//

Auf die Freundschaft und die moderne Frau

Bühne | M. Delaportes, A. de la Patelliére: Das Abschiedsdinner

Pierre (charakterstark und überzeugend: Bernhard Meindl) und Clotilde (feminin und fulminant: Sophie Lochmann) sind ein ganz normales, modernes Paar. Eines, bei dem Clotilde die Hosen anhat … Von JENNIFER WARZECHA

… auch wenn sie im Stück auch ein wunderschönes blaues Kleid (ausgezeichnet: Kostümbild Mareile von Stritzky) trägt. Ihr Gatte hat nicht nur ganz schön viel mit sich selbst zu tun, was sich an ausschweifenden Yoga-Übungen zeigt, sondern auch mit seinem Freund Antoine (humorig und ausdrucksstark: Lars Fabian).
Weil er laut Meinung seiner Frau aber nicht mehr zu ihren besten Freunden gehören und aussortiert werden sollte, lädt sie ihn zu einem sogenannten Abschiedsdinner ein – eines mit unerwartetem Ausgang.

Das AbschiedsdinnerClotilde hat ein Problem mit Bea, Antoines Frau, unter anderem, weil sie »müffelt«. Genau wie Antoine übrigens auch. Das alleine aber ist nicht Pierres Problem. Vielmehr ist seine und Antoines Freundschaft etwas in die Jahre gekommen, wie es scheint. Pierre jedenfalls geht in sich und kommt im Dunkeln daher, trägt auf einem Tablett Kerzen herein. Diese Szene hat etwas Ominöses, Gespanntes. Sie wird aber geradezu zum Ausgangspunkt der Entwicklung der Freundschaft innerhalb der Aufführungszeit des Stückes. Beide Freunde tauschen die Rollen und schlüpfen deswegen auch in die Kleider des anderen. Nicht nur das: sogar in die jeweiligen Unterhosen, was jeweils zwei Nacktszenen ergibt, die die Schauspieler wiederum gut meistern und nur ein leichtes Raunen im Publikum verursacht.

Leicht haben es beide miteinander nicht. Antoine (ebenfalls ausdrucks- und charakterstark: Lars Fabian) hat etwas Melancholisches. Er führt Selbstgespräche und nennt sich dort Patrick, damit »ich einen besseren Dialog mit mir führen kann«, so Antoine. Seit mehreren Jahren ist er in Therapie, was ihm Pierre in einer der Szenen auch vorwirft. Grund: Er sei ein Narzisst, der geradezu darauf stünde, einmal pro Woche durch ein Gespräch mit dem Therapeuten Aufmerksamkeit zu bekommen.

Antoine findet den Wein und sieht die Weinmarke, welche stellvertretend für die eines Abschiedsdinners steht. Betreten und traurig fragt er Pierre, ob dies ein Abschiedsdinner für ihn, Antoine, sei. Pierre erzählt eine haarsträubende Geschichte einer Freundschaft mit den Protagonisten ›Tim und Struppi‹, wirbelt auf der Bühne herum und behauptet vor Antoine, er habe diese ihm zugunsten aufgelöst.
Gerade weil Pierre Antoine persönlich beleidigt restriktive seines Narzissmus‘, verlässt dieser den Raum.

Die Freundschaftsbande erstarken wieder

Erst nach der Pause wissen Pierre und Clotilde, ob Antoine wiederkommt.
Mit Pierre geht aber eine Verwandlung vor sich: Urplötzlich merkt dieser, was er an seinem alten Freund Antoine hat. Er windet sich auf der Bühne, leidet und zerschlägt Bücher – dies, nachdem er Antoine eigentlich schon die Freundschaft gekündigt hatte.
Clotilde sitzt währenddessen am Tisch in der Ecke, steht auf, taumelt betrunken und schaut stur und fest. Sie ist gegen die Freundschaft der Männer.

Antoine jedoch kommt tatsächlich wieder, mit liebevollem Blick voller Zuwendung gegenüber Pierre. Dieser ist erleichtert. Beide machen einen Termin aus: An jedem Mittwoch in der Woche wollen sie sich treffen und so die Freundschaft erneuern.
Doch Pierre steckt am Ende in der Bredouille – die Komödie hat dementsprechend ein offenes Ende und zeigt letztendlich nicht, wie er sich letztlich entscheidet – da Pierres Frau Clotilde ihn mental in die Enge treibt.

