson erstmals mit der Schauspielerei in Berührung. Regisseur Roger Corman, mit dem er später noch einige Filme machte (u.a. ›Der Rabe – Duell der Zauberer‹ und ›The Terror – Schloß des Schreckens‹) entdeckte Nicholsons schlummerndes Talent und verhalf ihm 1958 in ›The Cry Baby Killer‹ zu seinem Spielfilmdebüt.

»Ich habe die miesesten Kritiken bekommen. Ich erinnere mich an eine Kritikerin, die mich in ›The Terror‹ (1963) gesehen hatte. ›Äußerst hölzern‹, schrieb sie. Ich schrieb ihr zurück – den einzigen Brief, den ich je an einen Kritiker gerichtet habe: ›So hölzern wie Charlton Heston?‹«, erinnert sich Nicholson an seine beschwerlichen Anfänge.

›Killer Smile‹ nannte ein amerikanisches Nachrichtenmagazin zutreffend Nicholsons ausgefeiltes Mienenspiel, denn niemand kann so widerliche Schurken verkörpern und gebrochenen Antihelden so eindrucksvoll authentischen Lebensatem einhauchen.

In Bob Rafelsons ›Wenn der Postmann zweimal klingelt‹ (1980) setzt er seiner Angebeteten (gespielt von Jessica Lange) zu und nötigt sie förmlich zum Liebesakt auf dem Küchentisch, und in Stanley Kubricks ›Shining‹ (1979) geht er gar mit der Axt auf seine Ehefrau los.
Kein Schauspieler, der als galanter Liebhaber die Frauenherzen höher schlagen lässt; Jack Nicholson hat als »Fiesling vom Dienst« Weltruhm erlangt. Auch im Privatleben war ihm mit den Frauen kein dauerhaftes Glück beschieden – mit vier Partnerinnen hat Nicholson fünf Kinder, am längsten (17 Jahre) hielt die Liaison mit Schauspielerkollegin Anjelica Huston.

Als ihm 1994 vom American Film Institute der ›Lifetime Achievement Award‹ verliehen wurde, versammelte sich eine illustre Gästeschar: Warren Beatty, Dennis Hopper, Peter Fonda, Candice Bergen, Shirley MacLaine, Danny DeVito, Michael Douglas und Dustin Hoffmann gehörten zu den Gratulanten des großen Charakterdarstellers, der auch als Regisseur respektable Erfolge feierte – u.a. ›Der Galgenstrick‹ (1978) und die ›Chinatown‹-Fortsetzung ›Die Spur führt zurück‹ (1989).
»Komisch, wie sicher ich mir war, am Ende meiner Karriere auf zehn selbst inszenierte Filme zurückblicken zu können. Heute würde ich von einem Wunder sprechen, wenn’s noch ein-, zweimal klappt. Dazu kommt: Man will meist Schauspielarbeiten von mir, keine Regie«, bekannte Nicholson im Jahr 2002 in einem Interview.

DepartedDennoch kann von Ruhestand keine Rede sein. Zuletzt war Nicholson in Martin Scorseses Gangsterfilm ›Departed – Unter Feinden‹ (2006) an der Seite von Leonardo di Caprio und Matt Damon sowie in der Komödie ›Woher weißt du, dass es Liebe ist‹ (2011) auf der Kinoleinwand zu sehen. Ob es mehr als nur ein Gerücht ist, dass Jack Nicholson demnächst in einem US-Remake von ›Toni Erdmann‹ ein Comeback auf der Kinoleinwand geben soll, bleibt abzuwarten.

»Wenn mir jemand erzählt, er habe keine Angst vor dem Sterben, sage ich nur: Okay. Man muss den Leuten ja nicht ins Gesicht sagen, dass man sie für dreiste Lügner hält!« Geradlinig, eckig, kantig und häufig sogar ein wenig provozierend – so sind nicht nur die meisten Figuren gewesen, die Jack Nicholson mit Bravour verkörperte.

| PETER MOHR

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