Kinderbuch | Aron Dijkstra: Ritter Rufus. Der Drachenkämpfer
Wo Ritter sind, sind Drachen, und wenn sie aufeinandertreffen, müssen sie kämpfen. War so, ist so, muss so sein. Wirklich? »Nicht unbedingt!«, meint Aron Dijkstra und hat flugs ein buntes freundliches Buch gezaubert, um das zu erklären. Allerdings nicht ganz eindeutig. Von MAGALI HEIẞLER
Rufus ist ein stolzer Ritter, nur eins fehlt noch in seinem Leben, der Kampf mit einem Drachen. Auf einem hohen Berg lebt ein unbesiegter Drache. Was also liegt näher, als sich umgehend auf den Weg zu machen, und den Drachen herauszufordern?
Als Rufus vor dem Drachen steht, entwickelt sich die Sache jedoch nicht so, wie es sich gehört. Dabei strengt sich der Ritter wirklich an, um alles richtig zu machen. Jedenfalls eine Zeit lang. Dann reicht es ihm allmählich.
Dem Drachen reicht’s schon lange. Ob es ihm gelingt, das dem Ritter klarzumachen? Und was passiert dann?
Üppige Rundungen
Der Text ist knapp gehalten, modern, prägnant formuliert und witzig aufgemacht. Was groß ist, steht auch in fetten Lettern da. Da die großen, großen Wörter, echter Drache, z. B., oder Megaschutzschild jedoch die zugrunde liegende Aussage konterkarieren, erhält der Text einen ironischen Unterton. Dieser ist deutlich genug, dass selbst kleine Kinder, denen Ironie fremd ist, rasch dahinterkommen, dass an der Sache etwas nicht stimmen kann. Das ist lustig und fordert zugleich zum Mitdenken auf, schön gemacht.
Was bei diesem Buch begeistert, sind die Bilder. Dijkstra besticht durch kühne Perspektiven, vor allem seine Draufsichten bezaubern. Von oben betrachtet wirkt Rufus wie auch seine Welt um so kleiner. Tatsächlich ist der Ritter ein kleiner Junge, der von großen Taten träumt. Drache Bruchhorn nimmt eher die Erwachsenenrolle ein. Solche Erkenntnisse jedoch stehen weit hinten. Zuerst kommt das rundum vergnügliche Betrachten.
Rufus’ Welt ist mittelalterlich angehaucht. Vor allem ist sie gerundet. Schwünge, Bögen, Wirbel, Kurven, Schnörkel, Windungen, Kreise, Ellipsen, Schrägen, schiefe Winkel und weiche Ecken regieren. Noch der härteste Holzstuhl wirkt gemütlich und selbst das höchst gefährliche Riesenschwert hat beim genaueren Hinsehen eine gerundete Spitze und ähnelt am ehesten einem stumpfen Bleistift. Nicht einmal Bruchhorns Hörner sind spitz, abgesehen davon, dass er seinen Namen zu Recht trägt!
Alles strahlt Harmonie aus, etwas Grundfreundliches. Knuddeln möchte man das Buch, auch wenn es mit seinem beeindruckenden Format bestimmt nicht zum Knuddeln einlädt. Genau so freundlich sind die Farben, Braun- und Beigetöne, das Gold von Rufus’ wilder Lockenpracht, gedämpftes Gelbgrün, viel Violett. Selbst das Rot des Drachens, eigentlich eine Warnfarbe, verbreitet Wärme. Es ist rundum herzig. Dass es zugleich nicht im Mindesten zuckrig verklebt ist, ist ein weiterer Pluspunkt.
Das kann nur gut ausgehen, keine Frage.
Eine Frage hätte ich noch …
Die Geschichte ist schön, wunderbar gezeichnet, voller winziger Details, die der Handlung Tiefe verliehen, und macht viel Spaß. Die Lösung ist eine gute. Allerdings nur auf den ersten Blick. Denn vollständig schafft Dijkstra den zugrunde liegenden Konflikt nicht aus der Welt. Drache und Ritter treffen sich schließlich auf dem Spielbrett. Blut fließt keines, dennoch wird gekämpft. Gesiegt und besiegt.
War so, ist so, muss so sein? Warum?
Dieser Frage muss man nachgehen. Schach ist ein Kampf, das wird leicht vergessen. Wo Überlegene sind, sind Unterlegene. Eine ewige Hierarchie. Sie siegt hier zudem, wieder einmal. Das gibt der Geschichte einen zweifach falschen Ton. Das ist bedauerlich, denn es ist höchste Zeit, dass derartige Grundannahmen abgeschafft werden und eben nicht von Generation zu Generation weitergetragen.
Das geschieht hier jedoch. So viel Talent, so viel Spaß. Und dann doch nur das Altgewohnte.
Schade.
Titelangaben
Aron Dijkstra: Ritter Rufus. Der Drachenkämpfer
(2016 Ridder Roel de drakenvechter, a.d. Niederländ. v. Meike Blatnik)
32 Seiten, 14,95 Euro
Berlin: Annette Betz 2017
Bilderbuch ab 4 Jahren
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