Unfähigkeit zur wahren Liebe

Roman | Gonzalo Torné: Meine Geschichte ohne dich

Gonzalo Torné ist im deutschen Sprachraum noch ein unbeschriebenes Blatt. Der 41-jährige Spanier, der in Barcelona Philosophie und Ästhetik studiert hat, gilt in seiner Heimat als eine der wichtigsten literarischen Stimmen seiner Generation. ›Meine Geschichte ohne dich‹ ist sein erster in deutscher Übersetzung vorliegende Roman – ein Buch, das neugierig macht auf mehr aus der Feder dieses Autors. Gelesen von PETER MOHR

Roman | Gonzalo Torné: Meine Geschichte ohne dich | Liebe
Meine Geschichte ohne dich von Gonzalo Torne
Torné erzählt die Geschichte von Joan-Marc Miro-Puig, ein Mann in den Vierzigern, der schon zwei gescheiterte Ehen hinter sich hat und wie ein paradigmatischer Antiheld daher kommt. Torné beschreibt mit großem Impetus das klägliche Scheitern seiner Hauptfigur. Nicht spöttisch, nicht herab lassend, ernst, aber mit augenzwinkerndem Humor.

»Wir fuhren in einen Luftkurort, um zu retten, was noch zu retten war von unserer verfluchten Ehe«, lautet der erste Satz des Romans, der sich auf Joan-Marcs Liaison mit dem einstigen amerikanischen Leichtathletiktalent Helen bezieht. Sie war in jungen Jahren eine ungeheuer attraktive Frau, aber »vorhersehbar wie ein harmloser Witz«. Etliche Jahre sind vergangen, als der Protagonist seine Ex-Frau, deren abweisende Eltern und ihren halbwüchsigen Sohn aus einer anderen Beziehung in einer Art Seniorenresidenz wieder trifft.

Retten, was zu retten war

Aber das beschriebene Ambiente passt so gar nicht zum draufgängerischen Macho Joan-Marc, der es bei Helen sogleich mit überfallartigem Sex probiert. Das geht selbstverständlich schief, wie fast alles im Leben von Tornés Hauptfigur. Die wohlsituierten Eltern haben sich getrennt, wodurch die Mutter in tiefe Depressionen versank. Seinen Vater findet Joan-Marc tot auf, nachdem er seinem Leben selbst ein Ende gesetzt hatte.

Gonzalo Torné erzählt auf wechselnden Zeitebenen mit spürbarer Empathie von einer emotionalen Berg- und Talfahrt seiner Hauptfigur, Euphorie und Depression gehen hier beinahe nahtlos ineinander über. Joan-Marc tingelt nachts durch Kneipen, sucht den Dialog mit seiner zweiten Frau, der er schonungslos offen beinahe sein gesamtes Leben beichtet.

Er trifft alte Freunde wieder, doch nichts ist wie früher. Überall herrscht Chaos, etwas Ruhe, einen Hauch Normalität findet er nicht. Ein Freund hat sich zur Geschlechtsumwandlung entschieden, ein Anderer führt ein jämmerliches Dasein als Messie – von Müll und Unrat umgeben.

›Meine Geschichte ohne dich‹ ist ein schmerzhaftes Buch über die großen Verluste und über die gescheiterten Versuche, das Rad der Zeit zurückdrehen zu wollen. Ein aufwühlender Roman über männliche Egoismen und der daraus resultierenden Unfähigkeit zur wahren Liebe.

| PETER MOHR

Titelangaben
Gonzalo Torné: Meine Geschichte ohne dich
Aus dem Spanischen von Petra Strien
München: Deutsche Verlags-Anstalt 2017
380 Seiten. 21,99 Euro
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Allzu niedlich

Nächster Artikel

Zeit für Zombies!

Weitere Artikel der Kategorie »Roman«

Porträt der Künstlerin als junge Frau

Roman | Siri Hustvedt: Damals Als geschicktes Vexierspiel, als schillerndes Kaleidoskop von Erinnerungen und Zuweisungen kommt Siri Hustvedts siebter Roman daher. Doch was geschah Damals wirklich? Helfen alte Aufzeichnungen und wiedergefundene Notizhefte, um das Geschehen zu erhellen? Von INGEBORG JAISER

Die schwere Bürde eines guten Lebens

Roman | Daniela Krien: Der Brand

Der Brand bringt die zuvor schon dahinschwelenden Eheprobleme eines ostdeutschen Paars erneut zum Auflodern, wobei sich die ländliche Abgeschiedenheit eines Sommerdomizils als Katalysator erweist. Daniela Krien entwirft in ihrem neuen Roman das Psychogramm einer in die Jahre gekommenen, vielfach versehrten Beziehung und das Ausloten unterschiedlicher Lebensentwürfe. Von INGEBORG JAISER

Zwischen den Kriegen

Roman | Krimi | Robert Hültner: Am Ende des Tages Mit Paul Kajetan hat Robert Hültner in seinem neuen Roman Am Ende des Tages eine Figur geschaffen, mit deren Hilfe es ihm gelingt, seinen Lesern das Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen zu erklären. Die bisher vorliegenden sechs Romane um den unangepassten Mann, dessen Aufrichtigkeit und moralische Integrität ihm Anfang der 20er Jahre seine Polizeikarriere gekostet haben, verbinden spannende Unterhaltung mit einem facettenreichen Zeitporträt. Allerdings sieht es am Schluss des aktuellen Abenteuers ganz so aus, als wäre es Kajetans letzter Fall. – Von DIETMAR JACOBSEN

Nairobi 2007: Ein Massai sucht einen Mörder

Krimi | Richard Crompton: Wenn der Mond stirbt Nairobi im Dezember 2007. Vor der anstehenden Präsidentschaftswahl bauen sich die Spannungen zwischen den politischen Lagern und unterschiedlichen Volksgruppen in Kenia immer mehr auf. Ist unter den Rivalisierenden auf den Straßen auch der Mörder einer jungen Frau zu finden, dem der Massai-Ermittler Mollel nachjagt? Richard Cromptons Krimidebüt Wenn der Mond stirbt hat Atmosphäre und ist kenntnisreich und spannend geschrieben. Von DIETMAR JACOBSEN

Im Land der Spione gehen die Uhren anders

Roman | Mick Herron: Joe Country

Langweilig wird es in der »Slough House« genannten Außenstelle des britischen Inlandsgeheimdienstes nie. Dafür sorgt nicht nur deren ungehobelter Leiter Jackson Lamb, sondern auch die Tatsache, dass immer wieder neue gescheiterte Existenzen in diese »Abteilung für Ausschussware« versetzt werden. Diesmal ist es der von polnischen Exilanten in zweiter Generation abstammende Lech Wicinski. Kinderpornos will man auf seinem Dienst-Laptop gefunden haben, Dateien, von denen er nicht weiß, wo sie hergekommen sind. Ist es nur ein Vorwand, um den wissbegierigen Jungspion kaltzustellen? Während der Mann um die Wiederherstellung seiner Ehre kämpft, bekommen es Lambs Männer und Frauen wieder mit einem alten Feind zu tun und nicht alle von ihnen kommen aus dem kalten, verschneiten Wales zurück, wohin sie von ihm gelockt werden. Von DIETMAR JACOBSEN