Kinderbuch | Hartmut El Kurdi: Ein Dings namens Schröder
Fröhliche Weihnachten? Von wegen. Bei den Hummels hängt der Haussegen schief und Lilly, die Jüngste, ergreift die Flucht. Und irgendwie ist das genau das Richtige, auch wenn es zunächst gar nicht danach aussieht. Von ANDREA WANNER
Es ist – wie sicher in manchen Familien am Heiligen Abend – der Weihnachtsbaum, der zum Zankapfel zwischen Lillys Eltern wird. Der sieht, in letzter Minute vom Vater gekauft, nicht so aus, wie sich die Mutter das wünscht. Ein Wort gibt das andere, es wird grundsätzlich. Und laut. Außerdem drohen noch die beiden Omas, die eine ewig an allem rumnörgelnd, die andere dement. Und Dorothy, Lillys ältere Schwester, hat sowieso keinen Bock auf das ganze Fest und will lieber zu ihrem Freund.
Nichts wie weg
Klar, dass Lilly das nicht mehr aushält. Sie geht nach draußen, zunächst vor die Haustür und dann in den verschneiten Park. Dort trifft sie Karim, der als Moslem kein Weihnachten feiert, sich dafür mit Lilly eine tolle Schneerauferei liefert. Und kurz darauf, als die beiden eigentlich schon Richtung Heimweg sind, gibt es einen Unfall. Ein Motorroller fährt Lilly fast um und beim anschließenden Sturz schlägt sich die Fahrerin den Kopf an einen Laternenpfahl.
Zum Glück ist alles nicht so schlimm – aber die Frau in dem weißen Overall mit den strubbeligen Haaren weiß nicht mehr, wer sie ist und warum sie eigentlich unterwegs ist. Aber sie hat einen Zettel mit Lillys Namen in der Tasche und so beschließen sie, dass erst mal alle zu den Hummels gehen: Lilly, um an der Bescherung teilzunehmen und die beiden anderen, um sich zunächst in Lillys Zimmer zu verstecken. Einen Namen hat die Fahrerin in der Zwischenzeit auch bekommen: Schröder. Das steht nämlich auf der Rückseite des Kärtchens. Und die Dinge nehmen ihren Lauf.
Der in Jordanien geborene deutsche Schriftsteller Hartmut El Kurdi hat seine Weihnachtsgeschichte um einen Engel mit Gedächtnisverlust 2011 als Kurzgeschichte mit dem Titel ›Ein Dings namens Hübner‹ für die Weihnachtsbeilage der Hannoverschen Allgemeinen geschrieben. Mit hintergründigem Witz, ein bisschen Bosheit und vielen guten Ideen stattet er den Himmelsboten Schröder bei aller Verwirrtheit mit viel Weitsicht, enormer Klugheit, einfühlsamer Moderationskompetenz und einer Prise interkultureller Kompetenz aus. Warum denn bitteschön soll Karim keinen Christbaum daheim stehe haben dürfen, nur weil er und seine Familie Moslems sind.
Da hilft doch glatt ein Hinweis auf die Erfindung des Fußballs. Darüber, wie Schröder diese Dinge miteinander verknüpft, staunt Karim dann wirklich. Den Hummels und den beiden Omas liest er dann im Weihnachtszimmer mal kurz die Leviten. Dass das bei einem Engel nicht ohne Wirkung bleibt, versteht sich von selbst.
El Kurdi skizziert das mit leichter Hand und – ganz erstaunlich – Verzicht auf Weihnachtskitsch. Und Marine Ludin illustriert diese in der Reihe ›Der kleine Roman‹ erschienene Weihnachtsgeschichte, die so ganz anders daherkommt, passend. Was von außen noch bunt leuchtet, wird innen zu zart in Braun- und Orangetönen kolorierten Zeichnungen mit deutlichen Comicanklängen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass niemand Weihnachtsbäume braucht, dass sie aber auch keinem schaden und nicht unbedingt immergrüne Tannen sein müssen. Weihnachten ist etwas ganz anderes. Was, das lässt sich in der kleinen Geschichte nach- und vorlesen.
Titelangaben
Hartmut El Kurdi: Ein Dings namens Schröder
Mit Illustrationen von Marine Ludin
München: Tulipan 2017
62 Seiten, 10 Euro
Kinderbuch ab 6 Jahren
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