Kinderbuch | J. Douglas, L. Riphagen: Das Küsschen-Krokodil
Viele Kinder können nicht einschlafen. Hören Geräusche, haben Angst. Haben nur ein kleines Bärchen bei sich, das ihnen aber auch nicht helfen kann. Verstecken sich unter der Bettdecke, aber das macht’s auch nicht besser. Von GEORG PATZER
»Ich höre Tiere, Bär«, sagt Tim ängstlich. Er liegt mit Bär im Bett, kann aber vor lauter Geschnaufe und Gebrumme, Gescharre und Geknurre nicht schlafen: »Eines hockt unter dem Tisch. Tim ist sich sicher. Schnell macht er das Licht an.« Tatsächlich: ein Schwein. Das ist das Geschichten-Schwein: »Los, rück mal zur Seite, dann lese ich dir was vor. Du hast doch nicht etwa Angst vor mir?«
Nein, vor dem Schwein hat Tim keine Angst. Aber da geht es auch schon wieder, Bär ist wieder eingeschlafen, es ist stockdunkel. Und Tim kann nicht schlafen: Im Zimmer sind immer noch Tiere, aus dem Schrank knurrt ganz gefährlich ein Tiger. Vorsichtig öffnet Tim die Schranktür: »Solltest du nicht schlafen?« fragt der Tiger. Und jagt Tim durch das Zimmer und wieder ins Bett, denn er ist der Zudeck-Tiger.
Und so geht es weiter. Denn Tim ist ein schwerer Fall von Wachbleiben. Nichts kann ihn zum Einschlafen bringen, nicht der unheimlich auf der Treppe polternde Knuddel-Büffel, der versucht, Tim müdezuknuddeln, nicht der knurrige und singende Schlaflied-Löwe. Erst dem Küsschen-Krokodil gelingt es, dass Tim müde wird, quasi müdegeknutscht.
Und kurz bevor er wirklich einschläft, sieht Tim mit müden Augen noch ganz schemenhaft ein letztes Tier, ein ganz großes. »Was ist denn das?, denkt Tim. Aber dann schläft er ein.« Denn das letzte Tier, von dem er die Ohrwuschel und das Strubbelhaar nur noch ganz undeutlich sieht, ist der Schöne-Träume-Drache. Der kommt sowieso immer erst zuletzt – noch nie hat den jemand deutlich gesehen.
Der holländische Autor Jozua Douglas hat eine kleine witzige Geschichte geschrieben, die Loes Riphagen ebenso witzig illustriert hat. Kindlich schief malt sie Tims Zimmer mit den vielen Tierbildern an der Wand und auf dem Tisch, den Büchern und Spielzeuggiraffen, dem Fußball und dem kleinen Matchbox-Auto, auf dessen Ladefläche hinten ein Schweinchen sitzt. Den kleinen Tim, der im rotkarierten Bett liegt und mit angstvoll aufgerissenen Augen an die dunkle Decke starrt. Der immer noch Angst hat, als das Schweinchen die Decke hebt, und erst fröhlich wird, als es ihm aus einem Buch vorliest.
Und auf dem Buchumschlag sieht man wieder die rote Decke, das Krokodil und Tim selbst, und »Jozua & Loes« steht obendrüber. Das wiederholt sich: der ängstliche Tim und dann der fröhlich herumspringende, tanzende, Quatsch machende, nicht schlafen wollende. Und immer wieder sieht man auch die Spielzeugtiere, im Zimmer, auf dem Tisch, im Regal, und sogar in der Nische zur Treppe, wo es dann poltert. Und ganz am Schluss pupst der Schöne-Träume-Drache eine bunte Tier- und Gespenster und Sterne- und Regenbogenfarbenmasse in Tims Richtung, der ruhig grinsend endlich schläft.
Einfach süß. Eine nette Einschlafgeschichte für Kinder, die nicht einschlafen können. Oder wollen. Weil es doch viel netter ist, noch zu toben und zu tanzen. Und weil man die Gute-Nacht-Geschichte noch nicht gehört hat. Und das Gute-Nacht-Küsschen noch nicht bekommen hat.
Titelangaben
Jozua Douglas / Loes Riphagen: Das Küsschen-Krokodil
(De kusjeskrokodil). Übersetzt von Rolf Erdorf
Stuttgart: Thienemann Verlag 2018
32 Seiten, 12,99 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
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