Bühne | Musical: Tanz der Vampire
›Tanz der Vampire‹ ist seit vielen Jahren ein wahrer Dauerbrenner auf sämtlichen Bühnen Europas. Die schaurig-amüsante Geschichte von Michael Kunze verbindet den Reiz des Mystischen und Unerklärlichen mit einem Hauch (Homo-)Erotik. Und neuerdings überrascht es mit wahrhaft gruselig-schönen Tanz-Choreographien. ANNA NOAH ist fasziniert von der aktuellen Version.
»Ich hör eine Stimme, die mich ruft«
1967 machte der Film ›Dance Of The Vampires‹ von einem damals noch relativ unbekannten Roman Polański Furore. Die Horrorkomödie begeisterte ein Riesenpublikum und genau zwanzig Jahre später, 1997, wurde das Musical in zwei Akten unter der Regie Polańskis in Wien am Raimundtheater uraufgeführt. Es lief bis zum 15. Januar 2000.
Transsilvanien, 19. Jahrhundert … Im Prolog sucht der Student Alfred (Raphael Gross) verzweifelt seinen alten Mentor Abronsius (Sebastian Brandmeir). Der schrullige Professor nennt sich »Spezialist für Fledermäuse und Vampire«. Deswegen reist er zusammen mit Alfred in die tief verschneiten Karpaten, um Vampire aufzuspüren – und im Bestfall zu vernichten.
Die beiden Männer quartieren sich im ersten Akt in einem knoblauchlastigen Wirtshaus ein.
Bereits am nächsten Tag, im zweiten Akt, wird Sarah (Diana Schnierer), die hübsche Tochter der Wirtsleute, vom Vampir Graf Krolock (Filippo Strocchi) entführt.
Die Figur des Grafen
Die Besetzung des Grafen von Krolock ist für die Fans stets eine Lotterie. Denn mit seiner Präsenz steht und fällt das Stück. Und wer jetzt denkt, der Graf müsse nur bedeutsam mit dem Umgang wedeln – weit gefehlt!
Filippo Srocchi ist nur ein Graf unter vielen. Und doch schafft er es, der Rolle eine unerwartete Eleganz zu geben. Er hat seinem ganz eigenen Stil. Dieser ist fast ein bisschen zu perfekt, da er die verschiedenen Ebenen des Krolock miteinander vereint, wie keiner zuvor. Er agiert auf eine klassische Art, die man eher bei Thomas Borchert erwartet, aber zusätzlich gibt es viele moderne Facetten.
Seine Schauspielkunst und sein Gesang bis hin zur Mimik sind durch und durch überzeugend. Angefangen bei »Gott ist tot«, über »Sei bereit« bis hin zu »Die unstillbare Gier« wirkt es, als hätte der Darsteller den Grafen schon über zig Jahre gespielt. Jeder Zuschauer dürfte mehr als einmal eine Gänsehaut bekommen haben.
Dasselbe gilt auch für Diana Schnierer, die in ihrer Rolle als Sarah eine gute Figur machte – und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Allerdings überstrahlte der Graf in manchen Szenen ihre Präsenz. Und das, obwohl er sich nicht in den Vordergrund drängte.
Schauspielerisch solide fehlte es ihr bisweilen stimmlich an Kraft, wodurch sie etwas an Glanz verlor.
Neuigkeiten
An vielen Stellen hat sich der Musikstil verändert. Schneller, mitreißender, bunter. Dies ist anfänglich irritierend, hat aber durchaus seinen Reiz. Denn die zugehörigen Choreographien sind absolut sehenswert. Tänzer und Orchester funktionieren einwandfrei. Alles passiert gleichzeitig und punktgenau.
Ebenfalls erstaunlich ist die überzeugende und witzige Darstellung des Tattergreises Abronsius. Sebastian Brandmeir spielt die Rolle bis zum letzten Satz mit Bravour, ist entzückend eigentümlich und singt den Professor mit Hingabe. Oftmals gibt es tosenden Szenenapplaus. Zu Recht!
Das Bühnenbild ist und bleibt für eine Tour-Produktion bemerkenswert. Das Wirtshaus dreht sich, das Schloss ist detailreich geschmückt und die legendäre Grabwand wird von unten nach oben gesenkt. Im Vergleich zu anderen Tour-Produktionen setzt die Ausstattung große Maßstäbe.
Erotische Unsterblichkeit
Zum Abschluss gaben die Darsteller bei der Verbeugung noch einen ›Tribute to Queen‹, passend zum zeitgleichen Release von ›Bohemian Rhapsody‹. Sympathisch.
»Tanz der Vampire« wird ein Dauerbrenner bleiben. Es gibt viele Höhepunkte, wie z.B. die neuen, schnellen Tanz-Choreographien sowie das in Sekundenschnelle wandelbare Bühnenbild, welches mit 3D-Hologrammen glänzt.
Die Blutsauger dürfen ruhig noch etwas länger ihr Unwesen im Theater des Westens treiben, denn die Mischung aus Humor, Grusel und Romantik holt jeden Zuschauer irgendwo ab. Einen nicht unerheblichen Anteil am Unterhaltungswert des Musicals hat die Musik des Orchesters. Die Songtexte bleiben im Ohr – und sie sind unsterblich. Genau wie die Vampire selbst.
Somit ist »Tanz der Vampire« wahrhaft gut gemachtes Musical-Entertainment.
| ANNA NOAH
| ABBILDUNGEN: THOMAS BRILL; STAGE ENTERTAINMENT; DEWYNTERS
Showangaben
Tanz der Vampire
(Stage Entertainment)
Cast:
Graf von Krolock – Filippo Strocchi
Sarah – Diana Schnierer
Professor Abronsius – Sebastian Brandmeir
Alfred – Raphael Gross
Orchesterleitung: Shay Cohen