Sachbuch | Vincent Klink: Angerichtet, herzhaft und scharf!
Achtung, zwischen diesen spinatgrünen Buchdeckeln brodelt es gewaltig, wenn der Autor kurz und knapp verkündet: es ist ›Angerichtet, herzhaft und scharf!‹ Der Koch und Literat Vincent Klink räsoniert gleichermaßen über Anstand oder Auberginengerichte, über Stuttgart 21 oder Steinpilze, über Zeitgeist oder Zwiebelrostbraten. INGEBORG JAISER hat sein wortgewaltiges Tage- und Rezeptebuch genüsslich goutiert.
»Ich sehe zwar gemütlich aus, aber das täuscht«, mahnt Vincent Klink. Aufgrund von Leibesfülle und Habitus kommt es schnell mal zu falschen Einschätzungen. Denn der Küchenmeister und Patron aus Leidenschaft ist ein überaus agiler Typ, ein multitalentierter Tausendsassa, der vor (fast) nichts zurückschreckt: der bekannte Gastronom und Gastrosoph agiert auch erfolgreich als Autor und Verleger, Jazzkenner und -musiker, Zeichner und Kalligraph, Gärtner und Imker. Sogar die Homepage seines legendären Stuttgarter Lokals ›Wielandshöhe‹ pfriemelt er – ganz sparsam-bescheidener Schwabe – selbst zusammen. Seine dort jahrelang (eher nebenbei) veröffentlichten Gedanken zum Leben und zur Küche sorgten nicht nur für intensive Dialoge mit den Gästen, sondern nun auch, in kumulierter Form und mit zahlreichen eigenhändigen Zeichnungen versehen, für ein wunderbares Druckwerk.
Philosophische Betrachtungen und lukullische Empfehlungen
Um es vorwegzunehmen: dieses überbordende Tage- und Rezeptebuch aus den Jahren 2006 bis 2018 lässt sich nicht an einem Stück konsumieren, viel eher sollte man manche vehement hingeschmetterten Überlegungen und Betrachtungen, Fakten und Finessen sorgsam und bedächtig auf der Zunge zergehen lassen. Vincent Klink kann ein eigensinniger, unbequemer Geist sein, ein Querdenker, Aufmischer und Unangepasster – »überzwerch« würden die Schwaben dazu sagen.
Wie in einem guten Pot-au-feu sind auch in seinem literarischen Eintopf grundsolide Zutaten vereint: Rezepte und Rezensionen, Bonmots und Betrachtungen, Philosophie und Pikanterie, Erlebnisse und Einfälle, Gedanken und Gespräche. Vieles davon hat der Verfasser zu früher Morgenstunde festgehalten. Dazu seine praktische Lebensregel: »Bevor ich in Stress komme, stehe ich früher auf.« Zum Beispiel, um jeden Morgen ins Bassflügelhorn zu blasen.
Wieland als Hauspatron
In ›Angerichtet, herzhaft und scharf!‹ verwurstet Vincent Klink gleichermaßen gastronomische wie gesellschaftliche Themen. Verrät Küchengeheimnisse und lukullische Empfehlungen. Wettert gegen intellektuelle Großtuerei (»Wenn ich bei Wein- und Ausgehschreibern das Unwort ›autochthon‹ lese, dann weiß ich, der Autor ist ein aufgeblasener Halbgegarter«) und sehr früh schon gegen S21-Gigantismus (»Wahnsinnsbahnhof mit Konsumanimationsstadtteil«). Nimmt anglophile Geschmäcker aufs Korn »The worst wörst is bloodwörst«) und ansonsten auch kein Blatt vor den Mund. Dabei verbergen sich zwischen seinen kulinarischen Kalendergeschichten durchaus auch philosophische Preziosen und literarische Leckerbissen, samt knackigen Kurzrezensionen zu Klassikern und Neuerscheinungen. Nicht umsonst hat Klinik sein Restaurant ›Wielandshöhe‹ genannt – als Hommage an den Biberacher Dichter und Shakespeare-Übersetzer Christoph Martin Wieland.
Regionales Erzeugnis
Schreiben und Lesen als Leidenschaft hat bei Klink eine lange Tradition, angefangen bei der ererbten Gelehrtenbibliothek seines Altphilologen-Großvaters – bis hin zu seinem eigenen publizistischen Schaffen. Die Bände von ›Cottas kulinarischem Almanach‹, enthusiastisch herausgegeben unter Vincent Klinks Ägide, haben längst Sammlerstatus erreicht, ebenso die Zeitschrift ›Häuptling eigener Herd‹. Der bibliophile Connaisseur wird sich nun ganz besonders an ›Angerichtet, herzhaft und scharf!‹ aus dem Verlag Klöpfer & Meyer erfreuen: Der gewichtige, liebevoll ausgestattete Band liegt satt in der Hand, changiert in kräuterfarbenen Grüntönen und überrascht mit über zwei Dutzend Rezepten und Originalzeichnungen von Meister Klink daselbst.
Dies ist kein schniekes, angeberisches Coffee-Table-Book, sondern ein solides, durch und durch regionales Erzeugnis mit haltbarer Fadenheftung, farbigen Vorsatzblättern und knallrotem Lesebändchen. Getrost lässt sich in allen Lebenslagen darin schmökern: in der Küche, im Bett, auf der Terrasse.
Titelangaben
Vincent Klink: Angerichtet, herzhaft und scharf!
Aus meinem Tage- und Rezeptebuch
Tübingen: Klöpfer & Meyer, 2018
272 Seiten. 28,00 Euro
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