Das Abschiedsdinner

Sie geht mit machtvollem Gesichtsausdruck auf Pierre zu, greift ihm in die Hose und sagt ihm, wie stolz sie auf ihn sei und schier gezweifelt und nicht dran geglaubt habe, dass Pierre es fertigbekomme, sich von Antoine zu lösen. Wie bzw. für wen dieser sich letztlich entscheidet, für seine Frau oder seinen Freund, bleibt, wie erwähnt, letztendlich offen. Möglicherweise siegt aber auch hier die moderne Frau, die ihren Mann im Griff hat.

| JENNIFER WARZECHA
Fotos: SABINE HAYMANN

Titelangaben
Das Abschiedsdinner
Komödie von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière
Theater Pforzheim

Besetzung
Clotilde — Sophie Lochmann
Pierre — Bernhard Meindl
Antoine — Lars Fabian
Inszenierung — Christopher Haninger
Bühnenbild — Jörg Brombacher
Kostümbild — Mareile von Stritzky

Dauer: ca. 2h 5 Min, Pause nach ca. 55 Min

Weitere Termine
Sa. 30.12.2017: 20:00; So. 31.12.2017: 18:00/ 21:00
So. 07.01.2018: 20:00; Fr. 12.01.2018: 20:00
Sa. 13.01.2018: 20:00; So. 14.01.2018: 20:00
Sa. 20.01.2018: 20:00; So. 21.01.2018: 20:00
Sa. 27.01.2018: 20:00;

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Das Brodeln unter der Oberfläche

Nächster Artikel

Free Jazz, Free Space & Impro: Led Bib

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Das Elbe vom Ei

Bühne | Hart gekochtes Improvisationstheater am Ernst Deutsch Theater Hamburg »Was du hier siehst, hat es so noch nie gegeben … und wird so auch nie wieder passieren!« Es verspricht, ein urkomischer, einmaliger, hochkreativer Abend zu werden. Denn niemand weiß, welch verrückte Ideen in den gespannten Zuschauerköpfen herumgeistern. Nicht nur MONA KAMPE war extremely amused.

Die Welt als eine Bühne begreifen

Bühne | Theater: William Shakespeares ›Wie es Euch gefällt‹ Rollentausch, Verwechslungskomödie, Utopie sowie träumerische Sehnsucht prägen die Komödien William Shakespeares (1564-1616). In Pforzheim verzaubert eine reizende und charmante Konstanze Fischer in der Doppelrolle der Rosalind und des Ganymed das Publikum. Von JENNIFER WARZECHA

»Eine Woche voller Samstage«

Bühne | Kindertheater: Eine Woche voller Samstage Mit keckem Blick, gerichtet auf die Zuschauer einerseits sowie hin zu seinem »Papa«, Herrn Taschenbier (trotz des Wirbels locker, gefasst und überzeugend: Fredi Noël), und der Haushälterin Frau Rotkohl (einfach spitze und in großem Maße für Erheiterung sorgend: Anne-Kathrin Lipps) wirbelt das »Sams« (sympathisch und überzeugend: Sophie Lochmann) auf der Bühne des Großen Hauses im Stadttheater Pforzheim herum. JENNIFER WARZECHA freut sich auf einen Kinderbuchklassiker.

Im Varieté durch Afrika

Live | André Hellers Show ›Afrika! Afrika!‹ in Berlin Am 23. Januar 2018 feierte die Neuinszenierung von André Hellers ›AFRIKA! AFRIKA!‹ eine umjubelte Premiere im ›Stage Theater Potsdamer Platz‹ in Berlin. Opulente Highlights, wie ein lebensgroß nachgebildeter Elefant beeindruckende Artisten sowie aufwendige Bühnentechnik erwarten die Zuschauer. Beim Auftakt zur Tournee bekamen die Akteure 15 Minuten Standing Ovations. ANNA NOAH hat eine künstlerisch äußerst anspruchsvolle Feel-Good-Show für Groß und Klein gesehen.

Parieté – über eine wunderbare Teilhabe

Bühne | Theater | Parieté-Gala Die »Parieté-Gala« ehrte zum 4. Mal behinderte und nicht behinderte Künstler sowie deren vielfältige Interpretation des Kunstbegriffes. Kunstschaffende aus allen Bereichen begegneten einander auf der Bühne. So entfaltete sich nach und nach die Wirkung ganz besonderer Darbietungen. ANNA NOAH freute sich auf viele einzigartige Momente.