Gesellschaft | Wolfgang Bittner: Die Eroberung Europas durch die USA
Wie man es dreht und wendet, an nüchternen Zahlen kommt niemand vorbei. Im Jahr 2013 wandte Russland 88 Milliarden Dollar für Rüstung auf, Frankreich, Deutschland und Großbritannien zusammen 168 Milliarden und die USA 640 Milliarden – was sagt uns das? Von WOLF SENFF
Im September 2014 fand im Schwarzen Meer ein gemeinsames Manöver seitens der USA und der Westukraine statt, es war nicht das letzte, an dem sich die NATO-Staaten Kanada, Rumänien, Spanien, die Türkei ebenfalls beteiligten – was sagt uns das?
Verwöhnt
Wolfgang Bittner schreibt eine andere Geschichte, eine Geschichte jenseits der etablierten Narrative. Er erinnert an nicht aufgeklärte Details im Kontext des Staatsstreichs in der Ukraine und an die geostrategischen Ziele der USA und kommt zu anderen historischen Zusammenhängen als denen, die uns die hiesigen Medien präsentieren, aber vielleicht zu ähnlichen Ergebnissen, was die angespannte Situation Europas betrifft.
Für die von langjährigem Frieden und von materiellem Wohlstand verwöhnten Mitteleuropäer ist es neu, sich in eine Welt zu sortieren, die von rücksichtslosem Machtkalkül und unvorstellbarer Kaltblütigkeit dirigiert wird, doch Wolfgang Bittner zufolge sei das Realität.
Erneut wird aufgerüstet
Am 16. 11. 2014 wurde die Ukraine von ihrem eigenen Präsidenten als »Szenario für einen totalen Krieg« angeboten. Wann zuletzt habe man derartige Töne in Europa vernommen? Haben wir davon gehört, dass hiesige Politiker diese Äußerung entschieden zurückgewiesen hätten? Dass die Medien das Verhalten jenes Präsidenten kritisieren?
Wolfgang Bittner erinnert an die Erweiterung der NATO hin zur russischen Westgrenze, die Schaffung eines militärischen Gürtels vom Schwarzen Meer zum Baltikum, die zielgerichtete Destabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens.
Stärke der BRICS
Der Konsument westlicher Medien darf misstrauisch werden. Kritische politische Positionen seien ausgegrenzt. Frau Merkel, Propagandistin einer marktkonformen Demokratie, trete als Statthalterin der amerikanischen Interessen nebst denen der Wall Street auf.
Die Nationen des BRICS – Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika – sind längst zu eigener, von niemandem abhängiger wirtschaftlicher Größe herangewachsen. Sie stehen für 56% der Weltwirtschaftsleistung, für 85% der Weltbevölkerung, kontrollieren rund siebzig Prozent der Weltdevisenreserven, ihr jährliches Wachstum beträgt 4%-5%.
Kalter Krieg aufgewärmt
Die geopolitischen Gewichte haben sich verlagert. Die europäischen Nationen nehmen mit der gegen Russland verhängten Sanktionspolitik eine nachhaltige Schädigung der eigenen Wirtschaft in Kauf, während die USA davon unberührt bleiben. Europa, so Wolfgang Bittner, drohe sich weltweit ins Abseits zu manövrieren – »Fuck the EU« (Victoria Nuland, USA).
Angela Merkel hängt Bittner zufolge fest in den politischen Kreisen Obamas, der Clintons und der Demokraten und ist nicht bereit, den von Donald Trump angestrebten Ausgleich mit Russland zu unterstützen – die Demokraten der USA seien bestrebt, die aggressiven Positionen des Kalten Kriegs neu zu beleben. Seit Neuestem klagen sie Trump aufgrund seiner vermeintlichen Putin-Kontakte des Landesverrats an.
Die Fronten werden neu sortiert
Die politischen Lager seien im Begriff, sich neu zu sortieren. Darin liege die Schwierigkeit Festlandeuropas begründet, für das zwischen einem von den USA aufgerüsteten Gürtel der Staaten vom Schwarzen Meer bis zum Baltikum und einem nach dem Brexit sich den USA annähernden Großbritannien eine Politik des Ausgleichs und der Annäherung an Russland alternativlos sei.
Wolfgang Bittner sieht bereits heute eine akute Kriegsgefahr zwischen USA/NATO und Russischer Föderation. Er plädiert für eine neue, breite europäische Friedensbewegung.
Titelangaben
Wolfgang Bittner: Die Eroberung Europas durch die USA
Eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung.
Frankfurt/Main: Westend, 2017
254 Seiten, 18 Euro
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