//

Alle Wege führen in den Kaukasus

Bühne | Kasimir und Kaukasus im Schlosspark Theater Berlin

Wenn der Mann einen Goldfisch statt des gewünschten Yorkshire-Terriers als Geschenk mitbringt, darf die Dame des Hauses schon mal verstimmt sein. Zumal die Ehe schon nicht mehr besonders gut läuft. Aber als sie dann einen alten Verflossenen anruft, um ihren Gatten zu ärgern, entwickeln sich die Dinge ganz anders, als sie denkt …
ANNA NOAH amüsiert sich über menschliche Schwächen, Verwicklungen und überraschende Umstände.

»Spül ihn runter!«

Der Journalist Henri (Dieter Landuris) wird von seiner Frau, der Innenarchitektin Christine (Ulrike Frank) beauftragt, einen Yorkshire-Terrier zu kaufen. Er sieht es als Chance, seine kriselnde – und vor allem kinderlose – Ehe zu retten. Doch statt des Yorkshire-Terriers bringt er einen viel günstigeren, pflegeleichteren Goldfisch mit nach Hause, den er Kasimir tauft.
Christine sieht das Aquarium anfangs gar nicht, ist dann jedoch empört und droht sogar mit Scheidung! Weil Henri es nicht schafft, den Fisch »fachgerecht« zu entsorgen, lädt sie aus Rache ihren früheren Verehrer Hans Peter (Markus Majowski) zu sich ein. Dieser wurde just in dem Moment von Mutti rausgeworfen, weil er eine tief verwurzelte Abneigung gegen jede Art von Arbeit hat. Darüber wird sich vermehrt während des Stücks lustig gemacht.

Doch auch der Goldfisch Kasimir hat es nicht leicht. Er schwebt anfangs permanent in Lebensgefahr. Bald jedoch tritt seine besondere Gabe zutage – nämlich die Person, die vor seinem Aquarium sitzt, muss auf einmal zwanghaft die Wahrheit sagen. Keiner kann sich so recht erklären, wieso in Kasimirs Anwesenheit diese Offenheit herrscht, doch es tut allen irgendwie gut. Damit qualifiziert sich der Fisch nach und nach zu einem lieb gewonnenen Haustier.

»Aber es kommt schon mal vor, Gummi macht peng.«

Durch Hans Peters Notlage und der Großzügigkeit des Hausherren Henri, ihn eine Weile aufzunehmen, steht bald auch eine kaukasische Escort-Dame namens Dounia (Katharina Maria Abt) in der Wohnung. Hans Peter hat sie auf einer Parkbank in der Nähe aufgegabelt. Es stellt sich heraus, dass Henri fünf Jahre zuvor ein äußerst kurzes Abenteuer mit Dounia hatte. Nun erzählt sie ihm in russisch-gebrochenem Deutsch, dass es einen fünfjährigen Sohn gibt, der in der Obhut von Dounias Mutter im fernen Kaukasus Ziegen hütet.

Was bedeutet das nun für Henri? Muss er sofort in den Kaukasus aufbrechen, zu seinem Jungen, den er sich immer gewünscht hat? Doch Dounia ist gar nicht so sehr interessiert am Vater ihres Kindes. Sie findet Hans Peter besser. »Ist wie mein Sohn: arm, faul und spielt gern.«

Da möchte man fast Mitleid mit Christine haben … oder?
Weit gefehlt! Ihr Lebenswandel ändert sich ebenfalls. Ihr aktueller Kunde, ein Russe, dessen Appartement sie gestaltet hat, kommt ihr in seiner Hotelsuite sehr nahe. Daraufhin ist sie völlig verwirrt, weil er sie gleich mit in seine Heimat – genau – den Kaukasus, nehmen möchte. Als sie das dem geduldigen Kasimir beichtet, läuft sie komplett zur Hochform auf.

Paartherapie mal anders

Die Idee hinter diesem in vielerlei Hinsicht absurden Theaterstück ist durchaus originell und es brilliert durch gute schauspielerische Leistungen. Dabei bezieht es sich auf etliche Probleme und Problemchen der Neuzeit. Sei es die langjährige Beziehung der Eheleute, in der die Luft heraus zu sein scheint, das Lustigmachen über Bio-Food oder das Auftauchen des alten Verflossenen.
Ein großes Thema ist auch die Tatsache, dass man nicht mehr miteinander kommunizieren kann, wohl aber mit einem Außenstehenden, hier symbolisiert von Kasimir.

Kasimir und Kaukasus

Manche Szenen sind leider recht textlastig und wirken dadurch etwas schwerfällig. Doch die lustigen Bemerkungen des Goldfischs lockern einiges wieder auf. Allerdings verrät der heimliche Star des Abends manchmal auch etwas zu viel, was die Spannung in der ersten Hälfte leicht abfallen lässt.

In der zweiten Hälfte jedoch nimmt die Komödie mit Dounias Erscheinen richtig Fahrt auf und steuert voller Elan auf die Wendung zu. Handlung und Dialoge werden rasanter, verzwickter und noch eine Spur lustiger. So kommt es, dass ausgerechnet Hans Peter während des retardierenden Moments in seiner eigenwilligen Art und Weise den Eheleuten sämtliche Zusammenhänge erklären muss. Dementsprechend wundert sich am Ende auch keiner, dass Hans Peter und Dounia Richtung Kaukasus fliegen, während die beiden zurückbleibenden Eheleute heißblütig wieder zueinanderfinden.

›Kasimir und Kaukasus‹ ist ungeniert und frech. Es passt zum Sommer und gefällt bestimmt jeder Altersgruppe.

| ANNA NOAH
| FOTOS: © DERDEHMEL/Urbschat

Showangaben
Kasimir und Kaukasus (Schloßpark Theater)
Darsteller:
Christine – Ulrike Frank; Henri – Dieter Landuris
Hans Peter – Markus Majowski; Dounia – Katharina Maria Abt
Stimme des Goldfischs: Dieter Hallervorden
Regie: Holger Hauer
Original: »Un animal de compagnie« von Francis Veber, ins Deutsche übersetzt von Dieter Hallervorden

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Melancholic Melodies And Organic Grooves: An Interview With Chic Miniature

Nächster Artikel

Überzeugungsarbeit

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Bigmouth Strikes Again: Morrissey Live In Belfast!

Music | Bittles‘ Magazine: The music column from the end of the world In Belfast we are somewhat starved of concerts by people you would actually pay money to go see. Local ›talent‹ and terrible tribute bands seem to make up the majority of the gig-goer’s choice here. And, when someone does decide to make the short trip over the Irish sea it tends to be people like McBusted or Nicki Minaj who aren’t going to excite anyone over the age of twelve. By JOHN BITTLES

Wenn das Spiel des Lebens zum Lebensspiel wird

Bühne | Der Spieleabend

Theater zum Anfassen, nicht im wörtlichen, aber übergreifend sprichwörtlichen Sinne, das findet sich kurz zusammengefasst im Jakobus-Theater im zentral gelegenen Theaterhaus in der Karlsruher Innenstadt. Auf gleich drei Bühnen bietet sich dem Publikum ein breites und vielfältiges Programm. Im kleinsten Saal des Theaterhauses, gegenüber vom Sandkorn Theater gelegen, haben die Schauspielerinnen und Schauspieler Großes vor. Nicht nur das: Es kommt einfach authentisch und echt rüber. Von JENNIFER WARZECHA

Von heiter bis nachdenklich

Bühne | Die Theatersaison 2023/2024 am Badischen Staatstheater

Von heiter, anspruchsvoll, freudig bis nachdenklich stimmend: Die neue Theatersaison am Badischen Staatstheater 2023/2024. Von JENNIFER WARZECHA

Das verfaulte Spiegelbild des Sozialen

Bühne | Zombie1_eine Schreckensbilanz Zombies gelten als das Lumpenproletariat des Horror-Genres – nicht so elegant, erotisch und aristokratisch wie Vampire – und in ihren Bedürfnissen wesentlich primitiver orientiert. Denn der Zombie strebt schlicht nach Menschenfleisch, primär Hirnmasse. Vielleicht auch, weil diesem Untoten die Eigenschaft des menschlichen Denkens abhandenkam. Das treibt ihn in die Peripherie der Gesellschaft, und sein fehlendes Bewusstsein macht ihn dazu noch völlig kritikunfähig. Von PHILIP J. DINGELDEY

Überladen heiter

Bühne | ›Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand‹ im Karlsruher Sandkorntheater »Spektakulär, unerwartet, komisch und vielfältig – mit einem Ende, das nicht nur die im Stück inbegriffene Staatsanwältin Amanda, die das Ergebnis kurz und prägnant anhand einer Pressekonferenz vor den Journalisten präsentieren möchte, verwirrt!« So ließe sich die momentan aktuelle, entsprechende Inszenierung des Millionensellers ›Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand‹ nach dem Roman von Jonas Jonasson im Karlsruher Sandkorntheater kurz zusammenfassen. Von JENNIFER WARZECHA